Zu Beginn des siebenten Tages hält Atlas, die gebundene Naturkraft, eine Rede, und der König und die Königin empfangen eine kleine, zierliche Truhe, die von Cupido aufbewahrt werden soll. Cupido, die vereinigende Begierdenkraft oder die verbindende Schwingung, die zwischen dem positiven und dem negativen Pol unserer Natur herrscht, erhält das Geschenk zur Aufbewahrung, das König und Königin verbinden soll.
Cupido, die natürliche Liebeskraft, ist der einzige, der weiß, daß König und Königin eins werden müssen.
Danach folgt die sehr bedeutungsvolle Aussage von C.R.C.: "Unser Alter aber und ich Unwürdiger mußten neben dem König reiten."
Wenn man von dem Gedanken ausgeht, daß C.R.C. und der Alte ein und dieselbe Person sind, nämlich der alte erfahrungsreiche Kandidat und die in ihm junge (obwohl auch alte) wiedergeborene Seele, dann ist zu verstehen, daß diese beiden den bevorzugten Platz neben dem König einnehmen dürfen.
Unter der Führung des Königs wird C.R.C. bis an das Mysterium geleitet, das er lösen soll. Die positive Sonnenschwingung, durch die die geistige Energie vibriert, führt den Kandidaten in die bevorstehenden Phasen.
Das so aufs neue erwachte Denken, nun durch die höhere Lebensschwingung der erwachten Seelenkraft erleuchtet, begibt sich spontan außerhalb der Grenzen der Naturgebundenheit. Dort findet es die Kenntnis, die allen Verstand übersteigt. Das Tragen weißer Fahnen mit roten Kreuzen weist auf die Kreuzigung des Blutwesens und das Aufgehen in ein reines, alle Farben umfassendes Lebensfeld hin, in dem das Nicht-Sein des göttlichen Weiß herrscht.
Es wird auch über den "jungen König" gesprochen, was auf einen neuen Aspekt des Sonnenwesens hindeutet. Dieses Sonnenwesen, dieser König, sagt zu C.R.C., daß er ihn als seinen Vater betrachtet. In der Tat: Der Kandidat, der über die Seelenschwingung verfügt, wird der Vater des Alls, der Vater und Beherrscher der Lebensschwingung dieser Natur.
Als C.R.C. dann gefragt wird, ob er das Zeichen unter dem Tor lösen kann, und darauf antwortet: "Ja, mit Wasser und Salz", ist es klar, daß dieser Kandidat der Auserkorene sein wird, der den Torhüter ersetzen kann. Um das Geheimnis dieser Antwort zu entschleiern, muß man den alchimischen Schlüssel von Wasser und Salz zu handhaben wissen.
Wasser ist das empfangende Seelenprinzip, das den Geist oder das ätherische Feuer absorbiert. Vom Wasser geht ein Verlangen aus. Dieses Verlangen - auch wohl Liebe genannt - ist eine chemische Bewegung, die im Wasser entsteht, weil es durch die Isolierung der Natur des Todes seiner Gegenkraft beraubt wurde.
Um eine harmonische Einheit zu erhalten, müssen zwei entgegengesetzte Elemente oder Kräfte im Gleichgewicht in Bewegung kommen, aufeinander abgestimmt werden. Ein Element ist immer unvollkommen, wenn es sich allein bewegen muß, weil seine Bewegung dann einen Ruf formt, auf den es noch keine Antwort gibt. Sind die zwei wieder eins geworden, dann sind Ruf und Antwort, Frage und Antwort, ein Ganzes geworden.
Hierin liegt die Lösung für jedes Geheimnis. Die fortwährende Bewegung in dieser Natur des Todes, eine Bewegung, die nicht zu einem "guten Ende" führt, findet ihren Ursprung im Fragen und Suchen nach einer Antwort und in der Reaktion auf die Antwort, die die Frage nicht befriedigen kann.
Wenn C.R.C. von "Wasser" spricht, dann meint er das saubere, klare Verlangen, das aus der Wassersubstanz der Seele aufsteigt.
Reines Wasser ist aufnahmebereit wie die Seele. Wird ihm, alchimisch gesehen, das Mineral Salz hinzugefügt, dann entsteht feste Urmaterie, in der alle Gaben verborgen liegen, nämlich das wässerige und also beseelte Chaos, das auf den Geist wartet, der über dieser Vereinigung von Materie und Seele schwebt, um die Neuschöpfung zu vollziehen.
Salz wird in der Alchimie das reinste Material genannt, weil es die Urmaterie ist, aus der alles erschaffen wurde. Im Mineral Salz liegt die Seele des Merkur und der Same des Schwefels. In diesem Salz findet man also die Möglichkeit zur Umkehr (Merkur) und das Feuer (Schwefel), die Lebensschwingung, die die Umkehr bekräftigen kann. Fügt man Wasser hinzu, dann wird daraus die Umkehr, die Übergabe an die Seele.
Der wahre Kandidat, so sagt der Alchimist, besteht aus Salz, das heißt aus natürlicher Materie, dem reinen Chaos der Schöpfung, in dem die Seele den Geist zu sich ruft. Die Lösung des Zeichens unter dem Tor besteht also in der Verbindung von Wasser, der Seele, mit Salz, dem zur Einsicht gelangten naturgeborenen Menschen. Das Salz löst sich im Seelenwasser auf; so werden die ersten zwei zu eins, wonach die zwei zu drei werden: der Geist verbindet sich mit ihnen.
Die alten Alchimisten kannten den Unterschied zwischen dem himmlischen und dem irdischen Salz, aber sie sprachen nur von einem Schwingungsunterschied. Das himmlische Salz, so sagten sie, ist unsichtbar; es befindet sich als Schwingung im Kosmos und wird von Astra, dem Himmel, bewegt. Es ist das kosmische Salz, die Urmaterie, die noch nicht zu sichtbarer Form wurde, aus der aber der Schöpfer das Chaos und die Notordnung und schließlich die Wiedergeburt der Seele hervorbringen kann.
Das Salz dieser Erde hat durch Degeneration nur noch eine sehr verlangsamte Schwingung, aber das Salz, von dem die Heilige Schrift (Matth. 5,13) spricht, ist das himmlische Salz, die Urschwingung, die durch die Einwirkung von Wasser und Feuer zu einer festen Form geführt werden kann, die in sich die kosmische Resonanz bewahrt und in der die Seele, das Wasser, wahrhaftig zur Vereinigung mit dem Geist kommen kann. Ohne das geistige Salz kann die Wiedergeburt nicht zustande kommen.
Diese alchimische Betrachtungsweise des himmlischen Salzes erinnert uns an die Aussage der Katharer, daß der Morgentau das klarste Wasser der Schöpfung sei, in dem die reinsten Möglichkeiten bewahrt würden. Der Alchimist nennt den Morgentau die reinste Verbindung zwischen dem kosmischen Salz und der kosmischen Seele.
Dieser Tau bringt der vergifteten Natur Reinigung; Tautropfen sind Tränen der Seele, durch die ätherische Schwingung zur Erde gezogen wird. Der Tau wird in vielen gnostischen und alchimischen Schriften besungen; sein Geheimnis wird nur verschleiert angedeutet. C.R.C. aber spricht an diesem siebenten Tag offen über den Ursprung aller Form: Wasser und Salz.
Als sich die Gruppe dem Tor nähert, vernimmt C.R.C., daß der Hüter deswegen seine Aufgabe auferlegt bekam, weil er Venus auf ihrem Ruhebett angeschaut hatte; er könne nur von seiner Aufgabe befreit werden, wenn jemand dieselbe "Sünde" begehen würde wie er. Als dieser Torhüter C.R.C. näherkommen sieht, stellt er ihm die Frage, ob er der durch ihn bewiesenen Treue gedenken werde.
Der Torhüter erkennt C.R.C. unmittelbar. Er sieht in ihm den Nachfolger, denjenigen, der seine Aufgabe freiwillig übernehmen wird. Es liegt auf dem Erfahrungsweg von C.R.C. und eines jeden Kandidaten, daß er Venus, die Herrscherin des Herzens, im Venus-Waage-Äon zur Ordnung ruft. Im Waage-Äon oder der Waage-Phase vereinigt sich Venus bereits abstrakt mit Saturn, dem Torhüter.
Der Kandidat, der im Waage-Äon die Wahl des Herzens getroffen hat - denn der Seelenweg kann nur mit einem festentschlossenen Herzen begonnen werden -, bringt Venus, sein Herz, unter die näherkommende Einstrahlung der Saturnkraft, der hohen Saturnkraft: Uranus, wie sie im Wassermann-Äon einstrahlen kann.
Wenn sich der Kandidat im siebenten Äon befindet, den siebenten Tag durchlebt, in der Wirklichkeit der siebenten Stunde steht und Ausschau hält nach der Offenbarung der achten Stunde, dann verbindet er sich bereits mit dem Torhüter und muß damit rechnen, daß er gleich diesem Torhüter erst befreit werden kann, wenn er anderen die Treue beweist und ihnen den Durchgang oder das Geheimnis der Schwelle erklärt.
In dieser Umschreibung der Aufgabe und der Art der Erlösung des Torhüters ist ebenfalls enthalten, daß die Seele nur erlöst werden kann, wenn sie andere befreit. Dieser Torhüter ist weit entfernt von Ichzentralität. Er wartet, bis ein Gleicher kommt, der der Aufgabe als Torhüter würdig ist. Dann erst wird er selbst frei. Er wartet also auf den anderen. Er ist verbunden mit dem anderen.
Es ist keine Rede von egozentrischer Seelenerlösung, kein Streben der Seele nach eigenen Interessen.
Am siebenten Tag, während der Kandidat der Offenbarung der achten Stunde entgegenlebt, wird er bzw. C.R.C. an den Felsen, die Schwelle oder seine Mitseelen, gebunden. Der einzige, der C.R.C. bei seinem Eintritt sofort erkennt, ist Saturn, der Torhüter, der Weise, der an der Schwelle steht, weil er sein Herz (Venus) in Seelenbereitschaft mit einer gigantischen Aufgabe verbunden hat. Der Torhüter wird umschrieben als ein "berühmter, trefflicher Astrologe", der bereits beim alten König in Dienst gestanden hat, der aber wegen der Betrachtung der Venus zum Torhüter ernannt wurde.
Nichts kennzeichnet das Wesen des Saturn besser als die Bezeichnung "berühmter, trefflicher Astrologe". Wer den zodiakalen, saturnalen Ring verstärkt und dadurch die Versteinerung und die Verhärtung begünstigt, ist der Astrologe, der horizontale Sterndeuter, der sich durch sein arrogantes Wissen in die Ummauerung von Saturn stellt.
Dieser "Astrologe" ist sehr alt: Das Wissen und der Mißbrauch der Astrologie sind so alt wie die Welt, so alt wie die alte Sonnenkraft, der Vorgänger des jungen Königs. Als dieser Saturn jedoch nach so viel Erfahrung, Kenntnis und Lebenszeiten am siebenten Tag seiner Entwicklung schließlich Venus anzog, veränderte er sich, wurde er der weise Hüter der Schwelle, der Torwächter, der nach denen ausschaut, die die Pforte zu bewachen oder für andere zu öffnen vermögen.
Gibt er diese Aufgabe weiter, überträgt er die Weisheit des Torhütens einem Gleichen, dann ist er frei, vollkommen aus seinem Bann erlöst. Der Ring des Saturn bricht auf, und er kann über den Abgrund zwischen dem alten und dem neuen Land in den Garten des jungen, tatkräftigen Königs springen.
Man kann dieses Geschehen auch im eigenen Selbst, im eigenen Wesen, wiederfinden. Wenn der Zerberus, der im Kandidaten das Tor zum Himmel bewacht, sich mit der Seele vereinigt, wenn er den Kandidaten als Eingeweihten erkennt, dann bricht das Gefängnis auseinander.
Man kann es auch so sehen: Am Anfang der Reise-durch-die-Tage ist Saturn der starre Torhüter, derjenige, der Venus, das Herz, entehrt, vergewaltigt. Am siebenten Tag jedoch verbindet der Kandidat die höhere, innere Saturnkraft mit Venus, wodurch die Aufgabe des Torhüters eine Aufgabe in Freiheit wird.
Von welcher Seite man sich auch nähert, ob über die Astrosophie und die Pistis Sophia oder über die Alchimie: Eine Übernahme der Aufgabe des Torhüters liegt im Notordnungsgesetz beschlossen und kann am ersten Tag eine saturnale, autoritäre Karikatur werden, aber am siebenten Tag wird daraus die Wiedererschaffung, die Umwandlung von Saturn in die reine Materia, die Muttersubstanz der himmlischen Sphäre.
Aber nur C.R.C., der die Lösung des Zeichens unter der Pforte kannte, sie ht die Größe dieser Aufgabe als Torhüter. Alle übrigen, die noch nicht wirklich im siebenten Tag oder in der Harmonie des siebenten Äons, der Phase nach der Wahl, stehen, erkennen Saturn in seiner Erhabenheit nicht. Sie sehen in ihm nur den gedemütigten Astrologen, den armseligen, gescheiterten Diener des Königs.
Der Saturn (das Blei, die Materie), der weder das Mineral Salz noch das Seelenwasser besitzt, ist arm, solange er sich am Herzen vergreift und seinen Fehltritt nicht einsieht. Aus der Verbindung des Herzens mit der versteinerten, arroganten, seelenlosen Materie werden die Katastrophen des wiederholten Sündenfalls geboren.
Jeder Kandidat, der das innere Geheimnis von Wasser und Salz nicht kennt, es auf seiner Reise durch die ersten sechs Tage oder die ersten sechs Äonen nicht entdeckt hat, ist wie derjenige, der zum Tisch des Königs geladen wird, aber nicht weiß, was seiner wartet, der kein Hochzeitsgewand angelegt hat (Matth. 22,11).
Ein solcher Kandidat glaubt, ein Auserkorener zu sein, und erwartet Glanz und Prunk, begreift aber nicht, daß er die Aufgabe des Torhüters annehmen muß, die ihm wie eine Apotheose übertragen wird. Die vermeintlichen Auserkorenen sehen nicht ein, daß sie die Pforte für andere öffnen müssen, sondern sie erwarten nur eigenen Ruhm und persönliche Belohnung.
Im Lande von Gnosis und Alchimie ist keine Belohnung zu erwarten; nur das Opfer wartet auf den Auserkorenen, ferner Schmähung und Hohn durch seine Mitgesellen.
Wenn der ernsthafte Kandidat dies vollauf begreift und also jegliche Hoffnung auf Anerkennung, eigenen Vorteil, eigene Erlösung aufgegeben hat, dann kommt er der Lösung des tiefsten Geheimnisses näher; dann hilft ihm der Torhüter bereits am ersten Tag!
Dies ist der beste Beweis dafür, daß der Pfad-der-Seele, der Weg durch die Äonen, nur auf der Basis vollkommener Uneigennützigkeit sowohl in der Materie als auch in der Seelensphäre begonnen werden kann!