C.R.C. ist der Mensch, der zu der Entdeckung kommt, daß alles
Wissen nicht zur Erlösung führt:
"Die Summe allen Wissens ist, daß ich nichts weiß", sind die Worte des Alchimisten.
Alle, die sich in seiner Gesellschaft am Hofe des jungen Königs befinden, sind Diener und Anhänger der Jungfrau Alchimia. Sie sind Alchimisten, die emsig nach der hermetischen Weisheit des "Wie oben - so unten" gesucht haben. Über die ganze Schrift verteilt, stoßen wir auf symbolische Zahlen, die sich auf alchimische Formeln, Bezeichnungen und tiefgründiges Wissen beziehen.
Alchimia, unter deren Herrschaft diese Kandidaten leben, preist deren Festentschlossenheit, Mut und Kenntnisse und bittet den König, ihnen eine Belohnung zuteil werden zu lassen. Und in der Tat ist der eifrige Alchimist ein beharrlicher Mensch, ein Sucher und ein verständiger Mann. Darum sagt der König:
"Es ist recht und billig, daß ihr geehrt werdet, und darum dürft ihr alle einen Wunsch aussprechen. Dieser Wunsch soll gewährt werden; denn es ist nicht daran zu zweifeln, daß ein verständiger Mensch auch einen verständigen Wunsch aussprechen wird."
Doch wo Verständige Eifer und Geschicklichkeit an den Tag legen, kann die Weisheit noch weit entfernt sein. Wenn der horizontal suchende Alchimist die Lösung des Geheimnisses der Harmonie mit dem Verstand ergründen will, dann gerät er in den Abgrund äußerlichen Hochmuts. Seinen Eifer möchte er belohnt sehen, sein Wissen soll gerühmt werden!
Die ganze Gesellschaft verhält sich vollkommen anders als C.R.C., der sich nicht wohl in seiner Haut fühlt, weil er weiß, daß er dieselbe "Sünde" wie der Torhüter begangen hat! Der wahre Kandidat weiß, wann er die Grenze überschritten hat und eine Trennung zwischen ihm und all den Strebern auf scheinbar demselben Pfad zustande kommt. Diese Trennungslinie wird zwischen Verstand und Weisheit gezogen.
Der Torhüter, der sich hochmütig und in astrologisch, das heißt saturnal gebundenem Wahn an seine Arbeit klammert, wendet alle Ränke und Listen des arroganten Verstandes an, um zu größerem Ansehen zu gelangen! Die Weisheit, die C.R.C. als Gabe der Seele erfüllt, schreibt er nieder in den Worten:
"Die Summe allen Wissens ist, nichts zu wissen."
In diesem Augenblick wird dem Kandidaten bewußt, daß seine alchimische Forschung zu einem neuen Anfang geführt hat, einem Übergang vom Alles-Wissen zum Nichts-Wissen. In diesen Worten liegt für den Kandidaten auch die Überwindung. Er geht vom Gipfel des Wissens über zur Tiefe des Nicht-Wissens.
Auf dem Gipfel der logischen Vernunft angekommen, gewinnt der Mensch Ausblick auf die Umgebung und kann dann zwei Dinge tun: den Sprung über den Abgrund wagen, der ihn vom Seelenland trennt, oder sich arrogant und dünkelhaft auf dem Gipfel seines Wissensberges aufhalten, bis Neuankommende ihn davon verdrängen und hinunter ins Tal des Vergessens jagen.
Der Gipfel des Berges, auf dem jegliche Form stirbt, ist gleich dem schönen Saal, in dem sich die Alchimisten und C.R.C. befinden. Sie sind an den Hof des "jungen Königs" gekommen, und nun fällt die Entscheidung. Es werden Feste gefeiert, man berauscht sich am Genuß des Ruhmes; der Torhüter aber lädt sich selbst ein, um denjenigen aus der Gesellschaft auszuwählen, der des Platzes an der Pforte würdig ist.
In den Augen all dieser "Verständigen" ist derjenige, der Venus anschaut, eine Verbindung mit Venus eingeht, ein "Sünder", einer, der sich "abgesondert" hat, der "außerhalb des Lichtes" steht.
Wer auf neue Weise das Herz mit dem würdigen Saturn verbindet, ist wirklich derjenige, der sich vom "Löwenlicht, dem zodiakalen astralen Licht" abgesondert hat. Er ist der "Sünder" am Hofe des alten Königs. Ebenso wie C.R.C. fühlt sich dieser Kandidat in der Gesellschaft der Selbstgenügsamen nicht mehr zu Hause, sondern kommt sich "schuldig", als ein Versager vor.
Der weise Saturn, der Torhüter, der im Begriff steht, in die vollkommene Freiheit einzugehen, bleibt in dieser Gesellschaft unbeachtet: Ein "weiser" Saturn, der sein Blei in Gold verwandelt, ist gleich dem Christus.
Alle, die auf dem Gipfel ihres Wissens stehen, vernehmen die Wahrheit nicht gern. Sie möchten lieber ihre Forschungen fortsetzen und verbergen sich hinter ihrem Eifer und ihren horizontalen Formeln. Auch Alchimia, die Jungfrau, ersucht den König, ihr Amt weiterhin genießen zu dürfen! Die Alchimie als Lehrsystem und interessante Beschäftigung muß bestehen bleiben:
1. um den Feigen eine Maske zu verschaffen,
2. um den ernsthaften Suchern eine Erlösungsmöglichkeit zu schenken.
Das Ringen von C.R.C. so knapp vor dem Ende und in Erwartung des scheinbar erniedrigenden Auftrages als Torhüter gleicht dem Ringen von Jesus Christus in Gethsemani. Es ist der Augenblick vor der völligen Umwandlung.
Der Kandidat C.R.C. wünscht, er hätte niemals den Bericht des Torhüters gelesen. Dann aber fragt er den König, ob es keine andere Möglichkeit als einen Stellvertreter zu dessen Befreiung gäbe. "Nein", antwortet dieser, "denn diese Dinge haben ihre besondere Bewandtnis."
Noch im letzten Augenblick hofft der Kandidat, die Umwandlung umgehen zu können; denn wer die Lehre kennt, den Pfad ergründet hat, weiß, was er besitzt. Sein Wissen ist ein sicherer Hafen, in dem er sich amüsieren kann, ohne die Praxis am eigenen Leibe erfahren zu müssen.
Man kann jahrelang dem Gipfel von Einsicht und Kenntnis entgegenleben; man kann sich dem Quell der Wahrheit immer mehr nähern, bis man erfährt, daß die Grenze erreicht ist. Man kann nicht mehr lernen, mehr Wissen sammeln; an diesem Punkt führt alles spirituelle Wissen den Kandidaten schließlich zu dieser einen Lösung: der Aufgabe als Torhüter. Die Übernahme der Arbeit des Torwächters gleicht dem "Öffnen der Pforten des Himmels" .
Wer zur Wahrheit der alchimischen Weisheit gekommen ist, muß daher auch die Konsequenzen seiner Forschungsergebnisse annehmen, die Lehre in die Praxis umsetzen, wenn er herausfinden will, ob er recht hat. Genauso steht es mit C.R.C.
Seine Erfahrungen in den sechs Tagen führten ihn an die Grenze des Wissens.
Sogar die Zahlensymbolik deutet darauf hin. C.R.C. geht von der Erde hinauf zu den Himmeln. Darum begegnet man so häufig den Zahlen Acht und Zehn. Acht ist die Zahl des Durchschreitens der Pforte, Zehn ist die Zahl der Vereinigung von Erde und Himmel, von Zeitlichkeit und Ewigkeit.
Der Name der Jungfrau Alchimia steht verhüllt für die Zahl 55. Diese Zahl ist rein alchimisch und hat mit Kabbalistik nichts zu tun. Es ist die Zahl, in der zweimal die 5 und damit auch die Zahl 10 vorkommt. Zweimal die 5 bedeutet: die 5 Planeten des Himmels und die 5 Elemente der Erde. Fügt man diese beiden zusammen, dann entsteht die Vereinigung von Himmel und Erde, angedeutet durch die Zahl 10.
Auf eine ähnliche Verschlüsselung stößt man häufig in alchimischen Schriften. Alle Alchimisten zitieren ehrerbietig die Hermetische Weisheit und halten sich an ihr Gesetz der Gleichheit des Oben und Unten. Denn - und das kann man leicht beweisen -: Nur das Hermetische Gesetz enthält die Harmonie. Natur und Gottesoffenbarung können nicht getrennt werden!
Man kann nicht sagen: "Ich bin Gottes Offenbarung", ohne daß man durch dieselben Worte die Einheit mit der Natur bekräftigt.
Wenn in der Heiligen Schrift steht, daß wir das "Ebenbild Gottes" sind, dann sind diese Worte nur auf hermetische Weise zu erklären. Das Ebenbild Gottes zu sein, ist eine uralte, alchimische, gnostische Überzeugung.
Der Mensch als reine Schöpfung des Universums bewahrt in sich ein schwaches Bild des Göttlichen, da Gott seinen Stempel auf die Urschöpfung gedrückt hat. Das Ebenbild Gottes im Menschen verwischt sich allmählich. Er kann nicht mehr aus dem reinen Bildnis schöpfen; darum muß er die Einheit zwischen "Oben" und "Unten" wiederherstellen, äußerlich und innerlich.
Die zwei Naturordnungen können niemals voneinander getrennt werden, weil dieses Weltall durch die Beseelung aus dem göttlichen Quell lebt. Diese Beseelung kann geschwächt, die Schwingungen können verlangsamt werden; dennoch bleibt der eine Quell allen Seins der Motor im göttlichen All.
Die Basis muß immer die Vereinigung von Wasser und Salz sein:
das kostbare himmlische Salz, die Basis des edlen Merkur und des hohen Schwefels, die aus dem Kosmos zum Menschen kommen, die er einatmet und die ihn reinigen, ihn erschaffen und zu jener konkreten Substanz formen, die die Alchimisten die "prima materia", die erste Materia, das Chaos, genannt haben.
Die innere Alchimie kann nicht gelingen, wenn der Kandidat die Anwesenheit dieses himmlischen Salzes in sich negiert, wenn also die feste chaotische Substanz, das organische Wesen, voll von Giften ist und das Salz sich nicht bilden kann, weil allerlei chemische Kräfte, die sich in entgegenwirkenden Taten, Gefühlen und Gedanken ausdrücken, die Bildung des Salzes verhindern.
Es gibt zwei Aspekte der Praxis für den Kandidaten: die Reinigung des Salzes, des naturgeborenen Menschen, und das Reinhalten des Wassers, der Seele. Das Ziel der Alchimie aber ist immer eine Dreieinheit, gebildet aus Körper, Seele und Geist.
Man kann nicht seinen Körper vergiften und gleichzeitig das Wasser reinhalten. Die Zusammensetzung von Wasser und Salz muß gewissen Voraussetzungen entsprechen. Wie Sie wahrscheinlich wissen, hat Regenwasser während eines Gewitters eine heilende Wirkung. Diese Wirkung verdankt es dem himmlischen Salz, das die Chemie nicht herstellen kann.
Der Tau, der die Spannkraft der Natur wiederherstellt, bringt der vergewaltigten Natur die heilende Kraft von Wasser und Salz. Jeder alchimische und gnostische Kandidat muß die Geheimnisse der Natur erforschen und untersuchen. Religion drückt sich in der Kenntnis der verborgenen Gesetze aus. Sobald ein Kandidat auf dem Wege ist, das Geheimnis der Erlösung der Seele zu entdecken, erwacht sein Interesse für die geheimen Kräfte in der Natur, die von den verborgenen Kräften Gottes zeugen.
Aber wie sehr man auch sucht, wieviel man auch liest und wieviel Einsicht man auch gewinnt, schließlich kommt man doch bei diesem mächtigen, unsichtbaren Quell allen Seins und Nicht-Seins an: Gott, dem strahlenden Uratom des ewigen Lebens.
Darum ist der Gott lobende Alchimist zugleich der Entdecker der Wahrheit!
Gott, den harmonischen, unergründlichen Motor allen sichtbaren und unsichtbaren Seins, kann man nicht außerhalb seiner eigenen Schöpfung stellen. Nur die Arroganz des Verstandes kann auf diese maßlose Dummheit kommen! Das Erforschen und Wiederentdecken der Wahrheit kann nur praktiziert werden, wenn Gott im Menschen lebendig ist! Damit ist auch gesagt, daß diejenigen, die bei ihrer Forschungsarbeit die Intuition einschalten, den Quell erreichen werden.
Nur auf diese Weise kann man sich dem Geheimnis der Chymischen Hochzeit von C.R.C. nähern. Eine verstandesmäßige Annäherung, ausgerüstet mit alchimischen Formeln, ergibt vielleicht eine gewisse Vorstellung von ihrer Absicht, aber sie bleibt bei der bestürzenden Lösung im letzten Kapitel stecken. Denn der verstandesmäßige Forscher, auch wenn er sich Alchimist, das heißt Erforscher der chemischen E!emente, nennt, bleibt der Astrologe, der Gefangene der giftigen Elemente und ihrer Planeten. Der kenntnisreiche Astrologe wirft sein Wissen nicht über Bord, sondern wähnt sich allwissend innerhalb des begrenzenden Ringes von Saturn.
Nur der intuitive Alchimist, Astrologe oder Astrosoph ist bereit, aus sich selbst und seinem Wissen auszubrechen und der Geringste zu werden. Dann kommt der Augenblick, in dem er in Demut niederkniet, in dem sich die Wahrheit der Worte von C.R.C. an ihm beweist: "Die Summe allen Wissens ist, daß ich nichts weiß."
Um dies erkennen zu können, muß man zuallererst die Verführung des "Wissens" kennen, so wie die gefallene Seele die Erfahrung der Löwenkraft besitzen muß, um niemals mehr zu fallen! Darum soll man einen Kandidaten niemals von irgendeiner Forschung zurückhalten; denn solange der Drang zum Wissen noch in ihm lebt, muß er weiterforschen, bis er intuitiv erfährt: "Was ich erkenne, geht über jedes horizontale Wissen hinaus."
Wenn er dies einsieht, dann zwingt er sich selbst in die folgende Phase hinein: die der Verwirklichung. Inmitten dieser Erfahrungen wird er an sich selbst beweisen, ob das, was er erkennt, wirklich jedes horizontale Wissen übersteigt und ihn über die Grenzen zwischen Verstand und Weisheit hinwegführen kann. Das ist der achtfache Pfad, der von allen Verständigen der "Pfad des Todes" genannt wird.
In der Tat ist dies der Pfad des Todes für den Verstand, aber der Auferstehung für die intuitive Weisheit! Es geht nur darum, Kandidat, ob Sie wirklich das Reich der horizontalen Kenntnis leid sind, ob Sie hier Schmerz erfahren und ob Sie durch die intuitive göttliche Erkenntnis erleuchtet werden.
Dann ist der folgende Schritt nicht schwer, sondern nur eine notwendige Übergabe an die Bejahung des Nicht-Seins. In diesem Nicht-Sein des alten Menschen nach dem alten Gesetz finden Sie das große Sein nach dem absoluten Gesetz der Harmonie.
Wenn wir imstande wären, Ihnen diese einfache Wahrheit einzuätzen, in Ihr Blut, in Ihr Herz, dann würden wir es nicht unterlassen! Nun aber können wir nur hoffen, daß Sie begreifen werden.