Der Stier und der Hyazinth

Der Frühling ist vorbei. Bruder Widder hat bereits wieder andere Interessen, aber das zarte Pflänzchen steht nun mit seinem Köpfchen über dem Boden und blickt erstaunt umher in eine völlig fremde Welt. Allein gelassen vom Helden Widder sucht es nun Hilfe, um den kommenden Erfahrungen der Jahreszeiten zu trotzen. 

Da kommt, schwerfälligen Tritts, gutmütig schnaubend, Bürger Stier daher. Er hat Mitleid mit dem zarten, grünen Wesen und ist bereit, es mit seinem Körper zu beschützen. 

Der Stier ist ein gutmütiger Tropf. Ausdauernd arbeitet er an einem Ideal, aber ehe er in Gang kommt, muß er noch einmal eine Nacht darüber schlafen. Überreden kann man ihn nicht leicht, alles geht träger als bei dem Helden Widder, doch dafür ist alles dauerhafter. Er muß genügend Widerstand und Lebenskraft besitzen, um die kommenden Heimsuchungen der Elemente zu durchstehen; das Pflänzlein muß Wurzeln schlagen, sich mit der Erde verbinden. Daher sucht der Stiermensch in seinem Leben einen festen Grund; obwohl er bereit ist, seinen Besitz mit anderen zu teilen, so ist er dennoch nicht geneigt, alles wegzugeben, denn keinen Besitz zu haben, bedeutet Unsicherheit. So betrachtet er auch die geistigen Dinge. 

Alles muß einen Grund, einen Beweis, eine Basis haben, worauf er mit seinem mächtigen Körper sicher stehen, sitzen oder liegen kann. Denn der Stier wiederkäut. Er überlegt, sieht seelenruhig zu, wie der Widder seiner Herde vorangeht und bleibt lieber im Schatten der Bäume, anstatt sich einzuspannen für etwas, wovon er noch nicht bestimmt weiß, was dabei herauskommen wird. Aber Stiere werden vom Bauer an der Kette gehalten. 

Wenn jedoch ihr Interesse und ihre Beseelung geweckt sind, gibt es kein Halten mehr, dann stürmen sie los und lassen nicht eher locker, als bis sie ihr Ziel erreicht haben. 

Und o weh, wenn man sie irritiert, vor allem durch nichtige Dinge, die sie von ihrem Ziel abhalten. Dann werden sie zornig, Donner und Blitz brechen los und die zarten Pflänzlein sollten dann lieber nicht in ihrer Nähe sein. Geistig betrachtet, sind es Typen, die alles durchdacht tun, die bestimmt keine Träumer sind. Aber tief in ihnen wohnt eine intuitive Sicherheit, die sie davon überzeugt, daß es irgendeine Kraft geben muß, die alles ordnet und mit der auch sie verbunden sind. 

Stiermenschen sind gutmütig, wenn man sie zu führen weiß. 

Sie tun alles für ihre Mitmenschen, wenn sie sie mögen. Sie sind aufmerksam, meistens freundlich, weichen vor Schwierigkeiten nicht zurück und sind selbstsicher. Aber alles kann natürlich in das Gegenteil umschlagen und dann werden sie starrköpfig, wollen nicht hören, werden hartnäckig im Durchsetzen, selbst wenn das, was sie beabsichtigen, vollkommen falsch ist. 

Daß Stiermenschen nicht spirituell wären, ist Unsinn. 

Der himmlische Stier mit dem diamantenen Auge ist Aldebaran, ein der Erde wohlgesinnter Stern, der allem in der Natur Lebenskraft schenkt und die Menschheit inspiriert, ihr niederes Wesen für ein himmlisches Ideal zu opfern. 

Wenn der Stier einmal erkannt hat, daß materieller Besitz ihn nicht völlig befriedigen kann, setzt er alles daran, einen geistigen Besitz zu ererben. Dann läßt er sich völlig von seiner Intuition leiten, die dann verfeinerter ist als bei irgendeinem anderen Typ. Man nennt ihn erotisch, sensuell. Aber es ist ein Liebespotential, das er auch veredeln kann und dann beschirmt Königin Venus ihn und schlägt ihn zum Edlen Ritter, der seinen kostbarsten Schatz, seine himmlische Flamme, bis zum Äußersten verteidigt. Dann kann man unentwegt auf ihn bauen, denn er geht weiter, bis er selbst dabei niederfällt. 

Aber Spannungen darf es keine geben, keine sinnlosen Reizungen, keine Prickel, die ihn aus dem Gleichgewicht bringen. Wie ein zorniger, donnernder Koloß, ein Tornado, der auf niemand Rücksicht nimmt, birst er dann los. Darum ist sein zodiakaler Stein für ihn so merkwürdig passend, ein Zirkon, der Hyazinth, eine braune bis gelbrote Art, prächtig transparent. In ihm brennt unaufhörlich ein sanftrotes Feuer, das leuchtende Nuancen erhält, wenn die Sonne auf ihn scheint. 

Den farblosen Zirkon hat man sogar lange Zeit als einen Diamant angesehen. Ja, Licht muß der Stier haben, innerliches Licht, sonst bleibt er dumpf, brütend, und man kann ihn sinnlich nennen, nichts anderes in seinem starren Kopf hegend als Dinge, die seine Sinne befriedigen. Aber das Licht verändert den Menschen und den Stein. Ruhig braunrot glänzend wird dann der Hyazinth, eine Seltenheit unter den Steinen. Jeder, der einen schönen Hyazinth betrachtet, fühlt sich ruhig werden, erfüllt von einer ermutigenden Sicherheit. Nichts kann so unangenehm sein, daß es nicht zu überwinden wäre! 

Wahrlich, ein Stein der Ausdauer, des Trostes, der Ermutigung und Geduld. 

Die Härte des Hyazinths ist 7,5, worin die Zahl 12 beschlossen liegt (7 + 5). Die Tarotkarte Nr. 12 zeigt den Gehängten. 

Ist das nicht merkwürdig? 

In den alten Legenden - und vor allem in den Vorstellungen der Mithras - sehen wir, wie sich der Stier dem Sohn der Sonne opfern muß. Der Stiermensch muß einsehen, daß er sein niederes Wesen, das brütende, sensuelle Tier, für die himmlische, intuitive Flamme opfern muß, die ihn in den himmlischen Stier mit dem diamantenen Auge, dem alles durchschauenden Blick, verändert. 

Die kristalline Seele des Hyazinths ist tetragonal, vierseitig prismatisch. Dies ist ein Merkmal, das auch den Stier kennzeichnet: Viereck, Basis, Sicherheit. 

Es gibt Widerstände, um mehr Sicherheit zu erobern. Eine Harmonie, die Stabilität verschafft. 

Unaufhörlich wird danach getrachtet, dieses Viereck, diese vier Seiten des Lebens: Luft, Wasser, Feuer und Erde ins Gleichgewicht zu bringen. Dem Stier gelingt das durch Ausdauer, jedoch Harmonie erhält er vor allem, wenn er sich zugesteht, den "Zweifel" zu hegen, das fünfte Element, den Äther, der seine vier Untergebenen zur höchsten Ordnung rufen kann. 

Der Hyazinth hat viele Qualitäten, die der Stiertyp schätzen wird, aber die ihm auch zur Lehre dienen können. Autoritäre Personen werden sehr vom Hyazinth angezogen, weil er Selbstsicherheit ausstrahlt. Deshalb, so liest man in den alten Berichten, wollte Serapio, der Gott der Sonne, einen Hyazinth besitzen, damit er ihn gegen Donner und Blitz beschirme. Donner und Blitz mußt du vermeiden, zorniger Stier! 

Der Hyazinth zieht den Blitz an und neutralisiert ihn. 

Ein prachtvolles Beispiel für Stiere, die rasend werden, wenn sie in ihren Bestrebungen gestört werden, oder wenn ein Konkurrent auf der Lauer liegt, um ihnen den Sieg vor der Nase wegzuschnappen. Auch soll er gegen die Pest helfen, ja, sogar diejenigen, die in einem Land wohnen, wo Epidemien herrschen, vor diesen Krankheiten bewahren. 

Die seltensten Zirkone sind die glänzenden braunroten Hyazinthe, die meistens kaum größer als ein Zehncentstück sind, die aber durch ihre gesättigte braunrote Farbe Energie schenken und zugleich beruhigen. Denken Sie nicht, daß der Hyazinth den Schlaf fördert, im Gegenteil, er hält die Intelligenz wach. Auch hiervon kann der Stiermensch etwas lernen. 

Manchmal neigt er nämlich zur Bequemlichkeit: Der schattige Ort unter dem Baum ist vorzuziehen dem sonnüberfluteten Abhang, auf dem der Widder mit seiner Herde grast. Schläfrig blinzelnd steht er wiederkäuend an seiner Kette und träumt "wie es sein könnte, wenn". 

Laß dich durch deine Gutmütigkeit nicht an materielle Dinge nageln, Stier, nimm dir nicht den innerlichen Ansporn, deine Intuition, die weiß, wo du das edelste Ziel suchen mußt. 

Denke an dein diamantenes Auge, Aldebaran. 

Der schöne Hyazinth schenkt seinem Träger Sicherheit, Freundlichkeit und Anmut, fördert die Intelligenz oder das Durchdenken und hilft, Reichtum zu erwerben. Nun, alles Dinge, die der Stier hoch schätzen wird und an denen es ihm manchmal mangelt. 

Der Hyazinth verfeinert den Stiertyp, stärkt sein Herz (Spannung des Herzens ist ein Übel des Stiers) und schenkt ihm eine sonnige Laune. Obwohl der Hyazinth von braunroter Farbe ist, hat er ein kaltes Temperament. Also lernt der Stier von ihm, kühl zu werden, seine Ausbrüche zu beherrschen. Wenn der Stiertyp eine wichtige Position in der Gesellschaft einnimmt (etwas, was er gerne möchte), ist es gut, stets einen Hyazinth zu tragen, denn dieser macht ihn beliebt, schenkt ihm eine selbstsichere, freundliche Autorität und beschirmt ihn überdies gegen giftige Gedanken (Reizungen, die den Blitz erwecken). 

Die bräunliche Farbe, die das Rot des Hyazinths begleitet, macht friedlich und stimuliert zur Toleranz, da Braun drei Farben enthält: rot, gelb und blau. Das Rot der Energie, das Gelb der Intelligenz und das Blau des Friedens und der Selbstbeherrschung. Ein prachtvolles Gleichgewicht kennt somit der Hyazinth, das ihm jedoch nicht seine Energie nimmt. Der emotionelle Stier - und das sind fast alle Stiere - wird feststellen, daß ihm sein Edelstein ein ruhiges Gemüt schenkt, so daß er bei plötzlichen Überrumplungen nicht aus dem Gleis gerät. Der Hyazinth macht vorsichtig und gleicht in seiner schönsten Ausführung dem himmlischen Stier: ein strahlend weißes Exemplar mit einem diamantenen Auge, bereit, sich für ein ideelles Ziel zu opfern, leicht zu führen von einer Jungfrau, die ihre Energie, ihre Kraft und ihre diamantene Intuition zur Verfügung stellt. 

Nimm darum den Hyazinth in deine Hand, Stier, und gehe zu Rate mit deiner Intuition, denn dann wird dir der Himmel Sicherheit verschaffen.

©1970-2013 Henk und Mia Leene