Was ist der goldene Schnitt - was ist die goldene Mitte?

"Wenn das Gefäß nicht rein ist, wird alles sauer, was man hineintut." 


In einer Zeit der Nostalgie paßt das Sprechen über den Goldenen Schnitt. 

Der Goldene Schnitt ist nämlich ein universelles Verhältnis zwischen allem Erschaffenen. 

Es ist das Verhältnis zwischen 3 : 5 : 8. 

Und das bedeutet, daß das Unterste gleich dem Obersten ist  minus dem Mittleren; daß das Höchste gleich dem Untersten ist plus dem Mittleren. 

Daß das Mittlere gleich dem Höchsten minus dem Niedersten ist. 

Diese drei Zahlen haben also immer untereinander Verbindung. 

Die Zahl 5, als die goldene Mitte zwischen der untersten und  der höchsten Zahl, ist sowohl mit dem Untersten als auch mit dem Höchsten verbunden, sie steht nicht für sich allein. 

Nichts in der Natur - ebensowenig wie im Geist - steht für sich allein da, solange Natur und Geist eine Einheit bilden. 

An diesen Verhältniszahlen kann man auch sehen, daß es Unsinn ist, eine der drei Zahlen von den anderen zu trennen.

Hierin liegt ein Grundgesetz: die unverbrüchliche Drei-Einheit,  die, wenn sie zerstört wird, Krankheit, Unglücklichsein oder Unwissenheit hervorbringt.


Wir können uns fragen, warum wir immer wieder betroffen sind von der verträumten Schönheit alter Kunstwerke. 

Warum bleiben wir empfänglich für die vorchristlichen griechischen Kunstformen? 

Zeugend von einer Schönheit, die wir z.B. nicht finden in  manchen Negerkulturen. 

In den alten Kulturen Ägyptens, Griechenlands, Arabiens durften nur jene das hohe Amt des Archê-Tecton bekleiden, die die Geheimnisse von Natur und Kosmos erforscht hatten. 

Archê-Tecton, er, der dem Stoff Form gibt. 

Archê, die Arche, Sinnbild des umgrenzten Lebens; 

Archi-Tectoné: erster Ton, er, der seine Werke erschafft aus Stoff. 

Archâi: erste Ursache. 

Aus der Bedeutung dieses griechischen Wortes können wir ersehen, daß zu jener Zeit der Architekt dasselbe war wie ein Schöpfer, er, der aus dem Urstoff die Form knetet. 

Um also ein wahrer Erzbaumeister zu sein, mußte man das Grundgesetz dieses Urstoffes kennen, um zu entdecken, wodurch er beseelt wurde; nur auf diese Weise konnte man das Bauwerk zum Leben bringen. 

In allen Bauwerken mußte der lebendige Atem des Universellen Architekten enthalten sein, so daß jede Besinnung diesen kosmischen Atem dem Betrachter übertrug. 

Seit ältesten Zeiten hat man sich hieran gehalten und es bestanden schützende Gesetze, die verhinderten, daß dieser oder jener gegen dieses Schönheitsprinzip verstieß. Denn Schönheit, so sagte  man, kommt ausschließlich aus der göttlichen Beseelung, die in der Natur und in einem Kunstwerk anwesend ist. 

Auf diese Weise kam folglich der Künstler niemals von seinem Kunstwerk los, so wie auch der Universelle Schöpfer nicht von seiner Schöpfung zu trennen ist. 

Hier stoßen wir auf ein Urprinzip, das meistens in unseren heutigen Kunstwerken fehlt, wodurch der Betrachter ein Gefühl von Chaos, von Unruhe oder von Leere erfährt. 

Das Bewegtsein durch die Schönheit fehlt. 

Eine Bewegung, die man ebenfalls empfinden kann durch das Betrachten einer harmonischen Landschaft. 

Es geht um ein universell vorhandenes Verhältnis zwischen dem Niedrigsten, dem Mittleren und dem Höchsten. 

Ein Verhältnis, dem wir begegnen in Tieren, Pflanzen, Menschen, mineralischen Strukturen und eben auch in den Kunstwerken der alten Meister. 

Es zeigt sich, daß dieses Verhältnis eine undefinierbare ruhe-schenkende, harmonisierende Ausstrahlung auf den Betrachter  hat und darum bediente man sich ihrer in den Moscheen, in alten Tempeln und den gothischen Kathedralen. 

Bis daß der unheilige Tag kam, da man hierauf keinen Wert mehr legte und folglich abweichende Verhältnisse gebrauchte, die Schönheit erniedrigte zu Banalität. 

Schönheit ist nämlich, den alten Prinzipien zufolge, gleich einem heilsamen Einfluß auf ihre Umgebung. 

Schönheit rührt her von einer inneren Harmonie; in der Natur kann eine winzige Blume, ein einziges Blatt schön sein, selbst wenn man es nicht liebt, kann man seine Schönheit doch nicht leugnen. 

Schönheit braucht nicht interpretiert zu werden, man erfährt sie. 

Der Intellekt erfährt keine Schönheit, aber die Goldene Mitte im Menschen ist dafür empfänglich. 

Die Goldene Mitte, die ihrerseits das Niedrigste und das Höchste trägt. 

Geistig gesehen, trägt die Seele den Körper und den Geist. 

Körperlich gesehen, trägt das Nabelchakra die Brust und das Becken. 

Im Gesicht sehen wir, wie der mittlere Teil ein Verbinder ist zwischen der Stirn, dem Geist, und der Unterpartie: dem Körperlichen oder Materiellen. 

Noch weiter unterteilt, können wir sehen, wie der Mund der Träger ist zwischen Oberlippe und Kinn-/Halspartie. 

Dieses Goldene-Schnitt-Verhältnis kann man immer wieder unterteilen, in den Gliedmaßen, Händen, Fingern, usw. 

Bei einem harmonischen Menschen bleibt das Verhältnis  ungefähr 3 : 5 : 8.  Dies ist jedoch nur die äußerliche Form, die aber, wie die Physiognomie lehrt, sehr wohl ein Abbild des inneren Seins ist. 

In dieser äußerlichen Form mit universellen Maßen befindet sich immer eine tragende Mitte, die 5, die goldene Zahl, eine Ziffer, die in ihrer symbolischen Form sowohl nach oben als auch nach unten offen ist. 

Auch die 3 hat diese zwei Öffnungen, doch sie sind nach einer Seite gerichtet, die 5 wendet sich nach zwei Seiten. 

Es ist die Zahl des Botschafters: Merkurius; es ist auch die Zahl des Hohepriesters im Tarot.  

Es ist in der Alchemie die Zahl der Seele. 

Sie steht in der Mitte des Goldenen Schnittes und muß sowohl  die 3 als auch die 8 erreichen können. 

In der Zahlenlehre ist die 3 die Zahl des Lichts, die 8 ist die Zahl der Wahrheit. 

Der Goldene Schnitt ist also eigentlich ein in der Form offenbartes Bekenntnis einer universellen Drei-Einheit: Natur - Seele - Geist oder Mensch - Seele - Gott. 

Sie müssen einmal bei sich selbst feststellen, in welchen Augenblicken Sie Schönheit erfahren KÖNNEN; ob Sie selbst vielleicht in diesen Augenblicken  ruhiger, harmonischer sind als gewöhnlich, ob in jenem Augenblick das Verhältnis ihrer eigenen Drei-Einheit deutlicher spricht: ob ihre 5 - ihre Seele - sowohl das Oben als auch das Unten trägt.  


Die tragende Mitte in unserem Organismus ist der Nabel - Hara -, das Chakra mit den 10 Blättern (10 = 2 x 5), es ist die Verbindung zwischen Geist und Stoff, wo, wie wir alle wahrscheinlich wissen, sich die Schwierigkeiten anhäufen, wenn uns - geistig - im Stoff etwas widerstrebt. 

Wir haben dann "gesündigt" gegen das Goldene-Schnitt-Verhältnis in unserem Organismus. 

Wir bemerken dann, daß sowohl unser Becken-Organismus, unser Herz, wie auch unser Hirn disharmonisch werden, das entstellte Verhältnis nicht korrigieren können.

Hinter dem Nabel befindet sich auch ein Teil des Sonnen-geflechtes, ein großer, ausschlaggebender Nerven-Knotenpunkt, der sich unmittelbar bemerkbar macht, wenn etwas nicht in Ordnung ist zwischen Oben und Unten. 

Unser Herz, unser Gefühl, spielt hierbei eine abhängige Rolle. 

Unser Herz ist, als Organ, dem Verhältnis unserer organischen Drei-Einheit unterworfen. 

Als geistiges Organ liegt es in der Lebenssphäre der Seele, die sich, der östlichen Philosophie nach, quer darunter befindet, irgendwo in der Nähe der Spitze des Sonnengeflechtes. 

Das Herz ist eines unserer merkwürdigsten Organe, weil es sowohl zu der körperlichen als auch zu der geistigen Sphäre gehört. 

Das Herz folgt intuitiv den Anweisungen der Seele, kann jedoch in Bedrängnis kommen, wenn die organische Drei-Einheit beschädigt ist. 

Wenn unser Sonnengeflecht gegen unseren Magen drückt und  uns auf diese Weise Beschwerden macht (im Französischen mal-au-cœur), haben wir bereits lange die Wünsche unseres Herzens in den Wind geschlagen. Das Herz ist das Barometer unserer geistigen Drei-Einheit: Körper - Seele - Geist oder Gott. 

Darum auch sagten die alten Ägypter: Lies in seinem Herzen und du wirst die Ursache seiner Krankheit kennen. 

Vergessen Sie nicht, daß jene Alten die Gesetze des Goldenen Schnittes gewissenhaft befolgten und, besser als wir, sehr wohl wußten, wie sehr dieser Goldene Schnitt die Basis ist von Gesundheit, Glück und Harmonie. 

Da wir nun, in unserer materialistischen Zeit, so weit davon abgewichen sind, ist es begreiflich, daß wir Methoden versuchen, um dieser inneren Harmonie wieder teilhaftig zu werden. 

Aber der Goldene Schnitt wird nicht gefunden durch Methoden, sondern durch Einsicht.  

Philosophie war in alten Zeiten eine Voraussetzung, um ein Archê-Tecton zu werden; ebenso war sie Voraussetzung, um ein Arzt zu werden. 

Philo-Soph, der Sucher nach der Sofia, der die Weisheit liebte, eine Weisheit, die ihren Niederschlag fand in jenen universellen Verhältnissen des Goldenen Schnittes in der ganzen Schöpfung. 

Nach Kepler ist dieser Goldene Schnitt sogar im Abstand zwischen den einzelnen Planeten zu finden, und gerade dieses Verhältnis bringt die Sphärenmusik hervor, eine wahrnehmbare Schwingung, die einen bestimmten Einfluß auf die Schöpfung ausübt.  


Mögen wir in diesem Zusammenhang auch einmal denken an den Einfluß dieses Goldenen Schnittes auf die Besucher von Kathedralen, Tempeln und Moscheen. 

Wenn das Betrachten eines Kunstwerkes mit dem Goldenen Schnitt ein Gerührtsein durch die Schönheit bewirkt, was mußte dann ein Aufenthalt IN einem solchen Kunstwerk vermögen? 

Die alten Künstler wußten sehr gut, daß alles aus Schwingung besteht und daß eine harmonische Schwingung das menschliche aurische Schwingungsfeld beeinflußt. 

Sie wußten auch, was unsere heutigen Wissenschaftler wieder-entdecken, daß ein höheres Schwingungsfeld IMMER dominiert. 

Hieraus folgt dann, daß menschliche Schwingungsfelder - in einem Kunstwerk mit dem Goldenen Schnitt - durchzogen  werden von Harmonie. 

Und Harmonie bewirkt geistige und körperliche Empfänglichkeit, Entspannung, und diese ist die Basis für geistige Gedanken und folglich macht so etwas einen Menschen gesund, heil, glücklich. 

Das Betrachten alter Kunstwerke müßte uns, wenn wir noch empfäglich sind, eine innere Stille schenken. 

Es müßte die Überlastung unseres Sonnengeflechtes und das Unglücklichsein unseres Herzens fortnehmen. 

Logischerweise ist der Künstler, der die universellen Gesetze kennt, der weiß, warum die drei Welten miteinander verbunden sein müssen, in der Lage, sich selbst auszuschalten, so daß er ein Durchlaßkanal wird für die universelle Harmonie. 

Die Natur ist ein Durchlaßkanal für die Idee Gottes, und diese Idee Gottes muß folglich auch im menschlichen Kunstwerk spürbar sein, wenn es dieselbe Wirkung haben will wie eine natürliche Schönheit. 

Diese Idee Gottes strahlt durch die Form hindurch. 

Doch um sich dieser Idee nähern zu können, muß der Künstler einige Bedingungen erfüllen:

Philo-soph sein, Untersucher, oder ein an den Gesetzen der  Natur Interessierter; sowohl das Obere, das Mittlere als auch das Untere verstehen, sich selbst ausschalten. 

Dieselben Gesetze gelten für den Lebenskünstler, der eine "natürliche" Anziehung besitzt. 

Diese "natürliche" Anziehung beschreiben wir bisweilen auch wohl als Schönheit, eine natürliche Schönheit, die nichts zu tun hat mit menschlichen Begriffen von Schönheit. 

Das ist die innere Harmonie, die alles durchstrahlt. 

Diese innere Harmonie legt der Künstler in sein Kunstwerk und  er läßt sie besonders stark zum Ausdruck kommen durch die Verhältnisse des Goldenen Schnittes. 

Merkwürdigerweise hat man durch Versuche bemerkt, daß Fotorahmen mit dem Verhältnis des Goldenen Schnittes mehr Käufer fanden als jene, die diese Maße nicht besaßen. 

Das menschliche Auge, Mittler der Seele, scheint unwiderstehlich angezogen zu werden durch die Maße des Goldenen Schnittes; danach bestätigt das Herz die Entscheidung: Es ist schön. 

Auch können wir uns hier fragen: Wie bestimme ich, warum ich etwas schön finde. 


Seit ältesten Zeiten war das Pentagramm, der fünfzackige Stern, eine heilige Form, die Form des Mittlers und ging man davon  aus, daß natürliche fünffältige Schöpfungen eine besondere Auswirkung auf den Menschen hatten. 

Denken Sie hier z.B. an ein Ahornblatt, vielfach in den alten Bauwerken benutzt. 

Denken Sie an das Kerbelblatt, an Heilkräuter, die bestimmte Formen, eine bestimmte Anzahl Blättchen haben. 

Aber auch in Tieren ist der Goldene Schnitt zu finden; je schöner dieses Verhältnis, desto edler das Tier. 

Und ihr innerer Adel ist abhängig von ihrem Verhältnis zur Sonne, zum Licht.  Die universelle Drei-Einheit ist das Fundament der ganzen Schöpfung. 

Nicht zufällig taucht eine solche Drei-Einheit in allen Weltreligionen auf; sowohl in den vorchristlichen als auch in den heutigen. 

Die Drei gibt an, ob Licht da sein wird. 

Die Drei ist ausschlaggebend für den Erfolg aller weiteren Entwicklungen. 

Die Drei bringt die Erlösung; in der Zahlensymbolik ist die 3 die Zahl des Lichtes oder der Erlösung, die schweigende Urnatur  (die 2), die sich öffnet für das erste Licht. 

Jedoch noch keinen Rat damit weiß und es folglich wegschenkt  an die 4, die 4 Elemente, den Schoß, der es zu einer Schöpfung formen wird, der der Mittler zwischen Oben und Unten wird (die 5), eine Schöpfung, die Magie enthält, eine lebenschenkende Schwingung. 

Schöne Kunstwerke sind segensreich magisch; disharmonische Kunstwerke verursachen eine innere Zerstörung, ein Gefühl des sich-Unglücklichfühlens beschleicht den Betrachter. 

Dieses Gesetz des Goldenen Schnittes findet man ebenfalls in der Musik, in Gedichten, in Malereien. 

Das Niedere muß IMMER über Farbe, Klang, Form mit dem Höchsten verbunden werden. In der Philosophie spricht man  vom Materiellen, dem Mystischen und dem Geistigen. 

In einem Kunstwerk ist es die materielle Form, die durch ihre Verhältnisse Kontakt bekommt mit dem Mystischen und über dieses Mystische den kosmischen oder geistigen Atem aussendet. 

Dieses trifft den Betrachter oder den Besucher in dem Organ, das empfänglich ist für Mystik: das Herz und das Sonnengeflecht, mit Hilfe desjenigen, das den Kontakt zur Außenwelt herstellt: die Sinnesorgane, das Nervensystem, die Haut. 

Wenn ein Kunstwerk Harmonie ausatmet, kommen diese Organe an erster Stelle damit in Berührung. 

Es geht also darum, die kontaktherstellenden Organe, die Innen und Außen verbinden, zu beobachten, um ihre Sprache kennen-zulernen.  Es gibt immer einen Mittler, um Oben und Unten, Innen und Außen zusammenzufügen. 

Macht dieses Schwierigkeiten, dann liegt meistens die Ursache in Unten ODER Oben, Außen ODER Innen. 

Die Störungen in den vermittelnden Organen gehen meistens daraus hervor. 

Es ist das gleiche mit unserer Seele, jenem vermittelnden  geistigen Organ zwischen Erde und Himmel, Lebenssituation und Geist; ZU viel Materie stört sie, ZU viel intellektuell-philosophischer Geist belastet sie.  Um vermitteln zu können, muß sowohl Unten als auch Oben einfach sein: rein, unmittelbar. 

Alles beginnt mit Einfachheit, der Rest kommt von selbst. 

Wenn dieses wirklich in unser Bewußtsein dringt, werden wir keine Mühe haben mit unserem individuellen Goldenen Sohnitt. 

Der dann immer und überall segensreich ist.

©1970-2013 Henk und Mia Leene