"Stelle meine Flügel wieder her, damit ich Dich wiederfinde, Licht!"
Wenn man eine herrliche duftende Rose in einem sumpfigen Graben untertaucht, wird der Gestank des Morastes den Duft der Rose vertreiben.
So verhält es sich auch mit der Herrlichkeit der Seele.
Die Triebe, die Begierden, die saturnale Besessenheit in Denken und Fühlen des Menschen, vertreiben die Schönheit und den Adel seiner Seele.
So wie die Rose verwelken kann, wenn ihr frische Luft und Licht vorenthalten wird, so kann auch die Seele zusammenschrumpfen, wenn sie das geistige Sonnenlicht entbehren muß.
Es ist dem Menschen ein von Gott gegebener Auftrag, diese innere Seelen-Blume aus dem sumpfigen Graben zu erlösen.
Es ist Wahnsinn, zu behaupten, daß sie dies allein vermöchte!
Die Rose braucht Sonnenlicht, und die Seele hat geistiges Licht nötig.
Der Seele, als innerem Kern des spirituellen Menschen, darf man nicht zu viel Kraft unterstellen, wenn sie unbewußt ist.
So wie eine abgepflückte Rose auf Betreuung angewiesen ist, so ist eine gefallene Seele auf eine hingebungsvolle Aufmerksamkeit angewiesen. Das Problem liegt in der Verbindung zwischen Seele und Geist, Seele und Sonne. Die Sonne ist, und die Seele ist.
Aber zwischen beiden steht die Scheingestalt des egozentrischen Menschen, der alles ins Werk setzt, um Seele und Geistsonne voneinander zu trennen.
In dieser Scheingestalt befinden sich alle jene behindernden planetaren Mächte und Kräfte; so wie sich in der Notordnung die kosmischen, verdorbenen Kräfte zwischen die Strahlung des Geistes und den Erde-Planeten gestellt haben.
Das geistige Licht muß durch den Menschen hindurchdringen, um die Seele erreichen zu können, und tagein, tagaus ist er damit beschäftigt, um sich herum abwehrende magnetische Felder aufzubauen, um dieses Licht von sich fernzuhalten. Vielleicht tut er dies nicht immer bewußt, aber deswegen ist das Tun nicht weniger beeinträchtigend.
Die planetare Sonne schenkt jedem Menschen Selbstbewußtsein.
Selbstbewußtsein kann ein großes Hindernis darstellen, aber ebenso kann es eine Hilfe sein. Hilfe kommt natürlich immer aus dem geistigen Feld, wenn aber dessen Strahlung den Menschen nicht erreichen kann, so hat er keinen Nutzen davon.
Eine das menschliche Leben stark beherrschende Sonnenkraft drückt sich im Selbstbewußtsein der Persönlichkeit aus.
Man ist sich seiner selbst, seiner Gaben, seiner Macht, seiner Qualitäten, innerlich und äußerlich, sehr bewußt.
Die planetare Sonne ist das Herz des Sonnensystems, und im menschlichen Leben ist das "Selbst" des Menschen der Mittelpunkt, um den sich alles dreht. Auf der Grundlage dieses "Selbstes" tritt er nach außen, dieses "Selbst" ist seine Visitenkarte. Es drückt sich über den zwölffachen Projektor des Zodiak aus und ebenfalls über den siebenfachen Projektor der Planeten.
Darum zeigt das "Selbst" des Menschen ein so kompliziertes Bild, und darum auch ist er oft so schwer zu ergründen, sowohl für sich selbst wie auch für andere.
Die Seele verbirgt sich hinter dieser komplizierten Maske, und dabei ist das "Selbst" ihr großer Gegenspieler. Deshalb ist die die Sonne begleitende Ursünde der Hochmut.
Hochmut ist ein ausgeprägtes Selbstbewußtsein.
Man ist so sehr von den eigenen Fähigkeiten, von der eigenen Macht überzeugt, daß man den Mut des Lebens in Hochmut verändert.
Wer von Hochmut beherrscht wird, ist immun gegen Eindrücke von außen, immun gegen Angriffe und gegen Flehen. Der Hochmut isoliert das menschliche "Selbst" und entfernt es vom Mitmenschen wie auch vom Geist.
Die kosmische Sonne ist der Herrscher des Universums, der hochmütige Mensch ist der Herrscher in seinen eigenen Lebensumständen, er beherrscht immer die Situation.
Im zodiakalen Zeichen des Löwen steht die Sonne zentral, und so werden diese Menschen dann auch immer von Lebensmut, Durchsetzungskraft, Würde und Unantastbarkeit getrieben.
Keiner kann sich besser vor den äußeren Umständen verschließen und sich selbst besser gegen schlechte Einflüsse verteidigen als der Löwe-Mensch. Die Jungfrau-Typen können sich ebenfalls vor den Umständen verschließen, aber sie höhlen sich selbst innerlich aus, sie schneiden sich selbst vom Lebensstrom ab.
Der Löwe-Mensch findet jedoch in seinem starken Selbstbewußtsein immer wieder die Kraft, um sich selbst aufzuladen, in rein stofflichem Sinn.
Löwe-Menschen sind sehr oft Sucher des Geistes, und wenn sie sich nicht auf der spirituellen Ebene bewegen, so suchen sie dennoch ein erhabenes Ziel, von dem aus sie über ihre Mitmenschen oder über ihre Untergebenen herrschen können.
In der Spiritualität versucht der Löwe-Mensch seine Seele zu lenken, sie nach seinen eigenen Vorstellungen umzubiegen, nicht, daß er ausgesprochen egozentrisch wäre, im Gegenteil, er glaubt, daß er gerufen sei, seine Seele nach Hause zu bringen, und dafür hat er sehr viel übrig.
Der Löwe-Mensch neigt in der Spiritualität nur allzu oft zur Exaltation, weil er alles opfern will, um ein sich selbst gesetztes Ziel zu erreichen. Dann verlangt er nicht mehr nach äußerlicher Schaustellung, sondern er sucht ein spirituelles zur-Schau-Tragen, denn schließlich und endlich muß ein Löwe um jeden Preis Eindruck machen.
Jeder Mensch besitzt eine Persönlichkeit, aber wie man weiß und erkennen kann, hat er eine stärkere Persönlichkeit als der andere, und dies hat mit einer eventuellen geistigen Entwicklung nichts zu tun, sondern es ist ausschließlich die Folge einer Sonneneinwirkung.
Die Sonnenkraft in einem Menschen kann diesen für den Mitmenschen unsympathisch oder auch sehr sympathisch machen, dies hängt davon ab, wie der Mensch seine Sonnenkraft gebraucht.
Dominierende, besserwisserige, äußerst arrogante Typen stoßen den Mitmenschen ab, denn obwohl sie ein stark ausstrahlendes Vermögen haben, wirkt gerade diese Ausstrahlung der Freundschaft der Mitmenschen entgegen.
Sonnenkraft schenkt jedoch auch Wärme, Interesse für andere, eine scheinbar liebevolle Haltung und eine starke, anziehende Augenstrahlung. Die Sonne zieht an sich, kommt man ihr jedoch zu nahe, dann verbrennt man.
So verhält es sich auch mit dem über-selbstbewußten Menschen, er zieht die, welche ein Bedürfnis an Selbstbewußtsein, an Kraft haben, an sich, klammern sie sich jedoch an ihm fest, dann verbrennen sie, denn er verschlingt sie und benutzt ihre Lebenskraft. Jeder selbstbewußte Mensch, der sich selbst überschätzt, verschlingt seine Mitmenschen, wenn sie ihm dazu die Gelegenheit geben.
In jeder starken Persönlichkeit lebt die Neigung, die Mitmenschen zu verschlingen, sie hat ein Verlangen danach und lädt sich dadurch auf. Das Raubtier ernährt sich mit Hilfe von Mit-Geschöpfen.
Im paradiesischen Zustand leben das Lamm und der Löwe freundschaftlich nebeneinander. Man denke hierüber einmal nach!
Wie weit lebt das starke Ego freundschaftlich und tolerant neben dem anderen Ego?
Es ist in dem ausstrahlenden Lebensfeld des sehr selbstbewußten Menschen kein Platz für andere, wie Mücken werden sie von seinem Licht verbrannt.
Eigentlich müßte das Seelen-Licht wie die Sonnenkraft sein.
Das Ungeziefer müßte verbrennen, und die schönen geistigen Blumen müßten erblühen, während die zarten, jungen Knospen der Mitmenschen darin zum Wachstum kommen könnten.
Die Sonnenkraft im Menschen hat tatsächlich einen Sinn.
Lebensmut, Lebenslicht und geistiges Licht müssen gemeinsam ein hegendes, erwärmendes und erleuchtendes Atemfeld bereiten für das innere Selbst und das Seelen-Selbst der Mitmenschen.
Im spirituellen Löwe-Menschen ist denn auch deutlich zu erkennen, daß er sich der Sonnen-Kraft in sich bewußt ist.
Er steht seinen Mitmenschen klar gegenüber, er legt sich selbst eine strenge Lebenshaltung auf, und er macht sich selbst immun gegen schlechte Einflüsse von außen.
Keiner strebt ernsthafter als der Löwe-Mensch, und sein einziges Hindernis ist, daß er so fanatisch strebt. Er kann es nicht lassen, er will sein Ziel erreichen.
Wenn ein Mensch einen spirituellen Pfad betritt, gerät er mit seinem selbstbewußten Ego in Konflikt. Der eine erfährt dadurch einen stärkeren Widerstand als der andere, aber bei dem einen ist das zu große Selbstbewußtsein ein Hindernis, und bei dem anderen ist der Mangel an Selbstbewußtsein eine Behinderung.
Der spirituelle Mensch muß sich seiner selbst bewußt sein, sowohl in negativem wie auch in positivem Sinn. Man muß seinen Mangel an Selbstbewußtsein erkennen und ebenfalls seine Überdosis an
Selbstbewußtsein. Hierbei sind jedoch erstere leichter zur Einsicht zu bringen als letztere, denn diese verschließen sich oft vor einem Rat, einer Lehre und vor einer Annäherung an ihr persönliches Leben.
In der Gesellschaft ist die Position eines Vorgesetzten viel unantastbarer für Angriffe und Veränderungen als die Position eines Untergebenen. So ist es auch in der Spiritualität inbezug auf Ego und Seele. Die Seelen-Impulse lassen sich leichter durch ein weniger ausgeprägtes Selbst leiten als durch ein stark herrschendes Selbst.
Der hochmütige Mensch duldet keine Einmischung in sein Leben, noch in seinen spirituellen Lebensweg, und so kann es wohl einmal passieren, daß er die Seelen-Impulse von sich weist.
Er möchte selbst bestimmen, wann, wo und wie diese Seelen-Impulse zu ihm kommen sollen. Sehr selbstbewußt wird er auch seinen spirituellen Prozeß organisieren wollen, so wie der Direktor sein Unternehmen organisiert und lenkt.
In jeder starken Persönlichkeit lebt diese Neigung. Das selbstbewußte lch möchte den Ton angeben, ordnen, Methoden ins Leben rufen.
Ist nicht das ganze spirituelle Geschäft gerade auf dieser Neigung aufgebaut?
Wenn man von lch-Ersterbung spricht, und in verschiedenen Lehren ist dies der Fall, dann meint man, daß man alle Eigenschaften des Ichs töten, unterdrücken, negieren müsse.
Immer wieder liest und hört man: entleere dich, laß ab von den Ich-Trieben! Im Prinzip ist dies richtig. Aber wie kann man sich selbst analysieren, entleeren, wenn man das Ich nicht kennt?
Nur allzuoft greift dann das lch das Ich an, und dies führt zu einem forcierten Zustand.
Selbst-Analyse, Ich-Ersterbung ist nichts anderes als ein Erkennen und dann loslassen; ein Bild, das man losläßt, fällt zu Boden und zerbricht in Stücke. Die Gedankenbilder eines Menschen sind jedoch jahrhundertealte Bauwerke, und diese kann man nicht eher loslassen, als bis man den Fuß, das Fundament freigelegt hat aus dem im Laufe von Jahrhunderten angeschwemmten Boden. Man darf sich nicht krampfhaft anstrengen, um sein Ego zu bekämpfen, jedoch muß man sich im klaren sein über das "bis hierher und nicht weiter".
Der spirituelle Mensch muß sehr bewußt abbrechen, will er seiner Seele die so notwendige Licht- und Lebenskraft zuführen.
Was nützt es einem, daß der Geist und die Seele sind, wenn sie einander nicht erreichen können?
Den ersten Schritt muß immer der Mensch setzen. Es ist nicht so, daß der Mensch einfach "drauflos leben" könnte, nach dem Motto: Gott wird mich schon finden!
Man kennt diese Lebenseinstellung bestimmt, denn sie wird sehr oft propagiert. Wenn dies wahr wäre, würde die Welt anders aussehen.
Gott sucht nicht, dem Menschen steht es an zu suchen, das ist seine persönliche Tat. Wenn die Seele und der Geist einander begegnen, hört der Sucherweg - äußerlich - auf.
lnnerlich sucht die Seele immer mehr Licht, immer mehr Nahrung, immer größere Kraft. Darum gibt es keinen Stillstand, die Seele und der Geist kommen immer näher aufeinander zu, wodurch die Einsichten, die spirituellen Eindrücke der Seele immer großartiger werden. Je mehr man sich dem von ferne Geschauten nähert, desto deutlicher unterscheidet man die einzelnen Bilder.
Ein spiritueller Mensch ist darum immer bereit, seine Einsichten preiszugeben, aber er verläßt niemals seinen Ausgangspunkt.
Aus der Ferne betrachtet, meint man z.B., in der Landschaft ein Tier zu erkennen, beim Näherkommen sieht man, daß das Tier ein Baum ist, aber der Fernblick bleibt im Ganzen derselbe.
Und nun tun tastende und wachsende Seelen nichts anderes als sich gegenseitig auf die Aussicht aufmerksam zu machen und über die einzelnen Bilder zu diskutieren, und sie meinen, alle etwas anderes zu erkennen, weil ihr Ego mitspricht und seine Meinung inbezug auf den Fernblick mit hineinmischt.
Und dieses Ego sieht immer etwas anderes, weil es nicht von demselben Bild ausgeht wie die Seele.
Seelen begegnen einander immer, wenn die Persönlichkeit aufhört, ihnen ihre eigene Meinung aufzudrängen. Seelen haben ein- und dieselbe Sprache, sie haben keinen Sprachunterricht nötig.
Die Aufgabe für jeden spirituellen Sucher ist dieselbe: still zu werden, um die Sprache der Seele besser verstehen zu können.
Still werden im Sinne von Demut, Hingabe an die Seele, Bereitschaft zum Lernen und Annehmen.
Dieser Sucher hat sich nur an ein einziges Gesetz zu halten: beschirme das Heilige der Heiligen, damit kein profaner Fuß es schände und entheilige. Bewahre, was heilig im Pilger ist, und horche als Priester im Tempel auf die Stimme des Geistes. So wird die Seelen-Blume wiedergefunden werden im sumpfigen Boden, in welchem sie nun verkümmert.
Der Pilger muß sich von der Geistsonne führen lassen und niemals selbst der Führende sein.