Die Gier in bezug auf den Jupiter-Menschen: Schütze und Fische


"Daß die Krähen der Sorge und des Kummers über deinem Haupte fliegen, kannst du nicht ändern. 

Aber daß sie Nester in deinem Haar bauen, das kannst du verhindern." 


Jeder spirituelle Mensch versucht, sich gemäß seinen Gaben und Qualitäten in seinen Idealen auszudrücken. So geschieht es im Stoff, aber auch auf der spirituellen Ebene. 

Man kann bei den Menschen deutlich unterscheiden zwischen Spiritualisten und Materialisten, zwischen Idealisten und Realisten. Dies ist jedoch eine Unterscheidung, die aus dem Maßstab der Menschen entsprungen ist. Realisten sind häufig Materialisten, zumindest ist ihr Einschlag materialistischer als bei den Idealisten. 

Die Realität findet man im Stoff, so meint der irdische, wenig spirituelle Mensch. 

Der spirituelle Mensch glaubt jedoch, daß die Realität im Geist liegt und daß der Stoff das Irreale ist. Wenn Idealisten und Realisten miteinander in eine Diskussion geraten, so werden sie selten einen Punkt finden, in dem sie übereinstimmen. 

Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen spirituellem Idealismus und stofflichem Idealismus. Man kann sein Ideal auf Geld und Gut richten; hier aber wollen wir nur über die reinste Form von Idealismus sprechen, die sich immer auf ein unirdisches Interesse oder ein selbstloses Ziel richtet. 

Ein Mensch mit einer aktiven Seele wird immer geneigt sein, sein Interesse an diese Form von Idealismus zu schenken, weil sein Blut durchzogen ist von Seelen-Schwingungen, die das Ego nicht ansprechen. Man kann von einem Ideal beseelt sein, und eine solche Beseelung ist dann frei von Fanatismus, durch den Mitmenschen tödlich verwundet werden können. 

Der Geist weckt die Seele zu einer Begegnung mit dem Geist. 

Solange die Seele dies noch nicht verwirklicht hat, bleibt diese Begegnung für den Menschen ein spirituelles Ideal. 

Das reine, selbstlose Ideal, lebt als ein Gedankenbild in seinem Verfechter, und es kann den Mitmenschen nicht real gezeigt werden, denn das abstrakte Ideal bezieht sich auf das spirituelle Feld. 

Idealisten können die Grenze zwischen Stoff und Unstofflichkeit leichter überschreiten als realistische, materialistische Menschen. 

Der materialistische Realist ruft dem empfindsamen Idealisten zu:  "Das geht nicht!" 

Nein, für jenen ist es unmöglich, da sich seine Gedanken nicht über die Grenze des realen oder grobstofflichen Seins hinausbegeben können. 

In diesem Zusammenhang ist es interessant zu sehen, wie dieser Idealismus und dieses Verlangen nach Grenzüberschreitung in den beiden Jupiter-Menschen leben: im Schützen und in den Fischen. 

Die Fische werden in der modernen Astrologie unter Neptun gestellt, aber hier gilt dasselbe wie für den Wassermann: wenn die Fische die irdischen Neigungen überwunden haben, dann kommt Neptun ihnen zu Hilfe, vor dieser Zeit sind sie an Jupiter gebunden. 

Jupiter schenkt diesen Menschen die Verbundenheit mit ihren Mitmenschen, den beiden Typen jedoch auf eine unterschiedliche Weise. 

Der Schütze will dozieren, theoretisieren, unterweisen und belehren. Die Fische wollen beistehen, dienstbar sein, sich unterordnen. In diesen beiden zodiakalen Typen erkennt man deutlich die in Symbolen niedergelegte Weisheit jener griechischen Mythen, in denen Zeus eine Rolle spielt. 

Zeus oder Jupiter war der Herrscher unter den Göttern, er regierte über alle und traf alles Böse durch die furchtbare Gewalt seines vernichtenden Blitzes. Er galt im Besitz von Weisheit, aber seine Weisheit war die Weisheit der Natur, die ausrottet, was krank und mißgestaltet ist, und die das Böse gemäß dem Gesetz von Ursache und Folge straft. Zeus folgte dem harten, mitleidlosen aber gerechten Gesetz der Natur. 

Es gab jedoch eine Macht, die über ihm stand, und diese hieß Moira: die Schicksalsmacht oder das ihm zugewiesene Lebenslos. 

Ihr war Zeus oder Jupiter unterworfen. 

Die Moiren sind die Schicksalsgöttinnen: Clotho, die Spinnerin, Lachesis, die Anordnerin des Schicksals und Antropos, die Unabwendbare, die Töchter der Nacht oder von Zeus und Themis. 

Die erhabenen, allmächtigen Göttinnen des ewigen Schicksals, die mit dem Zepter in der Hand all das Geschaffene, das Götter- und Menschengeschlecht beherrschen. 

Und nun ist es erstaunlich, daß die beiden Jupiter-Typen: Schütze und Fische, diese Seiten des Planeten deutlich zeigen. 

Der Schütze ist der Herrscher, der "Dozent", der Herrscher unter allen anderen Göttern, der das Schicksal herausfordert und mit seinem Blitz straft. 

Die Fische zeigen die verborgene Seite von Jupiter: seine Angst vor Moira, der Macht, der er unterworfen ist und die ihn straft, wenn er seine eigene Befugnis überschreitet. 

In der Freundschaft füllen sich die Schütze- und die Fische-Menschen gegenseitig an, weil sie die beiden Seiten von Jupiter darstellen und dadurch ein Ganzes bilden. 

So ist es natürlich bei allen Typen, die die zwei Seiten eines Planeten darstellen, aber hier ist es schärfer ausgeprägt, weil Jupiter eine beherrschende Macht ist, sowohl in Form von Mehrwertigkeit als auch in Form von Minderwertigkeit. 

Diese beiden Typen eines Planeten können sich jedoch nicht gegenseitig aus dem kosmischen Bann erlösen. 

Im Gegenteil. Anfüllen schenkt Zufriedenheit. 

Der Schütze trotzt seinen verborgenen Ängsten; die Fische gehen unter ihren Sorgen und Ängsten gebeugt. Ersterer besitzt den unwiderstehlichen Drang zum Wachstum und zur Ausbreitung, letzterer äußert diesen Drang auf eine verborgene Weise: durch eine meditative Einstellung. 

Alles, was der Schütze verbirgt, zeigt sich in den Fischen. 

Beide streben nach Ausbreitung in spirituellem Sinn (wenn es sich um den spirituellen Menschen handelt), aber der erste versucht dies durch eine Verwirklichung im Stoff, und der zweite versucht es durch eine Verwirklichung im unstofflichen Gebiet. 

Die harte, mitleidlose, Blitze schleudernde Kraft von Jupiter ist in Wirklichkeit die verborgene Angst vor Moira. 

Durch sein vernichtendes Auftreten gegen das Böse versucht er, Moira, dem Schicksal, dem Sein, das in den Sternen geschrieben steht, zu entkommen. Von Moira, dem Fatum, dem von den göttlichen Sehern verkündigter Wille des Schicksals, verfolgt, haben beide Jupiter-Typen die Neigung, der Ursünde von Jupiter zu verfallen: der Gier. 

Gier inbezug auf den Besitz von Licht; Gier inbezug auf das Bestrafen des Bösen; Gier als Gegengewicht gegen den Hieb, den Moira möglicherweise versetzen könnte. 

"Wenn ich dieses alles besitze, oder dieses alles weiß, oder dieses alles verwirkliche, dann wird Moira mich vielleicht in Ruhe lassen." 

Das ist die Triebkraft hinter Jupiter. 

Mythisch gesehen, ist dies logisch, denn den Mythen nach ist Jupiter-Zeus der einzige, der dem Schicksal seiner Brüder entgangen ist. 

Dieses gefährliche Entkommen mit Hilfe von Gäa, der Erde, kennzeichnet das Leben Jupiters und das der ihm zugeordneten Typen. 

Darum besteht eine starke Verbindung zwischen der Erde und Jupiter-Zeus! Sie sind durch ein- und dieselbe Angst miteinander verbunden worden. 

Hieraus ergibt sich die astrologische Erklärung, daß Jupiter die "Weisheit der Natur" austragen will: ihm ist aufgetragen, durch die Natur hindurch zu höherer Weisheit zu kommen. 

Der Schütze versucht dies durch eine Verwirklichung im Stoff, der Fische-Mensch versucht dies über das Erlangen von Erfahrung oder Wissen auf dem unstofflichen Gebiet dieser Erde, beide aber haben es auf Wissen angelegt, um hierdurch Moira vielleicht entkommen zu können. 

Auch hier also wieder als Grundlage aller Behinderungen: die Angst. 

Die Gier, als Ursünde Jupiters, behauptet sich mit Hilfe der Angst. 

Wenn Seele und Geist sich im göttlichen Schwingungsfeld begegnen sollen, dann muß zuallererst die Angst vernichtet werden. 

In der "Pistis Sophia" kann man lesen, wie die Sophia immer wieder das Opfer der Angst wird, manchmal im Verborgenen, manchmal deutlich sichtbar, und wie sie dann nur eine einzige Auflösung kennt: das Anrufen des Lichtes. Das Licht der Lichter, größer als jedes kosmische Licht, ist in der Lage, jede behindernde Kraft zu vertreiben. 

Dieses Wissen liegt in der Seele verborgen. Auch der Jupiter-Mensch weiß dies, und darum versucht er auf seine eigene Weise, sich dieses Lichtes zu bemächtigen, um Moira zu überwinden. 

So wie der Löwe-Mensch königlich und strahlend den Stoff negiert und diesen auf solche Weise aufzuheben versucht, so kämpft der Schütze-Mensch gegen den Stoff und versucht er, ihn durch seinen vernichtenden Blitz zu pulverisieren, und so versucht der Fische-Mensch, diesem Stoff über das Erkennen des unsichtbaren Gebietes zu entkommen. Dies aber ist nicht die Auflösung. 

Streit und Flucht, Leugnung und Verdeckung greifen das Übel nicht bei der Wurzel. Jeder Mensch, der sich nicht dem Licht der Lichter übergibt, ist auf der Flucht vor sich selbst, vor seinem eigenen persönlichen Fatum. 

Darum sind viele spirituell suchende Menschen so furchtbar gespannt, so unausgeglichen. Sie werden weitergejagt, sie jagen sich selbst weiter bis an die Mauer, an der sie sich ihre Füße zerschinden, an der ihr harter Kopf birst und durch die ihr Herz voll Verbitterung auseinandergerissen wird. 

Bei jeder Behinderung sieht man wieder, wie der Mensch umkehren, dorthin zurückkehren muß, wo er zu fliehen beschloß. 

Er muß seine verborgenen Beweggründe erkennen, seine Maske abwerfen und dem, wovor er flieht, entgegentreten. 

Das ist die Auflösung. 

In dem Augenblick, da man sich entschließt, stillzustehen, still zu sein und dem, wovor man sich fürchtet, bewußt oder unbewußt (obwohl man sich dessen immer klar bewußt werden kann), entgegenzutreten, fällt die Angst ab, wenn man gleichzeitig das innewohnende Licht der Seele bündelt und aus diesem Kernpunkt heraus das große Licht der Lichter anruft. 

Jeder spirituelle Sucher und den Pfad bewußt gehende Mensch kann die heiligende Wirkung, die hiervon ausgeht, bestätigen. 

Solange man aber umherrast, auf der Suche nach einer Gegenkraft, nach einer bekannten Waffe greift oder den Konsequenzen entflieht und mit sich selbst Versteck spielt, ist die stabile, immer gegenwärtige Flamme des Lichtes der Lichter nicht in der Lage, ihre Wohnung im stofflichen Individuum zu erleuchten. 

Eine flackernde Kerze gibt kaum Licht, und sie wirkt beunruhigend, niemals besänftigend. 

Wo der Schütze-Mensch mit seinem Blitz umherrast, da trinkt der Fische-Mensch alles ein, gleichsam als Buße. Beiden aber geht es um dasselbe. Beide sind durch dieselbe Triebkraft verbunden, und beide können geopfert werden durch ihr Zuviel an Ausstrahlung und Absorption. 

Dieses Zuviel ist ein Merkmal ihrer Ursünde. Aus einem instinktiven Drang heraus versuchen sie darum, durch ein Abgeben dieses Übermaß wieder auszugleichen. Darum will der Schütze belehren, dozieren, seine Weisheit ständig austragen, und die Fische wollen hilfsbereit sein, dienen, mit ihren Mitmenschen mitleiden. 

Jeder ist instinktiv damit beschäftigt, seine Fehler zu bekämpfen, seine Unzulänglichkeiten zu vertuschen und seine Behinderungen zu leugnen. Das ist die Art des Menschen. 

Diese ganze Problematik würde ein Ende finden, wenn die einfache Lebensregel der Pistis Sophia befolgt würde. 

Nicht als eine exaltierte Übergabe, nicht als ein dogmatisches Handeln oder als eine Theorie, sondern als eine innere Verwirklichung. 

In der Tat würde der spirituelle Mensch das Ideal, für das er eintritt, verwirklichen können durch ein Realisieren in einem Seelen-Handeln. 

Viele werden sagen: "Die Seele ist nicht real!" 

Aber nichts ist realer als die Seele! 

Das muß der spirituelle Mensch doch verstehen. Was man in seinen Händen hält, die Form und die Materie, sind nicht real, einmal fallen sie wieder auseinander. Was der Mensch aber innerlich besitzt und womit er so oft ein gefährliches Spiel spielt, das ist die Realität. 

Die Wirklichkeit des gefallenen Lichtsohnes! 

Wenn man daran zweifelt, wird man einen schweren Lebensweg haben, man wird zwischen Auf- und Niedergang hin- und hergeschleudert werden, das Opfer der Angriffe der Widersacher, die einem gerade dieses heilige Kleinod rauben wollen. 

Es ist diese unscheinbare Flamme, die fähig ist, die unüberwindliche Schwelle auf dem Weg-empor beiseite zu räumen. Dazu muß man aber dann diese Schwelle zuallererst sehen, ihren Ort erkennen und bereit sein, unter der Führung der Flamme über diesen Ort hinwegzuschreiten. 

Das ist der Kernpunkt in jedem Menschen: die Schwelle erkennen, ihren Ort lokalisieren und sich der Flamme übergeben. 

Diese drei Stadien sind nicht voneinander zu trennen. 

Hierin muß man einander helfen, nicht dadurch, daß man theoretisiert, sondern einander beweisen, daß eine Verwirklichung möglich ist. 

Alle Verwirklichung ist Sache des Individuums, aber der Prozeß dieser Verwirklichung kann mit Hilfe von Freunden, Gefährten, Seelenbewußten erleichtert werden. Der Beweis einer solchen Verwirklichung liegt immer im Menschen selbst, in seiner Lebenspraxis. 

Die Seele führt ihn, wenn sie wirksam ist, an den Hindernissen vorbei und über sie hinweg, und sie erteilt ihm auch in schwierigen Situationen Rat. Es ist nur notwendig zu hören, still zu werden vor Gott, wie der dogmatische Christ richtig sagt. 

Still zu werden vor Gott, bedeutet nichts anderes, als der inneren Flamme entgegenzukommen, so wie man seinem Hindernis, seinem innewohnenden Luzifer oder Satanael entgegengehen muß. 

Satanael begegnet man, gewappnet mit der Flamme der Seele, nicht mit einem vernichtenden Blitz, denn wer dieses Schwert aufnimmt, wird durch das Schwert umkommen, nein, mit der Flamme der Seele. 

Es besteht ein großer Unterschied zwischen dem Blitz Gottes und dem Blitz von Jupiter-Zeus. 

Gott bildet seinen Blitz aus dem Licht der Lichter, das dem Stein Leben schenkt; Jupiter bildet seinen Blitz aus dem Feuer dieser Natur, das vernichtet und verbrennt. 

Darum meint Jupiter manchmal, daß er Gott sei, weil er von Saturn errettet wurde und die Macht in die Hände gelegt bekam. 

Aber auch seine Macht ist zeitlich! 

Lese man nur daraufhin die Mythe einmal nach. 

Jupiter ist an die Zeit gebunden, an die zugemessene Ausdehnung der Natur. Gott ist unermeßlich und schreibt der ganzen Natur Seine Gesetze vor, auch Moira, der Kraft hinter Jupiter. 

Für alle gibt es nur eine einzige Auflösung, und über diese könnten wir lang und breit reden und ausführlich philosophieren, aber der gefallene Lichtsohn muß sich zuallererst der kleinen, so gewaltig großen Kraft seiner Seele bewußt werden, bevor er die Seele begreifen kann. 

Er muß sich seiner Seele bewußt werden, und würde er das sein, dann würde er sich damit an die Arbeit machen. Und die Resultate würden nicht auf sich warten lassen. 

Dann sind Worte wahrlich überflüssig und können Gleiche sich in ein- und dieselbe Seelenstrahlung hüllen, die heiligt und hilft und ermutigt! 

©1970-2013 Henk und Mia Leene