"Unser Leben ist wie ein Tautropfen auf einem Lotusblatt", sagte Tagore, und wir können dies natürlich in Anbetracht der aktuellen Umstände direkt unterstreichen.
Es gibt Menschen, die sich fragen, warum alte, oft pflegebedürftige Menschen am Leben bleiben, während jüngere plötzlich von uns genommen werden. Aber es ist für irdische Sterbliche sehr schwierig, die Lebensdauer und das Lebensziel beurteilen zu können.
Das Leben ist nämlich eine Brücke zwischen zwei Ewigkeiten und somit nur als Lernschule von Wichtigkeit. Wenn man die Lektionen gelernt hat, oder, was auch möglich ist, wenn man versagt hat, und wenn man die Lebensenergie nicht auf dem Niveau gehalten hat, dann hört die Lernschule und damit das irdische Leben auf.
Es befindet sich eine Logik und ein Zielbewußtsein hinter jeder Lebensbewegung, die man nur zu durchschauen braucht. Man kann sich nicht davor drücken, indem man Gott oder den Göttern von irgend etwas die Schuld gibt, denn alles ist die Folge von etwas. Alles, was wir tun, oder was wir nicht tun, ist die Folge von etwas. Es ist eine kreisende Bewegung, der wir entkommen können, um eine spiralförmige Bewegung daraus zu machen.
Den Kreis bilden wir durch eigene Reaktionen.
Die Spiralbewegung beginnt, wenn wir einem geistigen Impuls Folge leisten. Jeder kann wissen, daß eine kreisende Bewegung katastrophal werden kann.
Die geistigen Impulse fehlen, man parasitiert auf der eigenen Energie, die schließlich erlöscht.
Unser Leben ist eine Folge von früheren Leben, es wird zielbewußt an der Entwicklung weitergearbeitet. Wir alle bleiben an dem Punkt stehen, an dem wir nicht weiter konnten oder wollten.
Wenn man wirklich nicht weiter kann, hat man seinem Lebensziel entsprochen; wenn man nicht weiter will, hat man versagt.
Nicht zu können hängt mit der Quantität der Energie, die man aus dem Urquell schöpft, eng zusammen.
Somit ist das 'Können' für einen jeden von uns verschieden.
'Kann nicht ist tot', sagt ein altes Sprichwort, welches tiefer ist, als man vermutet. In spirituellem Sinn ist 'Können' unerschöpflich, nur in körperlicher Hinsicht kommt es zu einem Ende, weil der Körper seine Beschränkungen hat.
Es ist jedoch fatal, wenn ein spirituell inspirierter Mensch sich von seinem Körper beherrschen läßt. Jeder muß seinen Körper dem Geist untertan machen und dann kommt auch dieser Körper zu unglaublichen Leistungen.
Aber jeder lebt so lange, wie es ihm zugewiesen wird: d.h. solange das Lernen auf der Erde notwendig ist.
Es kann ein Augenblick kommen, wo es sich zeigt, daß dieses Lernen nutzlos geworden ist, weil man immer wieder dieselben Lektionen bekommt und diese nicht aufnimmt, sie also nicht wirklich durchdringen. Dann kann der Augenblick kommen, wo alles unmöglich wird. Es wird ein Halt zugerufen.
Es müssen neue Möglichkeiten geschaffen werden in einem anderen Körper, unter anderen Umständen, mit einer anderen Persönlichkeit, damit die Lektionen dennoch gelernt werden, denn niemand entkommt der Lernschule.
Geht es in unserem kurzen Leben nicht genauso?
Wenn wir etwas nicht gutwillig lernen wollen, dann geschieht es eben mit Strenge. Und am schlimmsten ist es, wenn wir es nicht bemerken oder nicht bemerken wollen, oder aber es wissen, und daran vorbeigehen.
Es befindet sich eine Linie im Leben. Diese Linie beginnt in der einen Ewigkeit und geht fort in die andere Ewigkeit.
Das Sterben ist darin eine Phase, eine sehr unwichtige Phase.
Es geht nur darum, wie wir sterben. Denn auch dieses Ereignis ist mit unserem Bewußtsein verbunden, mit unserem inneren Wissen.
Das Kämpfen gegen das Sterben deutet hin auf: Unwissenheit, die Lektionen ganz und gar nicht gelernt zu haben, oder Angst vor dem, was man auf dem Gewissen hat.
Dies ist sehr reell, aber tragisch.
Wir bringen alle aus der Ewigkeit ein Wissen mit.
Vielleicht sind wir uns dessen nicht oder noch nicht bewußt, aber es ist wohl geboten, dieses Wissen zutage zu fördern.
Das Zutage fördern einer alten Kenntnis ist ein Beitrag zum Verständnis der Lebenslektionen.
Nichts können wir abtun mit: Gott will dies oder jenes.
Gott will nichts mit uns.
Die Urbewegungen des Kosmos und diejenigen, die diesen Kosmos in Händen halten, bestimmen mit unsere Lebenslinien.
Die Bestimmungen stehen in direkter Verbindung mit unserem Tun und Lassen, mit dem, was wir können und wollen.
Nichts liegt von vornherein fest.
Lebensdauer ist etwas völlig anderes als Lebensintensität.
Bestimmend ist die Lebensintensität, die Menge Energie, die wir verbrauchen und die Menge, die wir zuführen. Der eine kann mit einer Mark weit mehr anfangen als ein anderer. So ist es auch mit der Energie.
Wir bestimmen selbst , was wir mit unserer Energie tun. Wir können sie strecken in Jahre oder Monate. Zeit ist somit wieder eine Fiktion.
In Anbetracht dessen müßten wir selbst bestimmen können, wann unser Ende kommt. Wir können aufhören mit dem Aufladen und uns verebben lassen. Wir können aber auch, und das ist die andere Seite, einer schwachen Flamme durch geistige Inspiration neues Leben einblasen.
Haben Sie nie bemerkt, daß Sie plötzlich stark werden können durch eine Beseelung?
Es geht somit darum,wie man lebt. Wie lange man lebt, ist unwichtig!
Jeder, der einen Auftrag im Leben hat und sich dessen bewußt ist, erhält die Möglichkeit, den Auftrag zu erfüllen. Wir denken hier nicht an Politiker oder horizontale Streber.
Wir denken an einen Auftrag, der für das große Ganze wichtig ist.
Und das große Ganze hängt mit der Lebensmöglichkeit für Natur und Mensch zusammen.
Was jeder Mensch mit dieser Möglichkeit tut, ist seine Sache.
Damit kann sich kein anderer bemühen. Er hält dies selbst in der Hand. Es ist sein freier Wille und seine eigene Spannkraft.
Sie sehen, wie in diesem Ganzen allerlei Schulungen und Religionen völlig unwichtig sind. Es ist ein Zeitvertreib.
Das einzig Wichtige ist, wie man sein Leben führt.
Von dort können Verbindungen ausgehen zur Umgebung, zu den Menschen, zu der Welt.
Der Gedanke 'die Welt zu Retten' ist eine Fiktion und viel zu groß für einen Menschen, der nicht einmal sein eigenes Leben retten kann. Was haben wir zu suchen und zu moralisieren, wenn wir völlig unbewußt bleiben bei unserem eigenen Lebensziel.
Die Natur als Welt, oder die Schöpfung, kann ein Ziel sein, aber nicht das Zusammenleben. Das Zusammenleben ist von unzähligen Faktoren abhängig, die kein Mensch in der Hand hat.
Das Zusammenleben ist, ebenso wie das Individuum, abhängig von den Schöpfungsbedingungen in der Natur.
Das Zusammenleben beginnt in unserem eigenen Kreis, unseren direkten Umständen und nicht in der großen Welt.
Man muß immer aus einem Mittelpunkt heraus handeln; und diesen Mittelpunkt lebend und wachsam zu halten ist eine erste Bedingung. Alles, was diesen Mittelpunkt einschlafen läßt, ist feindlich. Dagegen müssen wir uns wehren.
Das Einschlafen hat zur Folge, daß wir in diesem Leben vegetieren. Man läßt es Gott für uns tun, oder Jesus, oder einen anderen, das Familienmitglied, die Mutter, den Vater usw.
Wenn die Mitte schläft, verebbt unser Leben. Dann laden wir uns nicht mehr auf und sind somit abhängig von der Menge Energie, die in diesem Augenblick vorhanden ist. Es ist wie ein Feuer, das langsam verlöscht, und auf welches kein Brennstoff mehr geworfen wird.
Den Brennstoff müssen wir selbst holen, und wir müssen ihn selbst verbrennen. Niemand kann in dieser Hinsicht etwas Wesentliches für uns tun, wenn es auch behauptet werden sollte.
Durch diese falschen Behauptungen entstehen falsche Vorstellungen, oder auch die Überraschungen, wenn jemand plötzlich aufgibt.
Wir sammeln unsere Kenntnis und unsere Lektionen, deren Summe unser Wissen ist. Es ist ein Wissen, das uns niemand mehr nehmen kann, das aber auch niemand vergrößern kann.
Nach Ablauf unseres irdischen Lebens sammeln wir diesen Besitz und führen dann damit unser Leben an der anderen Seite.
Er ist unser innerer Schatz, ein Schatz, der derart vergrößert werden muß, daß wir selbst zu diesem Schatz werden und somit der Verwandlung, in der intensivsten Bedeutung, entsprechen.
Wir werden dann zu denjenigen, die wir waren, ehe all das Leben auf der Erde begann. Und dieses Urwesen ist grundverschieden von dem, was wir nun sind.
Aber untereinander sind die Urwesen ebenfalls verschieden.
Wie ich für Sie nicht urteilen oder Lebensentscheidungen treffen kann, so können Sie dies ebenso wenig für mich tun.
Sie kennen nicht den, der ich war, ehe das alles begann, und ich weiß nicht wer Sie waren.
Auch hier gilt nicht der Ausspruch: Alle sind gleich. Es ist nie etwas Gleiches in der Natur. Jede Zelle, jedes Vogelei, jedes Sandkorn ist anders. Warum sollte dann eine völlige Gleichheit in einer anderen Welt sein?
Gerade die Auffassung, daß alle gleich sein müssen, bringt Chaos und Mißverständnisse, weil man sich gegen ein Urgesetz wendet, das nicht zu negieren ist.
Für die Augen der Götter sind wir natürlich alle gleich, d.h. Geschöpfe, die einem Auftrag genügen müssen und mit den Schöpfungsgesetzen zusammenarbeiten müssen. Das ist alles.
Es werden an uns nicht die gleichen Anforderungen gestellt, außer dieser einen: Leben.
Und 'Leben' beinhaltet recht viel. Es ist mit allerlei Bedingungen und Gesetzen verbunden, und wenn wir dagegen sündigen, erfahren wir die Folgen. Folgen, die wir irrtümlicherweise als 'Leben' ansehen.
Was verlangt der Mensch vom Leben?
Ist er zufrieden mit Aufstehen, Essen und Schlafen?
Ist er begierig, zu lernen?
Ist er gerichtet auf ein nützliches Ziel?
Ist er bereit, für dieses Ziel die Bequemlichkeit und die unwichtigen Dinge aufzugeben?
Worauf richtet der Mensch seine Energie?
Denn um die Energie dreht sich alles. Man kann die Energie nur einmal gebrauchen und nur einmal verschwenden.
Die Lebensenergie ist das Wichtigste, das wir haben. Wenn wir sie vergeuden oder verkehrt anwenden, kommen die Folgen auf unser eigenes Haupt nieder: Krankheit, Bitterkeit, unnötige Ermüdung, Enttäuschungen usw.
Wir können uns dann trösten mit verschiedenen Nebensächlichkeiten, an denen unsere Gesellschaft so reich ist.
Aber in unserer tiefsten Tiefe bleibt der Kloß sitzen, der Kloß, an den wir nicht herankönnen und der uns hindert, freiheraus glücklich oder zufrieden zu sein.
Kennen Sie dieses Gefühl?
Unser Leben ist wie ein Tautropfen. Der Tau ist das Resultat des Zusammenwirkens von Sonne und Mond, sagt der Alchemist.
Die Sonne kann ihn verdampfen lassen, der Regen kann ihn fortspülen, wodurch der Lotus seine Nahrung verliert.
Deshalb ist der Ausspruch so tiefsinnig. Die Sonne lädt auf, der Mond entlädt und gerade ihr Zusammenwirken gibt die Harmonie, die für eine gute Nahrung für das Leben, für das Geschöpf, notwendig ist.
Der Lotus und sein Tautropfen ist ein Symbol des Menschen und seiner Lebensenergie. Schockierende Ereignisse bringen uns oft dem Sinn des Lebens näher. Es ist bedauerlich, daß immer eine schockierende Erfahrung uns so weit bringen muß.
Es ist ein Zeichen, daß wir bei den Nebensächlichkeiten am Einschlummern waren. Wir gewöhnen uns zu schnell an die Regelmäßigkeit und an die guten Dinge. Sogar auch an die unangenehmen. Regelmäßigkeit und Gewöhnung sind Feinde der Wachsamkeit und Lebensintensität.
Sogar im Kosmos gibt es Unregelmäßigkeiten, Ereignisse, die man nicht voraussagen kann und die somit überraschend sind.
Deshalb kann man die Horoskopie nicht als ein Gesetz annehmen. Der Mensch als lebendes Geschöpf besitzt Überraschungsursachen, die ihn von dem einen Tag auf den anderen verändern können.
Für diejenigen, die meinen, alles in der Hand zu haben, sind die Überraschungen oft ärgerlich. Geschriebene Gesetze sind in der Natur, im Kosmos, im Geist, unmöglich. Jedes geschriebene Gesetz, aber auch jede geschriebene Regel, haben ihre fatalen Beschränkungen. In der Astrologie z.B. wird die Beschränkung von Saturn durch Jupiter unterbrochen.
Je verfeinerter jemand in spiritueller Hinsicht ist, desto mehr Überraschungselemente enthält er. Es ist gut, wenn Sie sich selbst zu einer Überraschung werden. Das bedeutet, daß Sie nicht eingeschlafen sind, daß das Leben noch weitergeht und daß Sie nicht auf sich selbst parasitieren.
In diesem Überraschungselement befindet sich das Wunder, d.h. ein Ereignis, das der irdische, meist oberflächliche Mensch, nicht erklären kann. Aber es sind keine Wunder, es sind nur Veränderungen, Über-raschungen für unser Auge und es sind Möglichkeiten.
Wenn sich eine Möglichkeit in eine Unmöglichkeit verändert, dann verdanken wir dies uns selbst. Im Geist ist nichts unmöglich. Das Gesetz enthält zahlreiche Unmöglichkeiten, weil seine Beschränkungen so groß sind.
Je mehr wir uns an den unbeschränkten Möglichkeiten festhalten, desto mehr werden wir aufgeladen. Es ist eine Frage des inneren Wissens. Manche sagen eines 'Glaubens', aber dann eines ungeschriebenen Glaubens, eines Glaubens, der von niemand festgelegt wurde. Deshalb ist ein Dogma für den Glauben fatal.
Der Glaube hat seinen Sitz im Menschen, in dem ewigen Kern aus dem er lebt und den er selbst instand hält.
Der Glaube, der nicht beschriebene, unmeßbare Glaube, ist unsere Triebfeder, um mit irgend etwas weiterzumachen. Er ist unser Halt in schwierigen Umständen, aber auch unser Wissen bei unverstandenen Erfahrungen.
Das, was wir noch nicht verstehen, können wir dann getrost beiseite legen und zu uns sagen: Es wird uns später deutlich werden, wenn wir gereift sind. Denn für alles besteht ein Grund, alles hat ein Motiv, alles hat ein Ziel. Nichts geschieht ohne Grund. Das ist ein Trost, aber auch eine Aufhellung.
Es geht nur darum, ob wir bereit sind, zu lernen, ob wir offen sind für die Lektionen und ob wir bescheiden genug sind, aus den einfachen Dingen zu lernen.
Denn es sind nicht die geschriebenen Worte und Lektionen, die am tiefsten eingreifen, sondern es sind immer die ungeschriebenen Worte und Erfahrungen, die uns durcheinander schütteln. Und dieses Schütteln macht uns innerlich reifer und lebender, so daß wir in eine höhere Lebensklasse aufsteigen können.
Zurückblickend auf unser Leben werden wir dies alle bejahen können. Es gibt Menschen, die im Leben sehr 'geschüttelt' werden. Es ist ein Beweis, daß sie etwas lernen müssen, um ihrer selbst willen. Hier ist Mitleid nicht am Platze, höchstens kann von einem verstehenden Mitleben die Rede sein.
Mitleid können wir mit denen haben, die nicht geschüttelt werden. Das Leben geht an ihnen entlang. Sie lernen nicht die weisen Lektionen, die die anderen lernen, sie werden dann auch nicht die großartigen Fernen und die erschreckenden Tiefen sehen, die das Leben reich machen.
Aber eines ist sicher: Die großartigen Fernen und die tiefsten Tiefen sehen wir am besten von dem begangenen Grund aus, indem wir mit unseren Füßen stark auf einem sicheren Boden stehen.
Sobald wir uns von den Höhen oder den Fernen oder von den Tiefen überwältigen lassen, verlieren wir den Boden. Dann scheinen sowohl die Fernen als auch die Tiefen katastrophale Nachteile zu besitzen: Bodenlosigkeit, Losgeschlagenheit, Chaos.
Pflanze dich darum stark in den Boden, der in deiner Mitte ist, stärke diese Mitte, und sehe von dort aus um dich, empor bis in die Unbegrenztheit, hinab bis in die Unermeßlichkeit, und lerne daraus. Aber vergiß nicht, daß ein Mensch zuerst stehen muß, ehe er die gewaltigen Erfahrungen ergründen und umfassen kann. Und vergiß auch nicht, daß das kosmische Gesetz beinhaltet, daß diejenigen, die stehen, Erfahrungen erhalten, die zu ihrer Stärke passen.
So ist es auch mit jenen, die nicht stehen. Sie erhalten die Erfahrungen nicht, weil sie sie vernichten würden.
Was wir uns aus Neugier oder dem Drang zum Experimentieren selbst antun, ist eine andere Sache. Wir haben einen freien Willen, den wir auf unsere Weise gebrauchen können. Werfen wir den Göttern nicht etwas vor, das wir uns selbst absichtlich antun.
Die Götter sind es, die die großen ungeschriebenen Gesetze bestimmen, und wenn wir uns an sie halten, kann uns nichts geschehen, was uns Schaden zufügt.
Im Gegenteil, alles geschieht wegen uns.
Sie, die dies verstehen, finden Frieden in Herz und Seele, und ihr Leben wird reich und voll sein.