Der Tor - 0; Hebräischer Buchstabe Shin (sheen)
In einer Welt, die voll von Weisen ist, fällt der Tor am wenigsten auf; und in einer Welt voller Materialisten, fällt die Torheit des Spiritualisten
am meisten auf.
Aller Anfang und alles Ende beginnt mit der Null (0); sie ist das Zeichen eines Kraftfeldes, die eiförmige Geschlossenheit - es ist ein Zeichen für Ewigkeit, Einheit und Neutralität.
Aus dieser 0 können sich die charakteristischen Eigenschaften bilden; jedes Menschenkind kommt aus einer körperlichen 0, der eiförmigen Gebärmutter; und es muß spirituell wiedergeboren werden aus dem geistigen Kraftfeld, der geistigen Gebärmutter, der Materia Mater.
Der Weg des Menschen beginnt bei der Null und endet bei der Null; sein Weg führt ihn durch all die Formen und Behinderungen, die alle ein Bild annehmen.
Der Mensch, der einsieht, daß er von Nichts zu Nichts geht, wird als ein Tor angesehen - denn der intellektuell ausgerichtete Mensch meint, daß die Überwindung im Lorbeerkranz liege,
im Angebetetwerden,
in Ruhm, Macht, Verdiensten.
Darum schiebt dieser spirituell unwissende Mensch die Karte Null des Tarot hin und her - er weiß sie nicht einzuordnen und wird ihr gewiß keinen Ehrenplatz einräumen.
Trotzdem besaß diese Karte diesen Platz im Tempel von Memphis,
und sie bedeutete für den Neophyten das große abstrakte Nichts, das Aufgehen in der Ewigkeit oder das Hinausgehen aus dieser Ewigkeit in die Bilder des Stoffs.
Darum nennt man diese Karte: den Toren.
Die Seele war töricht, da sie in den Stoff niederstieg - der zur absoluten Spiritualität zurückkehrende Mensch wird in den Augen seiner Mitmenschen ein Tor. Dieser Vorstellung begegnet man in allen gnostischen Lehren und in der Alchemie.
Erst, wenn man glaubt, das Höchste erreicht zu haben, kommt die Wirklichkeit: das Abschiednehmen von allem, das Werden zu einem Toren.
Ehre, Ruhm, Verdienste und Ansehen der Seele zuliebe abgeben und zum Zustand der sogen. Torheit zurückkehren.
Es gibt nur wenig Menschen, die der Kunst dieser Torheit mächtig sind und die es wagen, ihre Egointeressen aufzugeben, um zu einer 0 zu werden, von niemandem geliebt, von allen verspottet, als ein Fremdling über die Erde irrend, begleitet nur von einem Hund, dem Wächter gegen böse Geister und dem vor Unheil Warnenden.
Dem Symbol des Hundes mißt man eine gute und eine schlechte Bedeutung bei; so wie in bezug auf den Toren, weiß man auch bei ihm nicht unmittelbar, was man davon zu halten habe: Man nennt ihn den Höllenhund; oder auch einen Gott, Anubis.
Auf seinem Rücken trägt der Tor seinen Sack mit Erfahrungen für den kommenden Lebensweg. In seiner Hand, der linken Hand, der vom Herz kommenden Hand, hält er den Wanderstab.
Der Mensch, der von der Welt ein Tor genannt wird, stützt sich auf die Eingebungen seines Herzens.
Vor ihm grinst das Krokodil, in der ägyptischen Symbolik das Bild für die stofflichen Prüfungen, aber der Hund, Erinnerung oder Intuition,
warnen ihn, und unter der Führung seines Hundes und seines Stabes wird dieser "Tor" lernen müssen, die stofflichen Prüfungen zu überwinden.
Darum ist der Kopf des Toren auf der ägyptischen Karte nach unten gerichtet und nicht wie auf den mittelalterlichen, französischen und englischen Darstellungen nach oben gerichtet.
Der "Tor", am Beginn seines Weges durch den Stoff, geht nach unten, noch nicht nach oben.
Er ist nicht der Tor, der optimistisch singend und tanzend durchs Leben geht, wie er auf einigen Darstellungen zu sehen ist; er ist vielmehr ein herumirrender Pilger, auf der Suche nach einem Halt für seinen Fuß, in Gedanken versunken mit einem inneren Blick auf die Himmel gerichtet, und nicht mit einem äußeren Blick.
Von dieser Gestalt geht eine ernsthafte Versunkenheit aus; er ist kein Tor, er ist sich des kommenden Weges bewußt.
Auf diese Weise beginnt ein spiritueller Mensch seinen Lebensweg, und es spielt keine Rolle, welches Alter er besitzt: In ihm muß dieser Pilger, dieser Tor leben und die Werte des Lebens erkennen.
Ohne diesen "Toren" gibt es keinen Einweihungsweg.
Ohne diese Null gibt es keine Schöpfung, der Bronn allen Lebens verschwindet, und es gibt nichts mehr, woran sich die Bilder heften könnten.
Denken Sie sich in dieses einmal hinein.
Wenn die Urkraft - Gott - der Motor allen Lebens nicht bestehen und die Natur im Gleichgewicht halten würde, würde alles zusammenstürzen.
Desgleichen auch der Weg des Tarot, der Weg des spirituellen Menschen.
Wenn es für diesen Menschen keinen Geist gäbe, die geistige Flamme, an die er sich klammern kann, dann würde er zu einem Bild werden, das sich auflöst und nicht mehr wiederkehrt, ein Anfang mit einem Ende.
Innerhalb der 0 gibt es weder Anfang noch Ende, es herrscht die ewigwährende Bewegung, die von der großen allumfassenden Liebe lebendig gehalten wird.
Darum ordneten die Kabbalisten dieser Karte den hebräischen Buchstaben Shin (sheen) zu, es ist der Buchstabe des Feuers, der Buchstabe von Shiva, und er bedeutet: die fortwährende Intelligenz.
Nicht auf allen Wiedergaben trägt der "Tor" das Zeichen des Shin (sheen), denn wenn man die Karten durcheinander bringt, verwechselt man die Buchstaben.
Aber das Zeichen Shin (sheen) ist zutreffend.
Das Feuer des Anfangs - das Licht am Ende, das Feuer der Erschaffung und der Wiedererschaffung, ein Feuer, das sich mit dem irdischen Feuer nicht vergleichen läßt, das aber verglichen werden kann mit dem himmlischen Salz: Wasser und Feuer, lebendiges Wasser, reinigendes Feuer.
In diesem "Toren" brennt dieses merkwürdige Feuer, und darum weiß man mit ihm nichts anzufangen: man nennt ihn passiv und doch intelligent, negativ und doch impulsiv, brennend mit einem leuchtenden Feuer und dennoch unantastbar, unerschütterlich.
Ist nicht dies das Bild der wirklich verlangenden Seele?
Sollte dies nicht das ideale Bild des suchenden Menschen sein?
Unerschütterlich seinem Wege folgend, bewacht von den Stimmen von Intuition und Gewissen, sich nicht vor dem Niedergang in den Stoff scheuend, seinen schweren Erfahrungen, der sich auf die reine Intelligenz seines Herzens stützt, der um Rat fragt bei seinem mikrokosmischen Rucksack, voll mit seinen gesammelten Erfahrungen, der seinen Blick unaufhaltsam auf den vor ihm liegenden Weg heftet und niemals von Spöttern und Höhnenden abgelenkt wird.
Wieviele solcher Toren mögen auf dieser Erde herumlaufen?
Gleichen sie nicht vielmehr den Abbildungen des mittelalterlichen Tarot, den französischen und den englischen Wiedergaben?
Ängstlich um sich blickend, angesprungen von ihrem Hund, optimistisch, unwissend und unschuldig ein Lied singend, über Berg und Tal irrend.
Sehen Sie den Unterschied.
Das Bild des Tarot ging mit den unwissenden Menschen in den Nebel ein und es ging daraus hervor als ein Spiel, ein Zeitvertreib für seelenlose Leute.
Dieser Tor des hermetischen Tarot ist keine Figur zum Spielen,
sondern eine, von der gelernt werden kann.
Die alte Kabbalah vergleicht ihn mit Shiva, dem Anfang und das Ende und so muß man ihn auch sehen.
Der Mensch geht einen Weg nach unten und einen Rückweg nach oben; zuallererst ist er sich seiner Seelenkraft nicht bewußt, nur aus Intuition und Herzverlangen geht er weiter, aber allmählich wird er sich seiner Prüfungen bewußter, und beginnt er, seine Seelenkraft um Hilfe zu rufen.
Er taucht bis zu dem Augenblick ein, da er die Form, die stoffliche Gebundenheit entschlossen von sich abwirft. Danach führt ihn sein Weg in die Höhe, d.h. sein Weg wird ein reiner Seelenweg.
Würde der Mensch nach äußeren spirituellen Schätzen suchen, dann würde ihn das Bild dieses Toren deprimieren müssen, denn wenn aller Anfang und alles Ende in dieser Null beschlossen liegt, wo ist dann die Belohnung, wo sind die Verdienste?
Wo ist die so heiß ersehnte Krone des Lichts, die der Neophyt manchmal meint, empfangen zu dürfen?
Dennoch wäre es ein Vorrecht, wenn der spirituelle Sucher in diesem Toren seinesgleichen fände.
Aber auch im Tarot findet er seinesgleichen nicht.
Er wird dem Magier, Karte Nr. 1, gegenübergestellt, und einen größeren Gegensatz gibt es nicht.
Dennoch sind sie eins.
Zusammen bilden sie DEN Menschen, äußerlich - innerlich.
Die zahlenmäßige Anordnung beweist dies bereits:
Die Karte Nr. 1 liegt neben der Karte Nr. 0, und so bilden sie gemeinsam die Zahl 10, die Zahl der Fülle.
Einer, der diese Symbolsprache verwirft, kennt die alte Sprache der Übertragung nicht.
So wie der Mensch zu einer Form erstarrte, heraufgezogen aus der Erde, so wurde der Klang zu einer Form: dem Wort, und wurden Ziffern die Zeichen von elektro-magnetischen Funken.
Jede Frequenz, die unsere Erde erreicht, erstarrt zu einer Form, so wie Gedanken Form annehmen und Impulse sich ausdrücken.
Nichts geschah zufällig.
Wer meint, alle Symbolik, alle Zeichen in das Reich der Phantasie zurückweisen zu können, weiß nicht, worüber er spricht.
Mit den Lichtsöhnen tauchten ebenfalls ein: elektro-magnetische Schwingungen von mancherlei Art, die sich über vielerlei Formen bekanntmachten: der Mensch begann zu sprechen, zu denken, er begann hervorzubringen und er gelangte zum Handeln.
Seine ganze Lebensoffenbarung bestand aus: Form, Klang, Farbe, Bildern.
Aus dem Nichts kam er und kamen ebenfalls seine Produkte: Worte, Ziffern, Bilder.
Er umgab sich mit den Schwingungen und den Ausdrucksformen, die ihm angepaßt waren.
Hermes erschuf die Bilder des Tarot, zu Form gewordene hohe Frequenzen, die den Menschen an eine ursprüngliche Lebenssphäre erinnerten.
Nach ihm kamen Weise, die seine Sprache erkannten und dieser die ihrige hinzufügten: ursprüngliche Kabbalistik, ursprüngliche Zahlenweisheit, Astrosophie.
Der Tor und der Magier bildeten DEN Menschen - während alle anderen Karten, in einem Kreis angeordnet, mit den ihnen entgegengesetzten Karten, die Zahl 5 bilden. Fünf ist die Zahl der Erfahrungen, mikrokosmische Geburtsstunden, das Wiedergeborenwerden in eine neue Phase.
Auch in der Chymischen Hochzeit von C.R.C. kommt diese Zahl oft vor:
Denken Sie nur an die 500 Schiffe, die er sieht.
Es ist nicht notwendig, die heutige Kabbala und die moderne Zahlenkunde zu studieren, um zu einer solchen Einsicht zu kommen.
Es geht nur darum, Vergleiche zwischen den Lehren zu ziehen, die aus einem Quell kommen - und wo sie übereinstimmen, da sprechen sie eine Sprache.
Wenn man zu den ältesten Quellen durchdringt, muß eine universelle Sprache zu erkennen sein.
Alle anderen Überlieferungen fallen dagegen ab - es sind Seitenwege, Spiele, so wie der Tarot zu einem Spiel wurde: In jeder Überlieferung verbirgt sich zwar ein Stückchen Wahrheit, aber man sucht nicht ein Stückchen Wahrheit, sondern DIE Wahrheit, und diese muß aus ihrer Vielzahl von Formen zu der Allgegenwärtigkeit, der 0, zurückgeführt werden.
Der Tor geht durch alle diese Bildnisse hindurch und kehrt von daher mit Weisheit beladen zurück, und gerade durch diese Weisheit kann er verrichten, was er verrichten MUSS.
Er gelangt zum Universellen: Wenn ich alles zu wissen oder zu entdecken meine, entdecke ich, daß ich nichts weiß und nichts besitze.
Und diese Schlußfolgerung ist die größte Torheit in den Augen der Menschen und die einfachste Weisheit bei Gott.
Sich auf diese weise Torheit stützend, kann der spirituelle Sucher seinen Stab des Herzens in die Hand nehmen, sein Hund - der intuitive Wächter wird ihm dann treu zur Seite stehen, und so wird er den ersten Schritt auf den Pfad der Einweihung setzen, umgeben von der Karte Nr. 1, dem Magier oder dem Priester.
Nur der wahre Priester ist ein Tor und nur der weise Tor ist wirklich ein Priester.
Das Blei wird zu Gold und darum verachtet das Gold das Blei nicht, denn dieses ist sein Geburtsgrund.
Der Tor stellt die geheimnisvolle Materia dar - das Chaos aus salzigem Wasser, aus dem der himmlische Mensch geboren werden wird.
Aus Gott gekommen, steigt er nieder, und seinen Lebensweg überläßt er der Hilfe, die er mitbekam: der Intuition, dem Stab des Herzens, und dem GEwissen, das seine Lebensnahrung bedeutet.