Geissblatt (je länger je lieber)
Gottes Liebe ist mir unentbehrlich geworden.

Verbirg das Gute, das du tust, sei wie der Nil, der seinen Quell verbirgt.
So ist denn der Prometheusmensch dabei, den schmalen Pfad zum Olymp zu besteigen, um die zwölf Berührungen des kosmischen Feuers zu erfahren.
Zuallererst begegnet er dem Willensfeuer, danach dem sich einbildenden mystischen Feuer und drittens dem sich bewegenden Feuer.
Es ist der Auftrag des steigenden Pilgers, sich in diesem sichbewegenden Feuer unbeweglich zu halten, sowohl emotional als auch intellektuell, während die Energie des sich-bewegenden Feuers in seinen ganzen Organismus eindringt, um dort eine Vorbereitung zu bewirken.
Die Unbeweglichkeit des Pilgers hat den Sinn, zu einer Konzentration von Energie zu kommen, in der das Feuer gebündelt wird.
Wenn er in sich eine konzentrierte Kraft verspürt, wird er in die Phase des bewahrenden Feuers hineingeführt, wodurch endlich ein sicheres Fundament in ihm entstehen kann.
Das Willensfeuer und das mystische Feuer begegneten einander im Herzen und bildeten gemeinsam einen Lichtbronn, erwärmend, erleuchtend, pulsierend. Hierdurch begann das Herz auf eine neue Weise zu arbeiten. Der Wille verschmolz mit dem Wunsch des Herzens, und die Gefühle reinigten sich in der kosmischen Energie, die alle niedere Einbildung auslöschte.
Das Herz, jenes wunderbare zentrale Organ, das sowohl über das geistige als auch über das natürliche Leben herrscht, sendet von dem Augenblick an einen ätherischen Impuls aus, der von allen Organen aufgefangen werden kann und sie zur Mitarbeit in einem Umwendungsprozeß veranlaßt, in dem der Geist die Herrschaft über Natur und Materie übernehmen wird.
Wenn das Herz in den Strom wärmender geistiger Energie aufgenommen ist, baut es eine Art ätherischer Rüstung, die den betreffenden Menschen gegen alle äußeren Angriffe beschirmt.
Daher gleiten Angst, Sorgen und Zögern von ihm ab, wenn er sich in ein Energiefeld aufgenommen fühlt, das wie ein Lichtmantel vom Mittelpunkt seines Körpers aus um ihn gebreitet wird.
Der kosmische Funke oder die Urflamme der Seele, die so eng mit dem Herzen in Verbindung steht, bekommt einen neuen Beschirmer: das Herz. Einen Beschirmer, der eigentlich der Führer des täglichen Lebens ist.
Denn was wäre das Leben, wenn sich das Herz vollkommen aus ihm heraushalten würde?
Ist ein Mensch ohne Herzenswunsch nicht unvollkommen?
Ist ein Mensch ohne großartiges Ideal, das aus seinem Herzblut genährt wird, nicht ein Geschöpf, das weder sich selbst noch das Ziel des Lebens kennt?
Ist es nicht tragisch, wenn ein Mensch nur existiert und nicht wirklich lebt?
Das Herz gibt dem Leben Inhalt, sei es zu einer guten, sei es zu einer schlechten Lebenserfüllung.
Das bewahrende Feuer enthält die Möglichkeit, die kosmische Energie tief im Innern des Menschen zu verankern, so daß diese niemals verlorengehen wird und man zu allen Zeiten daraus wird schöpfen können.
Solch eine unzerstörbare Sicherheit schenkt dem Pilger ein starkes geistiges Fundament, das ihm keiner mehr nehmen kann.
Er weiß sich gestärkt durch Dinge, die sein Nächster möglicherweise nicht sieht, doch die für ihn eine unumstößliche Tatsache sind. Diese geistige Sicherheit, durch die ein unaufhörlicher Strom kosmischer Energie in ihn eindringt, läßt ihn an eine unsichtbare, dennoch konkret tastbare Wahrheit glauben. Es wird niemals etwas ohne Widerstand erreicht.
Einer, der einen geistigen Pilgerpfad gehen will, ohne jedoch den Mut zu haben, die sich ihm in den Weg stellenden Widerstände zu überwinden, sollte lieber gar nicht erst mit einem solchen Weg beginnen, denn jede Überwindung muß erkämpft werden.
Es ist jener Kampf, den eigentlich der geistige Funke für den Menschen kämpfen muß, ohne daß man selbst mit seinem begrenzten Verstand, seinem unreinen Fühlen, seinem eventuell ehrgeizigen Ego oder mit seiner irdischen Gespaltenheit daran teilnimmt. Aber gerade dieses: für sich kämpfen lassen, ist für viele ein großes Hindernis.
Wenn die drei genannten Feuerbegegnungen hier nicht im Pilger liegen würden, wäre es schier unmöglich, das bewahrende Feuer zu stabilisieren, ohne daß das arrogante Ego auf die eine oder andere Weise eingreifen würde.
Die Angriffe von außen, über die Umstände und die Versuchungen der Ungeduld, konzentrieren sich auf die zu erwerbende Stabilisation. Der Widerstand will - vor allem anderen - verhindern, daß dieser Mensch ein Fundament legt.
Folglich muß er unruhig gemacht, müssen Zweifel in ihn gesät werden, Ablenkungen in den Bereich seiner Aufmerksamkeit gebracht werden. Er muß aus sich selbst herausgezogen werden, damit er sich spalte und in alle möglichen Interessen verliere, wodurch seine Aufmerksamkeit sich auf das Außen richtet, anstatt im Innen zu versinken.
Die in ihm aufsteigende Sicherheit des "auf dem guten Weg zu sein", muß unterminiert werden. Fragen werden in sein Denken eingebrannt: Welchen Weg? Was ist der Weg? Wer sagt dir, daß dieses der gute Weg ist? Bist du wohl würdig, einen geistigen Weg zu gehen? Brauchst du nicht einen Meister, der dich an die Hand nimmt?
Alle diese Fragen können den Pilger aus seiner Konzentration herausreißen, vor allem, da sie an das Herz appellieren. Gibt doch das Herz an, ob jemand "auf dem guten Weg ist"! Wenn das Herz sich friedlich, glücklich und energiegeladen fühlt, dann ist der Betreffende ohne Zweifel auf dem guten Weg, welcher Weg dies auch sein mag.
Wo dein Herz ist, dort wird dein Schatz sein.
Die Einmaligkeit des Menschseins bestimmt den sehr persönlichen Schatz für einen jeden Menschen. Über einen solchen individuellen Schatz kann man niemals streiten oder diskutieren. Es gibt nur einen Weg zu den Höhen der Götter, es gibt nur einen geistigen Olymp.
Doch kann dieser Berg nicht von allen Seiten erstiegen werden, und kann jeder Pfad nicht sein eigenes Gesicht haben?
Ab und zu gibt es Punkte, an denen man einander wahrnimmt. Das sind dann die Begegnungen mit Mit-Pilgern, doch im nächsten Augenblick kann eine folgende Biegung des Weges den Nächsten den Blicken entziehen.
Der Schatz des Herzens ist ein vielseitiger Schatz. Er ist wie ein Edelstein, der unter verschiedenem Lichteinfall unterschiedliche Farbnuancen zeigen kann. Darum kann es aber doch ein und derselbe Schatz bleiben.
Gleiche erkennen im anderen das Wesen dieses Schatzes, und darum werden sie Gleiche. Ungleiche schaffen Mißverständnisse und verfallen darum in Diskussionen in bezug auf die Farbschattierungen, wodurch sie sich an dem einen oder anderen zeitlichen und darum trügerischen Aspekt blindstarren.
In sich selbst eine geistige Sicherheit zu entdecken, kann Mut bedeuten; aber es kann auch zu einer erstickenden Decke werden, unter der das lebendige suchende Element erwürgt wird. Geistige Sicherheit zu besitzen, bedeutet denn auch keineswegs: geistig "angekommen" zu sein.
Sind wir jemals geistig "angekommen"?
Würde ein sogen. geistiges Erreichen nicht bedeuten, daß das geistige Sein ein Stillstand wäre, ein Schlußstrich, den wir nun endlich erreicht haben, in der einen Hand einen Überwindungszweig und in der anderen eine Medaille?
Das Leben ist Wechsel und Bewegung.
Die geistige Schule setzt sich fort bis in das geistige Gebiet, und auch dort gehen die Lehren weiter.
Wer ist jemals vollendet? Wird nicht auch der Weise jeden Tag geprüft? Ist das sog. "Ende" nicht dasselbe wie ein neuer Beginn?
Das bewahrende Feuer bewahrt den Menschen vor einem geistigen Vorbeiirren an Zielen, die ihn nicht belehren können, sondern ihn nur von seinem Vorhaben abbringen werden. Diese Phase verlangt eine wache Aufmerksamkeit.
Wieviele kommen geistig um in ihrer vermeintlichen Sicherheit, in der sie sich weigern, einen Blick auf neue weite Fernen zu werfen?
Das bewahrende Feuer hat eine beschirmende Funktion, doch es hindert den Menschen nicht am Weitergehen, am Fortschreiten.
Erstickende Sicherheit bedeutet, gefangen zu sein in der eigenen Meinung; sich niedersetzen auf einer bestimmten Höhe und niederblicken auf diejenigen, die am Fuß des Berges beginnen, aber sich weigern, zum Gipfel des Berges aufzuschauen, wo sich jene befinden, die der Gefahr des Erstickens-im-Eigenwahn widerstanden haben.
Jene, die die drei voraufgegangenen Phasen jedoch auf die richtige Weise durchstanden haben, sind mit dem freien Willen bewaffnet, der edlen Einbildung und der Energie eines sie durchziehenden geistigen Feuers.
Stabilisieren bedeutet dann: sich gründen auf eine geistige Kraft, die immun macht gegenüber Feigheit, Übermut, Zweifel. Ihre Sicherheit ist unantastbar aufgehoben im Denkfeld einer unsichtbaren Himmel-Erde, die sich um den betreffenden Menschen breitet.
Die Eifersüchtigen, die diesen Pilger mit leeren Augen weitergehen sehen und seine innere Stabilität leugnen, werden ihre Waffen schleifen, denn dieser Pilger ist ein gewaltiger Widersacher, weil er einen ungreifbaren und unangreifbaren Kern besitzt.
Wo ist seine Achillesferse?
Das Alte hat für ihn keine allzu große Bedeutung mehr. Er kann sich mühelos davon distanzieren; das Neue, das Geistige, Unsichtbare besitzt seine ganze Aufmerksamkeit.
Folglich muß der Gegenangriff auf dieses Geistige gerichtet sein, auf sein Bildendes Vermögen, auf sein ätherisches Fundament, auf seinen Glauben.
Seine Achillesferse liegt in seinem Glauben an die eigene Heiligkeit, an die geistige Sicherheit und an die innere Kraft. Hier liegen seine Stärke und seine Schwäche.
Selbstüberschätzung, Selbstheiligkeit, Selbstsicherheit können einmünden in eine Selbstverherrlichung, die den Betreffenden von einem Augenblick zum andern in den tiefsten geistigen Abgrund stürzen kann.
Die Angriffsmöglichkeit liegt in jenem subtilen Unterschied zwischen dem geistigen und dem stofflichen "Ich bin".
Seele und Ego können verwechselt werden.
Dienstbarkeit, Demut und Dankbarkeit können verwandelt werden in Herrschsucht, Hochmut und Selbstherrlichkeit.
Gibt es nicht viele, einst wertvolle Pilger, die sich in einem bestimmten Augenblick ihres Pilgerpfades vor die Brust schlagen, als ob sie Es erreicht hätten, als ob sie weise, heilig oder gerufen wären?
Wer ist oder wird gerufen?
Was ist ein Ruf, eine Berufung?
Wer versteht den himmlischen Ruf, der an die Seele gerichtet wird?
Welches Ego erfährt eine himmlische Berufung?
Muß nicht eine Seele angesichts ihrer harten und vor allem langewährenden Erfahrungen in einem ihr eigentlich fremden Lebensfeld fortwährend von Dankbarkeit erfüllt sein, da sie erkennt, allzeit behütet zu sein?
Wird sie nicht demütig bleiben, eben weil sie begreift, welch arroganter Willensimpuls sie von ihrem Schöpfer vertrieb und im "Chaos" experimentieren ließ, wie es so schön im Evangelium der Pistis Sophia gesagt wird?
Darum: Stehen Hochmut, Selbstüberschätzung und Selbstverherrlichung nicht in krassem Widerspruch zu dem, was eine gerufene Seele empfindet?
Einsicht führt zu Aussicht, und Aussicht führt zu Einsicht.
Das ist das Gesetz der Wechselwirkung. Wechselwirkung bedeutet Leben, Wachstum, Atmung.
Eine Mauer von Scheinheiligkeit um sich herum zu errichten, ist wie das sich-Einschließen in eine Zelle mit einer begrenzten Aussicht auf die Außenwelt, wobei man die so gewonnenen Erkenntnisse als die Wahrheit ansieht.
Eine "Rüstung von Licht anzulegen" ist wie der Beginn eines Weges, der mitleidloser, gefährlicher und erfahrungsvoller wird. Man empfängt eine Rüstung nicht ohne Grund. Einen Lichtmantel bekommt niemand, der bereits im Licht steht! Ein Lichtmantel ist da zum Schutze des wertvollen Pilgers.
Es bedeutet, daß ein gefahrvoller Pilgerweg beginnt und daß man nun selbständig, unter dem Schutze der göttlichen Waffenrüstung weitergehen kann. Es bedeutet auch, daß man sich der Glut des göttlichen Feuers nähert, das einen jeden verbrennt, der keine oder eine unzulängliche Waffenrüstung besitzt.
Das bewahrende Feuer wird für den Fanatiker zu einer selbsttötenden Waffe.
Die eigene Wahrheit als eine göttliche Wahrheit zu verherrlichen, verwandelt den Pilger in einen geistigen Selbstmörder. Das einmal so beseelende kosmische Feuer wendet sich gegen ihn, verbrennt ihn von innen her und vernichtet allen geistigen Adel.
Dann sieht man, wie dieser beklagenswerte Pilger Waffen schmiedet, um seine Nächsten zu verfolgen, wie er sein Schwert den Mitmenschen wie ein tödliches Instrument entgegenhält, das niemals heiligt, noch barmherzig ist, sondern immer zu vernichten trachtet.
Das Böse und das Unheilige vernichten sich selbst.
Jeder Pilger begegnet auf seinem Weg zum Olymp der Gefahr, daß durch ein böses Handeln das Gute verwandelt wird in das Böse, manchmal sogar, bei einer bewußt egozentrischen Tat, das Göttliche verwandelt wird in das Luziferische; das goldene Licht wird schwarzes Licht.
Das bewahrende Feuer knüpft an bei dem Wunsch nach Sicherheit, Besitz, Geborgenheit. Wenn die Begierde hier nicht bereits verwandelt wurde in das "was kommen muß, ist gut", würde ein leidenschaftlicher Begierdentrieb auflodern können, meistens verbrämt durch geistige Terminologien.
Begierde äußert sich auf vielerlei Weise und auf allen Ebenen. Geistige Begierde kann einen Menschen sich selbst zum Feind werden lassen.
Ist nicht das Streben nach eigener Heiligkeit, eigener Erlösung oder nach eigener Vollkommenheit Ursache aller möglichen religiösen Praktiken, die bizarre Formen annehmen können?
Viele Sucher sind bereit, große materielle Opfer zu bringen für einen sogen. geistigen Besitz.
Ist das Wort "Besitz" nicht ein Widerspruch zum Begriff "geistig"?
Der Geist ist frei. Freiheit kann man nicht besitzen. Wir können nur von solch einer Freiheit besessen sein. Wenn das bewahrende Feuer uns in Besitz nehmen will, ist keine Rede davon, daß wir den Geist besitzen, im Sinne eines Besitzes, den wir bewachen, beschirmen oder neidisch verbergen müßten. Gleiches kehrt immer zurück zum Gleichen, es bewahrt das Gleiche und bleibt in Wechselwirkung damit.
Anhäufung von Besitz macht ängstlich. Aber Angst und Geist schließen sich gegenseitig aus. Alles, was uns Angst einjagt oder Angst hervorruft, muß folglich ausgelöscht oder losgelassen werden, wenn wir weitersteigen wollen zum Gipfel des Olymp, auf dem die Lichtgötter wohnen.
Das bewahrende Feuer kann die egozentrische Einstellung des "Haben" hervorrufen, wenn der Kandidat nicht vollkommen vorbereitet ist.
Hier findet die Begegnung statt zwischen "Haben" und "Sein".
Das Besitzen des Heils muß einmünden in das Heiligsein.
Auf diese Weise vereinigt sich das Heil mit dem Heilig.
Das "Haben" ist wie eine Durchgangsbewegung zum "Sein". Das "heilige Bilder tragen" muß einmünden in die heiligende Praxis. Ein Mensch mit heiligen geistigen Bildern, von denen er durchströmt und beseelt ist, muß ein Ventil für die Kraft finden, die ihm aus diesen Bildern entgegenströmt. Ein wertvoller Pilger häuft keinen Besitz an, weil er ununterbrochen gibt. Das ist sein Fundament, seine Sicherheit, seine lebendige geistige Atmung.
Jede Prüfung, jede Konfrontation mit einem Aspekt des Kosmischen Feuers birgt die Gefahr in sich, den Namen "Prometheus" zu verlieren, seine Gabe des "Voraussehens" zu verlieren, die in seinem Namen verborgen liegt.
Er ist der Zwillingsbruder von "Epimetheus", dem "Zurückschauenden", und dieser Zwillingsbruder ist gleichsam sein Schatten, der die Erfahrungen aus jener Zeit wachhält, da er noch "im Schatten" stand, im Lichtlosen.
Aus der Vergangenheit muß man lernen, aber diese Vergangenheit darf weder das Heute noch die Zukunft überschatten, sie wird nur als ein Begleiter anwesend sein, auf daß man "nicht vergesse".
Weder Prometheus noch Epimetheus können für sich allein stehen.
Gibt es eine Vergangenheit ohne Zukunft?
Gibt es ein Heute, das nicht beladen ist von der Vergangenheit und aus dem die Zukunft wiedergeboren wird?
Während dieser Phase des bewahrenden Feuers versucht der Prometheusmensch seine inneren Sinnesorgane wachsamer, aktiver zu machen.
Wodurch?
Indem er sich gegenüber störenden Einflüssen von außen verschließt; indem er sich durch nichts geistig verunreinigen läßt und indem er sich unaufhörlich mit wertvollen geistigen Dingen beschäftigt. Er läßt den göttlichen Funken-in-ihm arbeiten und ihm eine beschirmende geistige Rüstung anlegen.
Doch diese inneren Aktivitäten halten ihn nicht ab von einem Weg nach oben, im Gegenteil, sie ermutigen ihn, weiterzugehen auf diesem sehr individuellen schmalen Weg.
Obwohl Demut in ihm ist wie ein lichtgesättigter Edelstein, heftet er seinen Blick doch unverwandt auf den Horizont, wo vom geistigen Olymp her das Feuer strahlt, an dem er seinen Holunderzweig entzünden will, um seinen Nächsten die Wirklichkeit des Ewigen Lichtes zu zeigen.
Es wird kein Hochmut in ihm sein, keine Arroganz, obwohl er sich durch dieses geistige Licht gerufen weiß. Führt eine hochmütige Selbstsicherheit nicht immer zum Schmieden einer seelenerstickenden Rüstung, wodurch der Austausch mit den Nächsten unmöglich wird?
Er ersteigt die Höhen um der Nächsten willen. Wie könnte er dann den Kontakt mit seinen Mit-Seelen zerbrechen?
Nein, Hochmut ist nicht in ihm, noch prahlerischer Eigenwahn, sondern nur der Edle Mut, der ihn drängt, weiterzugehen, obwohl sein intuitives Gewissen ihm sagt, daß er dem Leiden begegnen wird. Seine Auserwähltheit ist eine schwere Verantwortung für ihn.
Seine eigene kleine Lichtkraft ist ihm ein Führer, aber sie verblendet ihn nicht. Prometheus, der "Voraussehende", achtet nicht auf die Warnungen der Eifersüchtigen und Feigen. Er hält sein inneres Ohr nur gerichtet auf die Stimme des Lichtes in ihm und um ihn herum.
Diese sagt ihm: "Prometheus, du bist noch nicht angekommen auf dem Gipfel der geistigen Umwandlung, denn es warten noch acht weitere Begegnungen auf dich. In diesem Augenblick darfst du deinen Namen des "Voraussehenden und Vorausdenkenden" nicht verlieren, denn dann wird alles verloren sein. Alle deine Bemühungen werden zu schmerzlichen Erinnerungen werden, und du wirst nach und nach untergehen im Feuer des Eigenwahns und der Eigenliebe, das dich kalt machen wird, ungeachtet seiner Hitze.
Prometheus! Wende dich ab von dir selbst und erinnere dich deines Auftrages!" So klingt die Stimme, das eine Mal weit entfernt, dann wieder in der Nähe, aber immer gegenwärtig als ein mahnendes Läuten von Götterglocken auf dem Olymp.
Die vierte Phase ist eine Phase inneren Kampfes, weil der Pilger nun zu der Überzeugung gelangen wird, daß er absolut nichts mehr für sich selbst erbitten und verlangen kann. Er hat in den voraufgegangenen drei Phasen etwas hervorgebracht: Geistige Sicherheit. Diese Sicherheit wird er wegschenken an die "Welt", d.h. an alle anderen, die darum bitten; und er wird nichts anderes sein als der Schenkende.
Er selbst kann dadurch nur geläutert und gestärkt werden, als Pilger und als Seele.
Sein Name wird durch diesen inneren Kampf in ihn eingeätzt werden, tief in sein Herz, und wird dort schmerzlich weiterbrennen, während des ganzen Rückweges, als eine Erinnerung und als ein Heimweh, auf daß er niemals aufhöre zu gehen. Wenn er hier den Mut verlöre, wenn er hier seine Nächstenliebe schwächer werden fühlte oder zögern würde mit seiner Fesselung an den Felsen, dann würde sich das bewahrende Feuer von einem Augenblick zum anderen von Deus in Dämon verwandeln, in eine Kraft, die sich gegen ihn wendet.
Solch ein Prometheus, dessen Namen in sein Herz eingebrannt ist, wird sich nicht mehr hinter einer Autorität oder hinter einem Führer verbergen können.
Die volle Verantwortung für all sein Tun wird ganz auf seinen Schultern liegen, und er wird den Konsequenzen ins Auge sehen müssen. Es ist nun zu Ende mit jenem kindlichen und unreifen:
".....ich nicht, Herr, sondern er versagte, und darum strauchelte ich."
Ein Prometheus ist selbst verantwortlich.
Muß nicht jeder geistig reife Pilger auf einem so entscheidenden Pfad selbst verantwortlich sein?
Wozu empfing er sonst seinen Namen?
Zu diesem Namen gehören zwölf Aspekte, zwölf Phasen, zwölf Prüfungen, wonach die Überwindung der begrenzten Natur erreicht sein wird.
Das "Gerufenwerden" hat Vorteile, aber ebenso schwere Konsequenzen, die der schwache und unvorbereitete Pilger als Nachteile empfinden wird, weshalb er dann alsbald seine Schritte zu anderen Gebieten lenken wird.
Pilger, die ernsthaft auf dem gleichen Weg zusammengehen, können sich gegenseitig beistehen, obwohl es unter ihnen immer solche geben wird, die versuchen werden, sich von den anderen mitziehen zu lassen, oder die versuchen werden, durch eine Seitentür hereinzuschlüpfen, weil ihnen der Mut fehlt, durch die Haupttür einzutreten, wo jeder sie erkennt, wo das Licht scheidet und zurücksendet.
Es gibt kein Licht ohne Schatten.
Es gibt kein Leben ohne Tod.
Es wird keinen "Gerufenen" geben ohne seinen eifersüchtigen Widersacher.
Jene, die "voraussehen" und "vorausdenken", sind einander gleich, weil sie das kommende Leid und die kommenden Prüfungen bereits akzeptiert haben und in ihrem Nächsten eine gleiche Gemütsbewegung erkennen. Sie sind jene, die sich über ihre Einsamkeit niemals beklagen, noch über ihr Leiden, die Ungerechtigkeit und all die Prüfungen, die durch Unwissende zu ihnen kommen.
Die Klagenden sind die Unwissenden und die Schwachen.
Klagt ein Pilger, weil er den Weg zu den Höhen geht?
Nun, er kann sich in jedem Augenblick umwenden und wiederum seinem alten Weg folgen, denn dieser Weg zu den Höhen ist ein Auftrag für die innerlich Freien und Selbständigen.
Warum sollte ein sich von allem enthaltender Pilger klagen, daß er im Land der Materie so viel zurücklassen muß?
Wird von ihm nicht verlangt, daß er sich enthält, daß er "das große Fasten fastet"?
Pilger auf dem Weg zu den Höhen helfen einander mit ihren Erfahrungen.
Wer von ihnen sollte weiter sein auf diesem Weg?
Wer von ihnen sollte sich vor die Brust schlagen dürfen in reinem Übermut?
Kann nicht in jedem Augenblick ein Steinchen auf dem Weg einen von ihnen straucheln lassen, wo immer er auch stehen mag?
Wer am höchsten steht, wird am tiefsten fallen können.
Wenn sich die innere Sicherheit des bewahrenden Feuers im ganzen Wesen des Pilgers ausbreitet, bleibt ihm nur eine einzige Reaktion: Dankbarkeit.
Ein dankbarer Pilger beklagt sich nicht, ist nicht selbstzufrieden, verspottet seine Nächsten nicht, sondern hofft nur, daß auch sie dieselbe Herrlichkeit erfahren werden.
So kommt denn die mittelpunktfliehende Kraft in ihn, die alle umfassen wird.
Nach Kraftbündelung wird es nun Kraftausstrahlung geben. Zweifältiger Art ist seine Macht: negativ, in sich empfangend, positiv, aus sich selbst heraus strahlend, aussendend. Diese zweifache Wirkung versetzt ihn in die Lage, aus sich selbst hervorzubringen, eine geistige Frucht zu zeugen und zu gebären. Jeder ernsthafte Pilger weiß, daß von ihm Selbstopfer verlangt wird. Doch meistens bleibt dieses Wort ein Klang, ein Begriff, den andere ihm vorhalten, übertragen, der aber nicht sein eigener Besitz wird.
An diesem Punkt seines inneren Entwicklungsweges angekommen, wird er bemerken, wie sehr dieses Selbstopfer zu einer Wirklichkeit wird.
Nichts verlangen für sich selbst.
Keine einzige Form der Selbstbefriedigung.
Keinen Besitz, der ihn fesselt, versklavt.
Von allem, was er ist und besitzt, muß er sich in jedem Augenblick distanzieren können, wenn sein Weg dies verlangt.
Bindungen bedeuten Leiden, darum versuchen einige Pilger mutwillig, Bindungen zu zerbrechen, auf daß ihnen das Leiden erspart bleibe.
Doch so arbeitet das Kosmische Feuer nicht!
Wer Angst hat zu leiden, sollte besser auf seinem Weg umkehren. Wer keine Mühen oder Anstrengungen auf sich nehmen will, sollte lieber im Schatten seines Führers bleiben, damit dieser ihn gegen die intensive Berührung des Lichtes beschirme! Jedes Band löst sich zu seiner eigenen Zeit. Wenn es auf diese prozeßmäßige Weise geschieht, wird man bemerken, daß das sogen. Leiden kein Leiden ist, sondern nur eine leichte Traurigkeit.
Wer sagt, daß er leidet oder fürchtet, leiden zu müssen, leidet um des Leidens willen, das er fürchtet.
Es ist ein Scheinleiden, das ganz und gar nicht zu sein brauchte.
Das geistige Leiden wird vom wahrhaftigen Pilger nicht als solches erfahren. Was mühsam stirbt, leidet; was gerne von dannen geht, leidet nicht. Sollte die Begierde nach der Materie mühsam in einem Menschen sterben, so bedeutet das, daß man diese Begierde liebhat, umhegt und nur mühsam von ihr lassen kann. Die Zeit für diesen Abschied ist dann noch nicht gekommen.
Wenn die vierte Phase des bewahrenden Feuers durchstanden ist, ist ein fester Grund unter den Füßen entstanden. Jenes "aus sich selbst oder aus seiner Seele heraus an andere austeilen" kann nun allmählich seinen Anfang nehmen.
Mit dem Kosmischen Feuer zu arbeiten, bedeutet, alles geben und doch nicht entleert zu werden. Gehüllt in die Rüstung der inneren Sicherheit, geschmückt durch Treue, Ausdauer und Selbstopfer, tritt dieser Pilger dem Großen Feuer entgegen, und er weiß, daß das bewahrende Feuer im Begriff ist, sich umzuwandeln in das leuchtende Feuer, das sein erstes Versprechen an den Geist mit einem niemals verlöschenden Licht umkränzt.