Veilchen
Meine Seele bleibt treu, trotz Leiden und Tod.
Der Wille eines Menschen ist sein Paradies, aber er kann auch seine Hölle werden.
Wenn ein Mensch einen geistigen Weg gehen will und dies vor allem aus dem drängenden Wunsch heraus, sein Leben in den Dienst der Nächsten zu stellen, wenn er also nicht nur von einem enttäuschten, nach Selbstbefriedigung suchenden Ego gedrängt wird, wird er intuitiv wissen, daß er sowohl auf geistige als auch auf materielle Schwierigkeiten stoßen wird.
Die Loslösung aus der Umklammerung der Massen ist wie das Durchstoßen einer Eierschale, wodurch man immer intensiver mit dem eigenen wahren Kern konfrontiert wird.
Dieses braucht jedoch keineswegs Probleme mit sich zu bringen, wenn man nur den Namen "Prometheus" im richtigen Sinne gebraucht: der Vorauswissende, der Voraussehende oder Vorausdenkende.
Hierbei muß bedacht werden, daß diese Befreiung von der Herde die Aufmerksamkeit all jener Kräfte und Mächte auf sich lenkt, denen daran gelegen ist, daß die Masse grau, kritiklos, unwissend und folgsam bleibt.
Der mutige individualistische Einzelne weckt den Argwohn der mächtigen Organisationen, die von der Masse profitieren. Außerdem wird er zur Zielscheibe der Eifersucht all jener werden, die dasselbe möchten wie er, jedoch nicht die Kraft dafür haben oder dafür zu bequem oder zu ängstlich sind.
Ein Prometheus muß sowohl den Weg-empor zum Gipfel der geistigen Sicherheit kennen als auch den Weg-hinunter, zurück in das Tal der Schatten.
Wenn er festentschlossen den Holunderzweig in seine Hand nimmt, wird er alle seine Energie, sein ganzes inneres Verlangen zum Dienen, seinen Guten Mut und seinen Glauben gesammelt haben müssen, denn während dieses Weges-empor wird er die schwerste Feuerprobe durchstehen müssen.
Je höher er kommt, desto intensiver wird die Feuerkraft sein, und dieser muß er gewachsen sein.
Sein Herz muß Hitze und Licht ertragen können.
Jeder Mensch auf dem Weg zu den geistigen Höhen wird in diesen zwölf Begegnungen etwas von seinen eigenen Erfahrungen erkennen und infolgedessen wissen, an welchem Punkt er sich auf diesem Weg zum Gipfel des geistigen Olymp befindet.
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Der allererste Beginn liegt immer im Willen eines Menschen. Das Nicht-Wollen verurteilt jede Überwindung von vornherein zum Scheitern. Es bestehen unzählige Mißverständnisse in bezug auf die Bedeutung des Willens, weil Wünschen und Wollen so oft miteinander verwechselt werden.
Man kann etwas gerne wollen, ohne doch mit dem ganzen Herzen daran beteiligt zu sein. Es ist sehr gut möglich, etwas nur mit dem Verstand zu wollen, während das Herz mit ganz anderen Dingen beschäftigt ist.
Der Gute Beginn des Willens liegt im Sich-Öffnen des Herzens, wodurch eine wärmende sanfte Glut den ganzen Organismus durchzieht und man seufzen kann: "Ich würde das so gern wollen." Dann kann es geschehen, daß man sich ganz und gar mit diesem Wunsch vereinigt. Sich restlos mit diesem Wunsch zu identifizieren, heißt, von vornherein mit eventuellen Schwierigkeiten rechnen und dem, was im Schoße der Zukunft verborgen liegt, in Gleichmut entgegenzusehen, ohne jedoch der passiven und trägen Einstellung zu verfallen von: Laß Gottes Wasser nur über Gottes Acker fließen.
Die Begegnung mit dem Willensfeuer wird zu einer Prüfung des freien individuellen Willens.
Der Wille ist eine bewegliche Kraft in unserem Organismus, die man weder im Herzen noch im Denken noch in irgendeinem anderen Organ ansiedeln kann.
Obwohl einige Lehrer die Aufmerksamkeit der geistigen Sucher zuallererst auf den Willen lenken, auf die Übergabe, die Knechtung oder Beherrschung des Willens, bleibt dieser doch der größte Widerstand, dem der Mensch auf seinem geistigen Weg begegnen kann. Denn der Wille des Menschen kann durch Gewalt, Zwang oder künstliche Methoden zu einem Todfeind werden, der den Menschen aus allen Ecken und Winkeln von innen und von außen anspringen kann.
Die einzige Möglichkeit, diesem zu entkommen, ist Negation. Nicht ohne Grund berichtet die Urlegende, daß der "Fall Luzifers" nur deshalb geschehen konnte, weil die Seelen um Goltes Thron über einen freien Willen verfügten.
Hieran hat sich niemals etwas geändert, und dieser freie Wille bleibt eine unvergleichliche Gnade des Schöpfers gegenüber Seinen Geschöpfen.
Gibt es eine einzige religiöse Gruppe oder Bewegung, die ihren Anhängern den freien Willen ließe, wodurch diese sich von einem Tag auf den anderen in die größten Gegner verwandeln könnten?
Der Prometheusmensch ist einer, der seine Situation in dieser Gesellschaft erkannt hat und zu seinem ursprünglichen Sein als Lichtsohn oder Göttermensch zurückkehren will. Darum auch heißt er Prometheus, nicht wahr?!
Seine Anwesenheit hier auf der Erde, also fern von seinem ursprünglichen Zuhause, dem Götterreich, ist die Folge eines Experimentes seines freien Willens. Hierdurch vermischte er sich mit den irdischen Wesen und wurde infolgedessen durch das Irdische verunreinigt.
Der erste Schritt zu diesen Götterhöhen liegt also ganz eindeutig bei dem freien Willen.
Der Mensch muß sich ehrlich Rechenschaft darüber ablegen, was er im Grunde seines Herzens will, ob sein ganzer Organismus zusammen mit Herz und Seele harmonisch mit seinem Willenswunsch übereinstimmt.
Kein Prometheus kann gefesselt, unter fremdem Zwang, an seinen Ketten fortgeschleift, den Berg ersteigen. Und so wird er seine Freiheit wiederum ergreifen müssen. Eine Freiheit, die ihm die Verantwortung auferlegt, gut vorbereitet und gegen seine Angreifer gewappnet und durch sein Vorauswissen erleuchtet, mit diesem heiklen Unternehmen zu beginnen, das einzig und allein von seinem freien Willen inspiriert wird, der wiedererwacht ist in einem Urverlangen oder einem Seelenwunsch. Die erste Prüfung, die das Leben diesem Prometheus-Pilger auferlegt, entfacht sein Verlangen. Werden nicht alle geistigen Sucher bei ihrer ersten geistigen Entdeckung von dem Wunsch beseelt, mehr davon zu erfahren?
Geraten sie danach nicht in die große Versuchung, ihren Willen mit einzuschalten, damit "alles ein bißchen schneller geht"?
Beginnt der ungeduldige Mensch nicht immer einen Wettkampf mit der Zeit, obwohl diese in Wirklichkeit eine Fiktion ist, vor allem dann, wenn man es mit geistigen Dingen zu tun hat?
Es wird für einen Prometheusmenschen, der seinem Herzenswunsch wirklich folgen will, unmöglich, noch länger ein Theoretiker, Lügner oder Scheinheiliger zu bleiben, denn eine solche Haltung wird ihn am Ende innerlich zerreißen. Es kommen Lebenserfahrungen, die ihn drängen zu bekennen, wer er ist, was er ist und welche Motive ihn bewegen.
Er steht auf dem Kreuzungspunkt zweier Wege, dem philosophisch-theoretischen Weg oder dem praktischen Weg.
Um das Risiko des praktischen Weges ertragen zu können, wird er die Erfahrungen seiner Vergangenheit mit Bedacht ausgewählt, die Weisheit daraus extrahiert und den Ballast über Bord geworfen haben müssen.
"Viele sammeln Erfahrungen, aber nur wenige extrahieren daraus Weisheit", lautet ein alchemisches Wort. Und dieser Prometheusmensch, der im Begriff ist, seine erste Feuerprobe abzulegen, wird dies am eigenen Leibe erfahren.
Obwohl viele Erfahrungen seinen Weg kreuzten, zählt in diesem kritischen Augenblick nur das, was in Herz und Seele eingebrannt wurde.
Auf der Basis dieser eingebrannten Erfahrung beginnt er zu urteilen, auszuwählen, einen geistigen Weg zu gehen.
Der mutige geistige Bergbesteiger, erwärmt und inspiriert von seiner inneren Aurora, die sein Herz heilt und erfreut, sieht plötzlich einen vollkommen anderen Lebensweg vor sich liegen, voller Überraschungen, Entdeckungen, Höhen, Tiefen, Gefahren und einschneidenden Entscheidungen.
Er weiß nun wieder, warum er lebt. Er hat einen Auftrag gefunden, eine Aufgabe, die ihn mit Freude erfüllt, die den Einsatz seines ganzen Wesens, seines Herzens, seiner Seele und seines Lebens verlangt. Der intensive Wunsch, seinen Auftrag zu erfüllen, geht von ihm aus und wogt wie ein Lichtkleid um ihn her, das ihn hinaushebt über die grauen Geschöpfe, die ihre Langeweile in einem Übermaß menschlicher Erfindungen zu ertränken suchen, die dennoch alle geistlos und lichtlos bleiben. Er sieht den Weg zum Gipfel des geistigen Olymp vor sich liegen, und er vernimmt kaum die erregten Stimmen der Mächte, die ihn ihrem Zugriff entschlüpfen sehen: "Willst du wirklich einen solch schmalen Pfad gehen?" "Willst du wirklich an den Felsen gefesselt werden, wo die Raubvögel dein Leben auspicken?
Willst du das wirklich, Prometheus?"
Der Klang dieses Namens hallt durch die Nacht, in der nur seine winzige innere Flamme und die Wärme seines Wunsches ihm Trost spenden. Und es ist, als ob dieser Name ihn aus einer Lethargie weckt.
Eine Erinnerung wird in ihm wach, ergreift seine Seele, pocht an sein Herz. Der Sohn der Götter hat seinen Namen wiedererkannt: "Prometheus!"
Darum antwortet seine Seele wie ein Echo auf die Frage, ob er will: "Ja! Ich entzünde diese Fackel, auf daß Licht da sei für meine Nächsten!"
Auf diese Weise muß jeder geistige Sucher den Weg zur verborgenen Weisheit gehen.
Der Mensch, der sich für geistige Dinge zu interessieren beginnt und sich ernsthaft auf seinen Lebenswandel besinnt, kann dessen sicher sein, daß sich plötzlich alle möglichen Umstände gegen ihn kehren werden. Es scheint, als ob alles sich verbündete, um ihn von einer Umwendung abzuhalten.
So kann es denn auch bisweilen sein, daß dieser erwachende Prometheusnachfahre seufzt: "Es scheint, als ob niemand will, daß ich mich geistig orientiere. Meine Familienangehörigen, meine Kollegen und alten Freunde scheinen mir gegenüber mit einem Male feindlich gesinnt oder tauchen, im Gegenteil, just in dem Augenblick bei mir auf, da ich im Begriff war, esoterisch-spirituelle Vorträge zu besuchen.
Dies ist eine typische Erscheinung, der fast jeder geistig ernsthaft Interessierte begegnet, und die viele dazu bringt, sich wieder in die alten Gewohnheiten zurückfallen zu lassen, die nicht so viel Widerstand aufriefen. Sogar Menschen, die mit dem Rauchen aufhören oder eine vegetarische Ernährungsweise befolgen wollen, werden diese typischen Widerstände in ihrer Umgebung erfahren.
Es gehört zu der natürlichen und geistigen Entwicklung, daß Überwindung durch die Widerstände hindurch erlangt werden muß. Ein Wachstumsprozeß verlangt die Reibung oder Bewegung zweier Gegensätze; die Pflanze bekommt ihren charakteristischen Widerstand auf Grund ihrer Umstände.
Der Mensch müßte dieser gleichen Entwicklung folgen, doch er ist davon abgeirrt, da eine vollkommen falsche materielle Entfaltung ihn seiner natürlichen und geistigen Fähigkeiten beraubte.
Sobald vom lnnern des Menschen aus der Wunsch aufflammt, sich geistig zu entfalten, was an einer bestimmten elektro-magnetischen Schwingung zu erkennen ist, die im aurischen Feld des Betreffenden frei wird, formen sich die Umstände entsprechend und scheinen zu einem Test zu werden, durch den der Mensch seinen Ernst, seinen guten Willen und seinen Wert beweisen kann.
Sind es nicht immer die harten Umstände, die uns zwingen, alles zu geben, was wir in uns haben?
In solchen Augenblicken gilt das Recht des geistig Stärkeren und würden die innerlich Schwachen auf der Strecke bleiben, wenn ihnen nicht von den Stärkeren geholfen würde.
Am Beginn des Weges zur verborgenen Weisheit wird der Pilger auf die Intensität seines Willensfeuers hin geprüft. Inwieweit ist dieses rein, spirituell, und vor allem dienend?
Das Feuer-Element kann sehr destruktiv werden. Ein unreines Willensfeuer kann zu einem vernichtenden, grausamen und schonungslosen Fanatismus führen. Egoistische Motive verunreinigen das Willensfeuer.
Tief im Herzen verborgene Abneigung gegen die Konsequenzen der Spiritualität verführt den Menschen zu einer Anspannung des Willens, meistens stimuliert durch den einen oder anderen geistigen Führer, an den sich dieser Mensch geklammert hat, obwohl er meint, ein autonomes Individuum zu sein.
Solch ein Willenseinsatz gegen die Wünsche des Herzens verursacht Disharmonie in Körper und Seele; die Sprechzimmer der Psychiater sind voll mit solchen Menschen.
Erst wenn Herz und Wille, Ego und Seele, zu gegenseitiger Übereinstimmung gekommen sind, kann der Weg weitergegangen werden, nicht eher.
Zu frühzeitig unternommene Bemühungen stranden immer in allen möglichen Methoden, um das Herz zu betrügen und den Willen dermaßen zu vergewaltigen, daß das Endresultat nichts anderes ist als eine vollkommen widernatürliche Lebensweise, in der von einer Harmonie zwischen Natur oder Mensch, Seele und Geist keine Spur mehr zu finden ist.
Harmonie liegt nicht in der Unterdrückung, sondern gerade in der Entwicklung des Schwachen, so daß es gleichwertig wird. Willenstraining beruht letztlich auf der Vorstellung, daß das Natürliche, das Körperliche und das Empfindsame oder Negative, Weibliche, geführt oder beherrscht werden müsse durch das Geistige, das Männliche oder das Positive.
Doch die geistigen Verhältnisse gehen nicht aus von der Macht des Stärkeren, sondern von der Einheit der Gleichwertigen. Dem Schwachen muß geholfen werden, damit es stark wird, doch es darf niemals vom Starken abhängig gemacht werden, wodurch es daran gehindert würde, eine selbständige eigene Existenz zu führen. Überall in der heutigen Gesellschaft sehen wir diese Abhängigkeiten.
In vielen Lehren und Methoden finden wir dasselbe: Was wir als "schwach" ansehen, muß sich dem "Starken" unterwerfen. Von einem freiwilligen und harmonischen Zusammenspiel ist dann natürlich keine Rede mehr. Jahrhundertelang wurde der allergrößte Teil der Menschheit nämlich mit der Vorstellung erzogen, daß das Schwache das Schlechte, und das Starke das Gute sei. Mit anderen Worten: Das Negative ist das Schlechte, das Positive ist das Gute; manchmal auch übersetzt als: Das Weibliche ist das Schlechte, das Männliche ist das Gute; auf einer solchen Vorstellung konnten natürlich die Hexenverfolgungen gut gedeihen. Dies ist eine tiefverwurzelte Anschauung, die absolut a-spirituell und einer Entwicklung zum Prometheusmenschen ganz sicher entgegengesetzt ist!
Deshalb liegt der einzig wahre Beginn des Weges der verborgenen Weisheit im autonomen freien Willen, der sich mit dem Wunsch des Herzens und mit dem Urverlangen der Seele identifiziert und mit dem der Wille des Egos übereinstimmt.
Der Ego-Wille ist nichts andres als ein instinktiver Selbstbehauptungstrieb, absolut natürlich, aber infolge der Entartung des natürlichen menschlichen Lebens manchmal ausgewachsen zu einer gewaltigen Macht oder zu sklavischer Unterwürfigkeit. Diese drei innewohnenden Kräfte: Herzenswunsch, Seelenverlangen und Ego-Wille arbeiten so eng zusammen, daß dieser Mensch mühelos eine bestimmte Wahl treffen kann, so wie er eigentlich auch sein gesellschaftliches Leben von diesen Drei hätte bestimmen lassen müssen, was jedoch kaum mehr der Fall ist.
Einer ganz grundsätzlichen Entscheidung kann man jedoch nicht entkommen, wenn man ein geistiges Resultat erreichen will.
Kompromisse führen immer nur zu unzureichenden und dadurch unbefriedigenden Ergebnissen.
Fanatismus bringt demgegenüber Vernichtung; und Vernichtung ist dem Geist unbekannt.
Die immer wiederkehrende Schwierigkeit, derzuliebe so viele suchende Seelen einen Umweg machen, besteht darin, zwischen diesen scheinbar entgegengesetzten Mächten die Mitte zu finden. Im Grunde gibt es natürlich einen verbindenden Nenner: der Geist.
Die Liebe zum Geist macht aus dem Herzen einen spirituellen Geburtsschoß, führt die Seele zu geistiger Ekstase und bringt den Ego-Willen zu Anbetung und Ergebung und folglich zu einer ganz natürlichen und selbstverständlichen Übergabe an das Göttliche.
Innerhalb dieser Drei-Einheit kann keine dieser drei Mächte entbehrt werden. So wird denn auch, selbst zu Beginn, keine Rede mehr sein von einem mühsamen Kampf, bei dem das Ego die Materie umklammern und festhalten will, die Seele sich in allerlei Scheinspiritualität verirrt und das Herz nichts anderes sucht als Heilung für seine emotionalen Wunden.
Ein Prometheusmensch hat den Einsatz seines ganzen Wesens nötig, um den schweren Gang zu den Höhen vollbringen zu können. Folglich läßt er sich nicht durch die Beschäftigung mit Nebensächlichkeiten ablenken, die in Wirklichkeit nichts mit Spiritualität zu tun haben.
Einer, der auf diese Weise von einer dreifältigen Harmonie beseelt wird, läßt sich nichts suggerieren, durchschaut die raffinierten Methoden der Scheinheiligen und weiß sehr gut, was wahre Freiheit bedeutet.
Freiheit zu kennen im Denken, Fühlen und Wollen, bedeutet, in jeder Minute des Tages und der Nacht die Konsequenzen der eigenen Aktivitäten anzunehmen und vor allem die Herrschaft über sie zu behalten. Ins Reine zu kommen mit dem eigenen Wunsch und Willen, das ist etwas, das dem Menschen vollkommen fremd geworden ist.
Das bedeutet jedoch nicht, daß sich in den geistigen Entwicklungsphasen der Seele etwas verändert hätte als Folge dieser degenerierten und vor allem materialistischen Denkweise der Menschheit.
Der Geist ist bis auf den heutigen Tag immer derselbe geblieben, die Veränderungen liegen ausschließlich in den menschlichen Verhaltensweisen.
Die erste Feuerprobe ist dem Willen vorbehalten.
Überschätzt dieser sich selbst?
Ist er der Sklave eines kranken Egos?
Ist er so arrogant, daß er sich mit dem göttlichen Willen messen will?
Wenn in diesem frühen Beginn der wahre Platz des Willens in Ego und Seele nicht erkannt wird, kann er in einem späteren Stadium zu einem alles verbrennenden Feuer werden, das alle erreichten Überwindungen auf einen Schlag vernichten kann.
Der Wille ist eine Energie, er ist eine Feuerkraft.
Aber auch der Geist ist Energie, jedoch ist diese Energie von einer ganz anderen Art.
Wenn der Wille dieses geistige Feuer nicht ertragen kann, wenn er sich dadurch provozieren, aufpeitschen läßt zu Widerstand, führt dies zu einer Katastrophe.
Der Geist bedient sich des Herzens, der Seele und des Willens, wenn Er Seinen Lichtsohn oder geistig Wiedergeborenen in Besitz nehmen will.
Es muß also eine gleiche Schwingung als Anknüpfungspunkt in Wille, Herz und Seele vorhanden sein. Dieser gleichwertige Berührungspunkt liegt im Wunsch des Herzens, der mit der Seele übereinstimmt und dem sich der Wille unterworfen hat.
Viele Menschen ziehen sich aus der Spiritualität zurück, weil ihr Herzenswunsch zu schwach war, um sie zu inspirieren und geistig zu motivieren, wodurch ihre innere Zerrissenheit, die gegenseitige Disharmonie zwischen Seele, Herz und Wille, unerträglich wurde.
Einer, der ein nach geistigen Dingen sich sehnendes Herz hat, ausschließlich inspiriert von der Liebe seiner wiedererwachten oder wiedererwachenden Seele, ist bereits so sehr verändert, daß er die Willensprüfung mühelos durchstehen kann.
Auf die Frage: "Was willst du eigentlich?", kennt man dann nur noch eine Antwort: "Dem Geist dienen, wie auch immer!" Dann widmet er seinem eigenen Wohlergehen, weder geistig noch körperlich, keinen einzigen Gedanken mehr. Er kommt nicht einmal auf die Idee, daß er selbst dadurch vielleicht in schwere Umstände und Probleme kommen könnte.
Durch diese Einstellung werden sich dann auch, entsprechend den geistigen Gesetzen, eventuelle künftige Probleme auflösen, noch ehe sie ihm schaden konnten.
Dies weiß ein Prometheus, ein Voraussehender, im voraus!
In ihm hat sich die notwendige Harmonie zwischen Übergabe, Autonomie und Energie vollzogen, ohne daß er dafür widernatürliche Anstrengungen hätte auf sich nehmen müssen.
Er steht am Guten Beginn, und er fragt nicht nach dem Ende.
Liegt nicht dieses Gute Ende bereits im Guten Anfang verborgen?
Von ihm wird niemals gesagt werden können, wie es im apokryphen Thomas-Evangelium heißt:
"Ihr fragt mich nach dem Ende und kennt doch den Beginn noch nicht!"
Die mystische Umwendung, von der in der Chymischen Hochzeit gesprochen wird, ist im Begriff, sich in ihm zu vollziehen, am symbolischen Ostermorgen, der Zeit der Wiederauferstehung von Chrestos, dem Wiedergeborenen.
Der Ego-Wille hat teil an dieser Umwendung, wodurch sich der fanatische Durchsetzungstrieb umwandelt in ein Mitbewegen mit dem vollständigen Wachstumsprozeß von Mensch und Seele. Hier kann man wohl sagen, daß jenes urchristliche "nicht mein Wille, sondern Dein Wille geschehe", in geistigem Sinne vollbracht wird, ohne daß dieses zu einer sklavischen geistigen Abhängigkeit führt, bei der der Wille ausgeschaltet wird, wie man es in vielen religiösen Organisationen findet, die die "Übergabe des Willens" verlangen.
Im Gegenteil, jetzt ist die Vernunft an der Reihe, eine Feuerprobe zu durchstehen, denn ohne das bewußte Erkennen des Warum und des Zieles ist eine praktische Überwindung nicht möglich.