X - Das Hexen-Einmaleins


Du mußt verstehn! 

Aus Eins mach' Zehn, 

Und Zwei laß gehn, 

Und Drei mach' gleich, 

So bist du reich. 

Verlier' die Vier! 

Aus Fünf und Sechs, 

So sagt die Hex', 

Mach' Sieben und Acht, 

So ist's vollbracht: 

Und Neun ist Eins, 

Und Zehn ist keins. 

Das ist das Hexen-Einmaleins. 


In Goethes Faust finden wir einen seltsamen Vers, der in der Szene: Hexenküche von der Hexe zitiert wird. Dieser Vers enthält die ganze Symbolik der Zahlen von 1 bis 10 und weist auf den tiefen spirituellen Hintergrund der Zahlenlehre hin. 

Der Vers soll ursprünglich in einem alten Lateinbüchlein gestanden haben, das Goethe einst in die Hände fiel. Wahrscheinlich ist es ein Überbleibsel aus einer alten spirituellen Lehre. 

Die ersten Zeilen des Hexen-Einmaleins lauten wie folgt: 


Du mußt verstehn! 

Aus Eins mach' Zehn. 


Bereits durch diese ersten Zeilen öffnet sich dem spirituellen Beobachter eine Welt voll Weisheit: "Aus Eins mach' Zehn....." Zwischen den Zahlen Eins und Zehn befinden sich die Zeichen, die - symbolisch betrachtet - die Hindernisse auf dem spirituellen Einweihungsweg angeben. Wenn es einem Menschen gelingt, aus der Eins eine Zehn zu machen, dann haben seine Unwissenheit, seine Sorgen, seine Schwierigkeiten und sein spirituelles Suchen ein Ende gefunden. 

Die Zahlen zwischen Eins und Zehn umfassen das ganze Elend des Menschen, seine Probleme, seine spirituellen Verführungen und seine geistigen Prüfungen. 

Die Zahlensymbolik war von altersher eine Geheimsprache, die bereits von Hermes Trismegistos, dem legendären ägyptischen Weisen, benutzt wurde, auf den vor allem die Alchemisten ihre Lehren zurückführen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, daß die Zahlenlehre übereinstimmt mit jenem uralten Einweihungsbuch des Frühmittelalters, dem Tarot, der ebenfalls Hermes Trismegistos zugeschrieben wird. 

Der Mensch, der sich nur mit den äußeren Formen beschäftigt, die Zahlen als arithmetische Zeichen sieht, den Tarot als Wahrsagespiel benutzt und sich weigert, die verborgenen Ziele hinter den äußeren Formen zu untersuchen, wird niemals zur Geheimsprache aller Zeiten durchdringen, der Sprache, der sich die alten Priester bedienten in einer Zeit, als spirituelle Werte nur Einzelnen vorbehalten waren, die sich der Mühe unterziehen wollten, das geistige Geheimnis zu entschleiern. 

Der Anfang des menschlichen Lebensweges liegt in der Eins beschlossen. Das Schriftzeichen dafür ist eine aufrechtstehende Linie: 1. Diese direkt nach oben führende Linie ist das Symbol der Kraft in der Natur, der Lebensenergie, die ständig durch den Blumenstengel und den Baumstamm strömt. Die Blume, die Kornähre, der Grashalm und die mächtige Eiche halten sich mit Hilfe dieses aufsteigenden Lebensstromes hoch aufgerichtet. 

Die Eins ist darum immer das Symbol der Kraft, sowohl als abwehrende wie auch als angreifende Kraft. Mit Hilfe dieser "Eins" versorgt sich jedes Geschöpf mit Lebenskraft und dadurch gleichzeitig mit Mut, Ausdauer und Durchstehvermögen. Die Blumen, die das erste Sonnenlicht dadurch begrüßen, daß sie sich auf ihrem Stengel aufrichten, ehren auf diese Weise ihren Schöpfer, durch welche stolze Haltung sich ihr Adel beweist. Die Eins ist nämlich sowohl das Symbol des Hochmuts als auch des Adels. Hochmut in der heutigen Bedeutung des Wortes ist eigentlich eine Entartung der beiden Worte: Hoher Mut. 

Ein sehr egozentrisches Wesen änderte den "hohen, edlen und geistigen Mut" in den abstoßenden Hochmut von heute: die kalte Abwehr durch die Eins. Nichts ist isolierter in sich selbst als diese egozentrische Eins, dieses hochmütige Ego, das sich bemüht, sich auf der Spitze eines selbst aufgeschütteten Berges aufrecht zu halten, indem es alle und alles um sich her erniedrigt und von sich abstößt. 

Die Eins ist mit dem Magier aus dem hermetischen Tarot zu vergleichen, aber kann ebenso als der Zauberer des mittelalterlichen französischen Tarot bezeichnet werden. Die unwissende Menschheit machte im Laufe der Jahrhunderte aus diesem edlen Magier einen lächerlichen Zauberer, oder aus dem edlen, geistig orientierten Menschen einen kläglichen Egoisten, der keinen Kontakt mit seiner Umgebung halten kann. 

Die Eins ist zwar der Anfang des menschlichen Lebensweges, aber gleichzeitig auch der Anfang der Wiederkunft des Menschen, der Wiedergeburt des geistigen Menschen, der die Geheimsprache der Priester versteht und sich mit Hilfe der kosmischen Lebensenergie, die ihn zu einem unüberwindlichen Menschen macht, dem Himmel zuwendet. Dieser Mensch als die geistige Eins erträgt alle Lebensstürme, alle Schwierigkeiten, alle Enttäuschungen. Er ist aus der Null geboren, dem ewigen Urfeld, der großen Unbekannten, die von den menschlichen Sinnen nicht wahrgenommen werden kann. Aus dieser Null nahm er die Kraft der eingeborenen Eins oder der kosmischen Energie mit. 

Die Null, so hört man die Menschen sagen, ist keine Zahl. Das stimmt; sie ist ein Geburtsfeld, die Gebärmutter der Ewigkeit. Null ist nichts und doch alles. Die Null ist ohne Anfang und ohne Ende. So wie ein Kind aus der eiförmigen Gebärmutter seiner Mutter geboren wird, so kommt der geistige Mensch aus jenem ewigen Geburtsfeld des kosmischen Quells hervor. 

Dieser kosmische Quell ist Zwei in Eins: Vater und Mutter. 37) 

Die "Vater-Mutter der Lebenden", so sprachen die Alten diesen Urbronn an. Auf Erden kennt man diese Zwei-in-Eins nicht. Man kennt eine Eins und eine Zwei oder zwei Egos, die versuchen, sich zu einer Einheit zusammenzufügen. Aber alle Vereinigung auf Erden ist zeitlich. Die Eins macht sich immer wieder frei, um selbständig zu werden, formt die Basis, auf der alle folgenden Zahlen sich befreien. 

Alle sichtbaren Formen sind in erster Instanz aus der Null hervorgekommen. Entlang den Linien der Eins wurden sie zu denjenigen, die sie sind. Solange der Mensch noch eine Null ist, ist er niemand. Der Ausdruck: "Er ist eine Null!" sagt genug. Wer eine Null ist, der ist keine Eins. Er ist für die Außenwelt noch verborgen, im sichtbaren, materiellen Gebiet noch nicht geboren. Daher kommt es auch, daß der Ausdruck: "Er ist eine Null!" besagt, daß ein solcher Mensch unter den anderen Egos nicht mitzählt. In der auf das Ego abgestimmten Gesellschaft kann eine "Null" sich nicht behaupten. Ein solcher Mensch wird zur Zielscheibe für den Spott seiner Mitmenschen, obwohl er meist den Wert der Null oder der wirklichen Eins gar nicht kennt. 

Sprichwörter basieren oft auf alter Weisheit, die im Laufe der Zeit verlorengegangen ist. Der Augenblick, in dem die Eins aus dem ewigen Geburtsfeld der Null im sichtbaren Lebensgebiet erwacht, ist der Beginn des wirklichen Lebens. 

Das Neugeborene ist noch keine Eins. Sobald das Egobewußtsein im Kind ersteht, fängt es an, mit der Eins zu arbeiten, die sich aus der Null ENT-wickelt, LOS-wickelt. Je stärker diese Kraft der Eins ist, desto selbstbewußter wird das Kind. Im Laufe der Jahre wird an dieser Eins gehobelt; sie wird geprüft; sie wird erwachsen. Solange aber diese Eins nicht erwachsen ist, kann der Mensch kein wirklich selbständiges Leben führen. 

Es gibt zwei Einsen: eine geistige und eine materielle. Nur diejenige Eins oder derjenige Mensch ist erwachsen, der beide Einsen in sich zusammengefügt oder zwischen beiden seine Wahl getroffen hat. Man kann nicht sowohl Magier als auch Zauberer sein; man ist immer nur eins von beiden. Niemand kann zwei Herren dienen (Matth. 6,24), ohne selbst davon die nachteiligen Folgen zu erfahren. 

Spirituell gesehen, durchschneidet diese Eins wie der vertikale Balken des Kreuzes die Widerstände dieser Natur oder das Lebensfeld dieser Natur, genau wie der Mensch sich wie eine Eins in diesem horizontalen natürlichen Lebensfeld aufrecht halten muß. Der so viel zitierte und diskutierte "Kreuzweg" wird hierdurch bereits vorgezeichnet. Der Mensch, der sich auf den Weg zum Himmel macht, wie es einer würdigen Eins geziemt, indem sie sich wieder mit der Null vereinigen will, durchschneidet das horizontale Lebensfeld, lebt hindurch, darüber hinaus. 

Wegen dieser Eins, die aus der Null gefallen ist, kamen die folgenden Zahlen von Zwei bis Neun ins Dasein. 

"Aus Eins mach' Zehn ", sagt die weise Hexe, was bedeutet: Stelle dich wieder an die Seite der Null, der Ewigkeit oder des Geistes! Kehre zurück in die Ewigkeit! 

Für diejenigen, die ihren Rat annehmen, beginnt dann der mühsame Lebensweg längs all der Barrikaden und Fallstricke der folgenden Zahlen. 

Jeder Leser des Faust grübelt über diesen Zahlenvers nach. Ursprünglich hieß dieser Reim nicht "Hexen-Einmaleins", sondern "Sechsen-Einmaleins" - ein Hinweis auf die Zahl Sechs 38), die auf dem Lebensweg des Menschen entscheidend ist. 

Sechs ist die Zahl der Venus, die als Führerin in dieser Natur betrachtet wird, aber auch als verführerische Hexe, die mit ihrem strahlenden Äußeren den mühsam vorankommenden Pilger verführt. Diese Symbolik findet man so treffend in der Chymischen Hochzeit Christiani Rosencreutz 39) wieder, worin derjenige, der die Venus anschaut, verpflichtet ist, den Auftrag des Torhüters zu übernehmen. Auch im hermetischen Tarot ist es die Venus, die Osiris Prüfungen auferlegt, um festzustellen, ob er erwachsen genug ist, die Phase der Karte Sechs: die Entscheidung, durchzustehen. 

Im Buch Genesis (1.Mos. 1,27 -31) wird berichtet, daß Gott den Menschen am sechsten Tag erschuf, und zwar mannweiblich, 40) nach Seinem Bilde, wozu im Buch der Geheimnisse Henochs hinzugefügt wird: " ..... und Ich gab ihm (Einzahl!) eine Seele von Meinem Geist und dem Wind." 41) 

Sechs ist die Zahl des würdigen Menschen, des wirklichen Magiers 42) oder der geistigen Eins. Für ihn wurde einmal das Hexen-Einmaleins niedergeschrieben. Nur die wirklich geistige Eins versteht den tiefen Inhalt dieses "Unsinns". 43) 

Zu den beiden ernsthaft lauschenden Faust und Mephisto sagt die Hexe weiter: 


Und Zwei laß gehn, 

Und Drei mach' gleich. 


Wenn der Mensch wirklich eine Eins geworden ist, die sich durch die Kraft ihrer geistigen Energie erhebt, wird er unzweifelhaft die verborgene Macht der Zwei kennenlernen.

Diese Zwei symbolisiert das zeitliche, natürliche Lebensfeld in all seinen Abstufungen. Die edle Eins muß sich an die Zwei verschenken, um zu lernen, daß gerade aus ihr die folgenden Zahlen hervorkommen müssen. 

Die Isolierung des egozentrischen Hochmuts verhindert die Geburt der folgenden Phasen. Die Begegnung der Eins mit der Zwei ist Bedingung für die Bewegung, für das Leben, die Wechselwirkung und die leuchtende Idee. Das "Ich bin, der ich bin" (2.Mos 3,14; übrigens ein hebräischer Begriff mit dem Zahlenwert 22!) oder die Verstärkung des Selbstbewußtseins des Ego hat häufig zum Ergebnis, daß die Eins ihre Elastizität oder ihr Selbstopfer negiert. Die Selbstopferung ist die Aufgabe des Magiers und der Auftrag der geistigen Eins. 

Nach Pythagoras hat die Zwei keine aktive Macht, sondern ist passiv und besitzt als Aufgabe die Fähigkeit zu dienen. 44)  

Ohne diese Zwei erreicht die Eins gar nichts, aber auch die Zwei ist allein für sich nutzlos. Erst aus zwei Bestandteilen geht die Drei hervor, sobald diese Formen eine Einheit werden. 45) 

Aus der geistigen Eins, dem Adamas oder dem ersten Menschen, muß eine Hevah hervorkommen, ein vorbereitetes, zeugendes Kraftfeld, eine fruchtbare Erde. In der zeitlichen Natur wurden sie zu Adam und Eva gespalten, zu Gegenpolen. 

In spirituellen Lehrbüchern bildet die Zwei-Einheit von Herz und Haupt die Voraussetzung für die geistige Überwindung: Die Eins muß sich zur Zwei hinabbeugen, um ihr die Lebensenergie, den Lebenskeim zu übertragen. Die Zwei behält diesen Keim nicht, sondern "läßt ihn gehn", wie die Hexe sagt. Nichts ist eigener Besitz der Zwei: sie "läßt gehn", was sie empfing. 

Auch im natürlichen Lebensfeld kann man feststellen, daß darin alles vergeht, weggeht, sich wandelt; die Natur "läßt alles gehn" und hält nichts zurück. Sie läßt sich als Laboratorium von der geistigen Eins verwenden. In der Zahlensymbolik ist mit der Zwei das Wissen verbunden. Man sollte meinen, Wissen sei eine männliche Eigenschaft und keine empfängliche, weibliche Fähigkeit. Dies ist ein allgemeiner Denkfehler, wie man auch immer das Linke, die linke Seite, als das Schlechte ansieht, während in den gnostischen Lehren "das Rechte wie das Linke und das Linke wie das Rechte" werden muß. 45) 

Viele Menschen betrachten auch die zeitliche Natur als das Böse, so wie man oft den Körper als das Geschöpf des Bösen ansieht. In Wirklichkeit liegt das große spirituelle Geheimnis verborgen in der Macht der Zwei, die keine Macht hat. Die Eins ist ja das Symbol der Sonne und im menschlichen Körper das Symbol für das Herz, die motorische Kraft. Die Zwei als das Wissen aber ist Symbol des Denkens, also des Hauptes. 

Im Hexen-Einmaleins schenkt die Eins ihre mächtige Lebenskraft des Herzens an das Haupt, wodurch dieses zu "Wissen" kommt, aber auf eine ganz andere Art als durch intellektuelles Anlernen. 47) 

Die Zwei, das Haupt, muß dieses Wissen sofort "gehen lassen". 

Gibt es einen deutlicheren Hinweis auf das Herzdenken, das sich im Haupt manifestiert, ohne daß dabei von intellektuellem Denken die Sprache ist? Die Kraft des Herzens wird zu einem "Wissen" im Haupt. 

Das ist die Aufgabe der Zwei und gleichzeitig der Zweck des "Linken" oder des weiblichen Prinzips, das die "geistige Imagination", das spirituelle Wissen, symbolisiert. Das Herz ist für alles der Motor, wie - auch im Makrokosmos die Planeten um ihren Sonnenmotor zirkulieren. Das Gehirn, die Hirnkapazität, ist nicht wirklich; diese zeitliche Macht der Zwei hört auf zu bestehen, sobald die Eins sie zu sich nimmt. Für den geistigen Menschen ist die Natur ein zeitliches Instrument, das ihn nicht wirklich auf seinem Weg aufhalten kann. Nur die unerwachsene Eins läßt sich davon fesseln oder zurückhalten. 

Obwohl also die Zwei die dienende Macht ist, so ist sie doch unentbehrlich als Schoß für den Keim der Eins. Ohne diese zeitliche Natur könnte der geistige Mensch den Rückweg zum 

Geist oder die Wiederherstellung der Zehn nicht verwirklichen. 

Der Intellektuelle sündigt gegen den Rat der Hexe. Er rafft viel Kenntnis zusammen, macht aus der Zwei ein Sammelbecken und "läßt nicht gehen". Das ist das Hemmnis des Geizigen, der spart und dann seinen Schatz immer wieder zählt. Auch aus diesem Gesichtspunkt heraus ist Geiz eine gefährliche Ursünde 48), die die Rückkehr zum Geist verzögert. Die Zwei ist wie der Becher (Krater) des Hermes Trismegistos 49), worin der Same nur einen Augenblick reifen muß und dann sofort seine Frucht hervorbringt. 

Im geistigen Lebensfeld ist Wachstum die Frage eines kleinen Augenblicks; kosmische Energie hat nur einen Moment nötig, um ihre Schöpfungen zu erschaffen. Der Gedanke benutzt das Haupt nur einen Augenblick, um gleich danach seine Schöpfung in der Äthersphäre zu realisieren. 


Und Drei mach' gleich, 

So bist du reich. 


Die Drei macht den Menschen reich. Die Drei als Schöpfung der geistigen Eins und der dienenden Zwei - Siehe, ich bin die Magd des Herrn..... Luk. 1,38 - ist wie eine leuchtende Idee, eine Erlösung, ein alles erneuernder, geistiger Impuls. In der geistigen Eins, dem würdigen spirituellen Sucher, lebt das Heimweh nach dem Geist, nach dem Kraftfeld, aus dem er hervorgegangen ist. Dieses Heimweh kann ihn auf die spirituelle Idee, zur erleuchtenden Einsicht bringen. 

Es ist dieses spirituelle Heimweh, das jede würdige Eins kennt, das dafür sorgt, daß sie sich nicht an intellektuelles Wissen klammert, sondern es "gehen läßt". Dieser Mensch weiß nämlich, daß er sich den Geist nicht anlernen kann. Die Zwei kann nicht selbständig bestehen. Das Haupt ist keine autonome Macht; das Gehirn ist unausgeglichen ohne das Gemüt. 

Aus dem Zusammenwirken zweier Kräfte aber kommt das Leben hervor - in jeder Hinsicht. Dabei verschenkt sich die Eins, während die Zwei sich hingibt: Das ist wirkliche Vereinigung. Von beiden Kräften bleibt nichts übrig als die Drei - ihre Frucht. 

Die Eins offenbart sich weiter in den folgenden Zahlen unter einer jeweils anderen Schwingungsform. Sie geht niemals ganz verloren: Sie verliert ihre Kraft nicht, sondern gibt sie weg, damit sie sich umwandelt. Der geistig selbständige Mensch gibt sich weg, aber verliert seine Selbständigkeit nicht. Selbstlosigkeit ist keine Form der Sklaverei oder Icherkrankung. Jeder Mensch, ganz gleich ob äußerlich Mann oder Frau, muß zunächst eine Eins werden, damit es zur Geburt der folgenden Zahlen kommen kann. Ohne Ichbewußtsein und Seelenbewußtsein kann der Mensch nichts anfangen, weder materiell noch geistig. Dabei ist das Ego eine Zwei und die Seele eine Eins. Darin liegt der Engpaß aller spirituellen Sucher. Das Ego als Produkt der zeitlichen Natur gehört zum Feld der Zwei; es ist nicht wirklich. Die Zwei ist auf allen Gebieten um der Eins und der Drei willen vorhanden. 

In der Zahlenlehre ist die Drei das Symbol des Lichtes. Jeder Mensch kann das bei sich selbst nachprüfen. Im Zeitpunkt der Berührung durch eine erleuchtende Inspiration, eine befreiende Idee, fühlt sich der Mensch reich und glücklich, weil er plötzlich alles in einem anderen "Licht" sehen kann! Das ist die Wirkung der Drei. Sie symbolisiert das Licht, das die Erde, die Materie, aus ihrem Schlaf erweckt, die geistige Berührung, die den spirituellen Sucher plötzlich innerlich erleuchtet und auf den richtigen Weg führt. Viele Menschen haben solche Augenblicke in ihrem Leben erfahren. 

Denken Sie in diesem Zusammenhang auch an das Geheimnis der Lichtmysterien im antiken Eleusis, die gelegentlich mit dem Geheimnis der Apokalypse des Johannes in Verbindung gebracht werden. 50) 

Solche Erleuchtungen stehen absolut außerhalb jedes intellektuellen Wissens. Nur aus der Zwei, die alles "gehen läßt", kommt die Drei hervor. Das Haupt als das Denken ist nur ein Durchgangskanal. Die Eins als geistiger Sohn des Lichtes schenkt ihre Lebenskraft der Zwei, die ihr eine Form gibt und sie dann als die Drei hervorbringt: Die Kraft, die zu Licht geworden ist - zu Licht, das Menschen führen kann. 

So kann man auch den Bericht über die Kreuzigung und die Wiedergeburt als Chrestos verstehen - Chrestos, die Liebe, das Licht der Welt (Joh. 8,12). Jesus, die wahre Eins, wird zur Zwei als der gekreuzigten Natur und zur Drei als dem Licht, das der Menschheit die Erlösung bringt. 

Wer ganz allgemein gesprochen mit einer erlösenden Idee in eine Gesellschaft eintritt, bringt neues Licht, die Abkehr vom alten. 

Die Eins, die Zwei und die Drei sind unlöslich miteinander verbunden und bilden die Grundlage für eine Umwälzung. Jede Zahl für sich ist unfruchtbar. Fast jeder macht in seinem Leben den Fehler, die Eins, die Zwei und die Drei voneinander zu trennen, weshalb keine Resultate zu sehen sind. Die Eins muß zunächst sich selbst erkennen und ihre Kraft bündeln. Die Zwei muß sich erkennen und ihre Aufgabe im Dienen finden. 

Die Drei muß immer auf der inneren Einheit von zwei Kräften basieren, wenn sie kein Schütze mit Platzpatronen sein will. An der Verwirklichung der Eins kommt niemand vorbei. Jeder muß sie durchführen, wenn er in seinem Leben und bei seinem geistigen Suchen Erfolg haben will. 

Alle Zahlen sind im Menschen vereinigt, ganz gleich welche Zahl er als die für sich spezifische erkennt. Ausgehend von dieser Zahl muß er zur ganzen Reihe kommen, mit der Eins beginnen und dann weitergehen. Die geistige Eins, der edle spirituelle Mensch, erkennt dies und fängt mit seiner Aufgabe an, indem er zunächst sein Lebensfeld, die Zwei, erforscht, darin zu arbeiten beginnt, sich in spirituellem Sinne daran verschenkt. 

Die Qualität der Eins bestimmt das Resultat auf dem Weg der geistigen Selbsteinweihung. Jeder Mensch muß sich selbst einweihen; das kann kein anderer für ihn tun. 51)  Die Eins erlebt, erfährt ihre eigene Spiritualität; sie kann sie sich nicht anlernen. 

"Werde selbst der Pfad!", so steht in der Stimme der Stille. 52) 

Die Eins wird der Pfad, indem sie die Zahlenreihe aus sich selbst hervorbringt. Sie muß dazu geistig edel und gesund sein. Der Blumenstengel muß lebenskräftig sein, damit er sich wie eine Eins in den Stürmen des Lebens aufrecht halten kann. Das Buch der Natur entspricht dem Buch des Menschen. Die wahre Eins liest in diesem Buch der Zwei. Sich hinab beugen bedeutet: erkennen, schauen, lesen, aufnehmen. Eine starre Eins kann das nicht. Sie will sich nicht verschenken, sondern das Beste, was sie hat, für sich selbst behalten. 

Das ist die Ursünde des Geizes 48), das saturnale Übel, in das einige weitere Ursünden einmünden: Hochmut, Gier, Eifersucht. Das "Gehen lassen" der Zwei löst und vertreibt diese Krankheiten der Eins. Um wirklich eine Eins zu werden, muß der Mensch bereit sein, sich hinzugeben, seinen "Stengel" oder "Stamm" in den Stürmen zu biegen, aber er wird niemals zerbrechen. Die starre Eins kann brechen, während die Eins, die sich hinabbeugt, ohne ihre Kraft zu verlieren, niemals bricht. 

Die stolze Eiche hat in ihrer Jugend gelernt, sich niederzubeugen, und steht nun stark und fest in allen Stürmen. Ihre mächtige Krone ist die Frucht der Harmonie zwischen der Geistkraft und dem Wissen der Natur. 

Der geistige Mensch muß lernen, mit seinen Verhältnissen zu leben; er muß mitbewegen, darf aber niemals brechen oder untergehen, das heißt seine Geistkraft verlieren. 

Die Hexensprache ist die Weisheit aller Zeiten, durch die die Großen des Geistes aller Zeiten ihr Leben vertieften und ihre Seele trösteten: "Und Drei mach' gleich, so bist du reich!" 

Das Hexen-Einmaleins wird bei der Analyse von Goethes Faust auf den Gymnasien meist übergangen, weil es dafür keine offizielle Interpretation gibt. In Wirklichkeit aber bringt es die vollständige Symbolik der Zahlen von 1 bis 10 auf knappstem Raum, worüber andere Gelehrte dicke Bücher geschrieben haben. Das Hexen-Einmaleins enthält nämlich den Schlüssel zur verborgenen archaischen Weisheit. Darin findet man eine Übereinstimmung mit alchemistischen Aussagen, die von der hohen Wissenschaft der Zahlen behaupten, daß sie für das Auge Profaner verschlossen bliebe. Die Hexe spricht dasselbe auf ihre Weise in derselben Szene des Faust ein wenig später aus: 


Die hohe Kraft Der Wissenschaft, 

Der ganzen Welt verborgen! 

Und wer nicht denkt, 

Dem wird sie geschenkt, 

Er hat sie ohne Sorgen. 


Die "hohe Kraft der Wissenschaft", die man "ohne Denken" geschenkt bekommt, ist ein typisch alchemistischer Standpunkt: Intellektuelle Fähigkeiten sind nicht in der Lage, die hermetische Wissenschaft zu entschleiern. Dem fügt Mephistopheles dann noch hinzu: 


Es war die Art zu allen Zeiten, 

Durch Drei und Eins, und Eins und Drei  

Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten! 


Wieder wird der Nachdruck auf die Eins und die Drei gelegt, den Erzeuger und die Frucht, während die Zwei als Trägerin der Frucht unwichtig ist. Die Eins und die Drei setzten Irrtum oder Lügen an die Stelle der Wahrheit. Der Lichtsohn als der Erzeuger der Frucht, als der Beseeler bei der Erzeugung, hat durch seine Lebenskraft eine falsche Frucht erzeugt, die Welt und Menschheit in Unordnung gebracht oder auf den Weg des Irrtums geführt hat. Die Zwei ist bei dieser Aktivität passiv, untergeordneter Natur. 

Die ärztliche Wissenschaft hat entdeckt, daß der Mann seinem Kind die Intelligenz oder Einsichtigkeit mitgibt, während die Mutter die Gestalterin ist, diejenige, die den materiellen Körper aufbaut. Diese Anschauung finden wir auch im Tarot wieder, bei dem die Eins den Magier darstellt, die Zwei die Hohepriesterin symbolisiert und die Drei die Herrscherin bedeutet. Diese Herrscherin ist verantwortlich für das Geschehen im Reich der Natur; sie ist die Venus, die Führerin und Begleiterin des Menschen oder des Magiers innerhalb der Welt des Tierkreises. 

Doch allzuoft wird sie die Verführerin und Betrügerin dieses Magiers oder Lichtsohns, wodurch der ganze weitere Einweihungsweg oder Lebensweg nur aus Irrtümern besteht. Verantwortlich dafür aber ist die Lebenshaltung dieses Magiers oder Lichtsohns. Die Eins ist in jeder Hinsicht eine entscheidende Zahl. Eine edle Eins zeugt eine edle Frucht, eine leuchtende Begleiterin auf seinem Lebensweg, eine erleuchtende Idee, die Drei. 

Diese Drei ist eine Jupiterzahl, das Symbol für "Vater Äther". 

Nicht die sichtbare Welt ist nämlich ausschlaggebend, sondern die Ätherwelt offenbart die Ideen, bevor sie sichtbare Realität werden. Diese Ätherbilder, Gedanken und Emotionen, die von der Eins oder dem Lichtsohn erzeugt werden, haben im Laufe der Zeit ein Chaos verursacht. Reinigung des Denkens und des Herzens bedeutet eine Reinigung des Ätherfeldes, das die ganze Menschheit umgibt. Ein reines, nicht durch minderwertige Vorstellungen, Gedanken und Emotionen besudeltes Äthergebiet würde den Menschen zur geistigen Entwicklung inspirieren. 

Doch - wie es im Faust heißt: "Eins und Drei verbreiten Irrtum statt Wahrheit..... " Die Drei, die erleuchtende Idee, muß den Menschen zur Einsicht bringen, daß er mehr ist als ein biologisches Geschöpf. Ist aber die Eins ein bösartiger Lichtsohn, ein arroganter Besserwisser, ein satanischer Rebell, der sich gegen die Allmacht seines Schöpfers erhebt, dann kann seine Frucht eine vernichtende Auswirkung auf die Naturformen haben. Wenn die Ätherfelder nicht genügend gereinigt werden, verursachen sie Zerstörung in den natürlichen Verhältnissen, was sich sowohl auf die ganze Erde als auch auf den materiellen Menschen bezieht. 

Das Zauberwort, das die Eins mit der Drei verbindet, ist stets das Machtwort der Zwei: "Laß gehn!" 

Ein Aufschub dieses "Laß gehn!" bedeutet, daß die Frucht im Schoß der Zwei giftig werden, fermentieren kann und die ZEIT erhält, zwar eine äußerlich schöne, aber innerlich faule Frucht zu werden. 


Verlier' die Vier! 


So sagt die Hexe weiter. Vier ist in der Zahlenlehre das Symbol der harmonischen Natur mit ihren vier Elementen: Feuer, Wasser, Erde, Luft. Sie ist gleichzeitig die Zahl des menschlichen Egos mit seinen Elementen: Luft-Denken, Feuer-Wille, Wasser-Gemüt, Erde-sichtbare Tat. 

Deutlich sagt die Hexe: "Verlier' dieses Ego!" Verliere die Gebundenheit an die Ichbelange und sei frei! 

Die Vier ist genau wie die Zwei eine Erscheinung der Zeit. Sie ist die Zahl der sichtbaren Tat. Denke nicht über diese Tat nach, solange die Eins, die Zwei und die Drei in deinem Leben noch nicht auf die richtige Weise zusammenarbeiten, so warnt die Hexe. Stürze dich nicht impulsiv auf die Verwirklichung, bevor die Idee der Drei edel geworden ist. Die Vier wird zum unentbehrlichen Transitkanal für diese Idee, aber für sich allein ist die Vier immer unwichtig. Alle übertriebenen Sorgen um diese Vier, das zeitliche Ego, die zeitliche Natur, sind Zeitverlust, Irrtum. 

Auch kann man aus dieser Vier keinen geistigen Weisen machen, im Gegenteil: "Verlier' die Vier!" Steige über die Hindernisse hinweg, die dieses zeitliche Ego aufwirft, und laß es niemals zu einem Ablenkungsmanöver auf dem Weg der Selbsteinweihung werden, den der Magier des Tarot, der Lichtsohn oder die Eins, gehen muß! 

In der Astrologie symbolisiert die Vier nicht umsonst das Quadrat des Widerstandes. Aber der Lichtsohn, der die Drei auf die richtige Weise hergestellt hat, ist "reich" geworden und wird sich durch diesen Widerstand der Vier niemals zurückhalten lassen. Er tut, was die Hexe ihm sagt, und verliert die Vier. 

Viele wollen auf dem einmal eingeschlagenen Weg weitereilen, ohne sich umzusehen, ohne sich zu vergewissern, ob sie an der Kreuzung den richtigen Weg eingeschlagen haben. Der Mensch vertieft sich zu wenig in die Fragen: "Wer bin ich?" und "Wohin gehe ich?" Um eine edle Eins zu werden, ist die Frage: "Wer bin ich?" eine immer wieder notwendige Besinnung. 

Sobald der Mensch davon überzeugt ist, daß er eigentlich seine wirkliche Heimat auf Erden nicht finden kann, sondern dahin zurückkehren muß, woher er gekommen ist, beginnt er festen Grund zu finden, auf dem er stehen kann. Dann erst schlägt der stolze Stamm Wurzeln, so daß er sich als eine wirkliche Eins aufrichten kann. 

Alle diejenigen, die Tag und Nacht mit der Vier oder dem Ego oder dem materiellen Körper beschäftigt sind, mögen bedenken, daß ihr Verhalten in direktem Widerspruch zu dem weisen Rat der Hexe steht und auf diese Weise die Spiritualität niemals verwirklicht werden kann. Es gibt viele Menschen, die ein unbestimmtes Heimweh verspüren, ein undefinierbares Gefühl von Unruhe und Traurigkeit haben, das sie nicht losläßt und weshalb sie niemals so recht zufrieden sein können, obwohl sie materiell keine Klagen haben. 

Solange sich dieses Heimweh nicht ausdrückt durch das Aufrichten des stolzen Stammes, durch den edlen Mut, den die zarten Blumenstengel zeigen, und das feste Vertrauen, daß kein Sturm ihre Kraft brechen kann, ist solch ein Heimweh ohne Sinn und bleibt ohne Erfüllung. Der edle Mut oder der gute Mut, durch den "die Welt überwunden werden kann", wie es in der Bibel heißt (Joh. 16,33), ist die Bedingung, um eine Eins werden zu können. Ohne diesen "guten Mut" kann der Weg von der 1 zur 10 nicht verwirklicht werden. 

Innere Unruhe, deren Ursache nicht erkannt wird, kann den Menschen auf seinem Weg hin und her eilen lassen; viele Seitenwege werden eingeschlagen; alles wird ausprobiert, aber die Ruhe und Stille, die aus dem Adel der Zwei strömen, werden niemals sein Eigentum. Wachstum verlangt Ruhe und Stille. Es bedeutet: in Weisheit den Samen umfaßt halten und erkennen, was man besitzt. Ein Wachstumsprozeß braucht nicht endlos zu dauern, im Gegenteil: er kann in einem Augenblick geschehen oder während eines Augenaufschlags. Gedanken erschaffen in einer winzigen Zeit ihre Bilder im Äthergebiet. Geistiges Wachstum kann schneller geschehen als irgendein materieller Wachstumsprozeß, weil es die Folge eines ätherischen Geschehens ist. Der Magier oder die edle Eins überträgt seine Lebensenergie an das Denken, welches daraus direkt die Form, die Frucht erschafft. Aus der richtigen Lebenseinstellung der Eins gehen alle weiteren Zahlen oder Lebensphasen hervor. Sobald der Mensch den Rat der Hexe annimmt: "Verlier' die Vier!", wird er die sichtbaren Formen durchschauen und begreifen, welche Kraft diese äußeren Schöpfungen antreibt. 

Dann kann die Hexe ihm die folgenden Worte zurufen: 


Aus Fünf und Sechs, 

So sagt die Hex', 

Mach' Sieben und Acht, 

So ist's vollbracht..... 


Nachdem der Widerstand der Vier gebrochen ist, folgen einige Zahlen schnell aufeinander: Fünf, Sechs, Sieben und Acht. 

Aus der Fünf wird die Sechs; aus dem Fünfstern, dem Symbol der spirituellen Wiedergeburt, wird gleich die Sechs. Der Mensch soll bei der Fünf nicht lange zögern. Obwohl manche Menschen glauben, daß mit der Fünf schon alles vollbracht sei, bedeutet sie nichts anderes als eine mögliche Wiedergeburt, einen jungen Anfang. Doch ist die Fünf noch nicht erwachsen. 

In der Zahlenlehre ist die Fünf die Zahl der goldenen Mitte, der Unentschlossenheit zwischen dem Aufstieg und dem Abstieg. 

Mache aus der Fünf gleich eine Sechs, so sagt die Hexe. Kein Aufhebens machen von einer möglichen geistigen Umkehr, die ihren Wert noch nicht bewiesen hat! Bewirke lieber, daß diese Umkehr die einzig würdige Entscheidung hervorbringt, die die Sechs darstellt. 

Die Sechs ist der vollwertige geistige Mensch. Er ist der Mensch der Genesis, der von Gott nach seinem Ebenbilde geschaffen wurde, einschließlich der Seele "aus Meinem Geist und dem Wind", wie wir bereits aus dem Buch der Geheimnisse Henochs zitierten. 41)  Die Sechs darf tun, was der Vier verboten war: die Tat ausführen. Ein "Sechser" oder eine "Hexe" ist derjenige, der im Buch der Natur lesen kann. Er hat die Venus, die Königin dieser Natur, zu seiner geliebten Begleiterin durch dieses Reich der Natur gemacht, die nicht versuchen wird, ihn zu verführen, weil er der würdige Gottmensch geworden ist, der die einzig gute Entscheidung getroffen hat. 

Niemand sollte glauben, daß diese Entscheidung der Sechs oder der sechsten Karte des Tarot eine einfache Angelegenheit sei. Sie ist immer das Resultat aus vielen Erfahrungen und Zwischenentscheidungen. Sie ist die Wahl zwischen dem "Alles oder Nichts", wie es Ibsen formuliert hat. 53) Nach solch einer Entscheidung kann der Mensch nicht mehr zurückkehren - nicht weil ihm das verboten wäre, sondern weil er von innen heraus nicht mehr anders kann. In ihm ist zu viel geistige Essenz vorhanden, die seinen weiteren Lebensweg bestimmt. Danach hat der egozentrische, immer auf eigene Interessen ausgerichtete Mensch aufgehört zu bestehen. 

Diese Verwandlung des Egomenschen in den Geistmenschen hat nichts mit irgendeiner Verbindung zu einer möglichen Religion zu tun. Religion und religio sind eine innere Angelegenheit, eine Lebenshaltung, aber keine organisatorische Bindung mit allerlei Pflichten. Die edle Eins wird niemals Sklave irgendeiner organisierten religio, noch versklavt sie sich an irgendein Interesse oder einen Genuß: Die Eins vergeudet nichts mehr, sondern gibt ihre ganze Lebensenergie weiter. Genau wie von der Natur nichts vernichtet wird, ohne daß es anderen Formen dient, so lebt die Eins weiter in den nach ihr kommenden Zahlen oder Lebensphasen. In dieser spirituellen Lebenseinstellung der Eins kann man den Bericht über den Jesusmenschen wiedererkennen, der sich für seine Mitmenschen geopfert hat. Die Eins schenkt sich selbst, ihre Kraft, zur Verwirklichung der folgenden Zahlen, damit endlich die Seele, der Lichtsohn, seinen göttlichen Geist wiederfindet. 

In der Drei leben die Lebenskraft und der Adel der Eins weiter. 

Über diesen geistigen Prozeß wurden viele Bücher geschrieben, obwohl er so einfach ist, daß er in einem kleinen Hexenvers verborgen sein kann. Die Wahrheit ist einfach. Der Weise wagt es, die Einfalt auszutragen; Weisheit und Einfalt gehören immer zusammen. Komplikationen entstehen nur aus der Unwissenheit über die Macht der Zwei und aus der Weigerung, die Vier "zu verlieren". Kein einziger, sich geistig orientierender Mensch kann es sich erlauben, mit verbundenen Augen durch das Leben zu gehen. Er muß achtgeben auf die "Symbolik jeden Tages", der Anweisungen gibt, aus denen er lernen kann. Ständig mit der Veränderung der Vier beschäftigt zu bleiben, bringt ihn nicht näher an die spirituelle Überwindung heran. Im Gegenteil! Der Widerstand der äußeren Formen reizt ihn und erschöpft seine Energie. 

Der geistig suchende Mensch will die verborgene Weisheit, die unter den äußeren Formen versteckten Werte finden. Dazu sollte er seinen Spürsinn auf dieses Hexen-Einmaleins konzentrieren und die Weisheit der Hexe mit seinen inneren Sinnen ertasten: Aus Eins mach' Zehn! 

Jeder muß selbst die Tiefen dieser einzelnen Worte ergründen und sollte sich die Weisheit nicht aufschwatzen lassen. 

"Was gelernt werden muß, ist des Lernens nicht wert!", sagt ein altes chinesisches Sprichwort. 

Die Zahlenlehre besitzt Tiefen, die nur durch die Seele erschaut werden können. Solange der Mensch den Auftrag aus diesem "Aus Eins mach' Zehn!" nicht begreift, hat es keinen Zweck, sein Gehirn mit allerlei Lehren und Vorschriften zu belasten oder sich durch allerlei okkulte Übungen zu erschöpfen. Dann ist dieser Mensch eben noch keine edle Eins geworden, auch kein stolzer Stamm, der alle Lebensstürme unberührt an sich vorüberziehen lassen kann. Dann treibt er vielmehr als gefällter Baum auf den unruhigen Wogen der Lebenssee oder liegt vermodert auf dem Grund, eine Beute der Krankheit des Selbstmitleids, des Hasses und der Verbitterung. Niemand kann seinem Nächsten die tiefe Einsicht übertragen, wie man eine Eins wird; sie muß im Menschen selbst aus Erfahrungen und dem ständigen Heimweh wachsen und reifen. 

Alle "Einsen" bleiben getrennt für sich; sie sind isolierte Zellen, von denen jede für sich trachten muß, den Adel der spirituellen Eins zu verwirklichen. 

Jeder spirituelle Mensch wird am Anfang seines geistigen Weges auf sich selbst gestellt, um den unentrinnbaren Auftrag der Einswerdung zu vollbringen. Mit diesem Auftrag zu beginnen, bevor man ein harmonischer Mensch, ein einsichtsvoller Mensch geworden ist, bringt Verdruß. Geschieht das nicht immer wieder in so vielen Menschenleben?  Scheinheiligkeit, Imitation 54), Zitate alter Weisen machen aus diesem Menschen noch keine Eins. Er drückt dadurch nur seine Weigerung aus, sich der Macht der Zwei auszuliefern. Er hat Angst, sich zu verschenken. Und wenn er sich schließlich ergibt, dann bewacht er sorgfältig die Zwei, damit sie ihre Frucht nicht "gehen läßt". 

Dieses "Gehen lassen", dieses Abgeben von sich selbst, von seinen Werken, seinen Schöpfungen, ist die größte Aufgabe der noch unreifen oder unwürdigen Eins. Welcher Schöpfer oder Beseeler wagt es, seine Werke namenlos abzugeben, so daß er selbstlos darin untergeht? 

Jeder kämpft um seinen Besitz, seinen Namen, seine Anerkennung. In der Familie kämpft die Mutter um die Erhaltung und den Besitz ihrer Kinder, und wenn der Zeitpunkt des "Gehen lassens" gekommen ist, gibt es Kampf und Schmerz. Wer versteht noch die Weisheit dieses "Gehen lassens" der Zwei, der Natur als der Dienerin des Geistes? 

In der jungfräulichen Natur ist dieses "Gehen lassen" wohl noch zu finden. Der strebende, seinen eigenen Ruhm und Anerkennung suchende Lichtsohn, der gerade aus diesen Gründen in der archaischen Zeit in das Chaos hinabstieg, wird ganz besonders Schwierigkeiten haben, um dieses "Gehen lassen" in der richtigen Weise zu vollbringen. "Gehen lassen" ist nämlich nicht etwa dasselbe wie Bequemlichkeit und Trägheit oder eine bedingungslose Übergabe an andere Mächte. Auf diese Weise wird die Macht der Zwei durch die bösartige Eins und die verfaulte Frucht der Drei mißbraucht. Deshalb hat Mephistopheles recht, wenn er sagt: 


Es war die Art zu allen Zeiten, 

Durch Drei und Eins, und Eins und Drei 

Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten! 


Die Zwei fällt dabei ins Nichts, wird zermalmt, umgerannt, auseinandergerissen, besudelt und mißbraucht. Sie ist nichts und niemand! Genau wie die zeitliche Natur das Opfer des Menschenwahns geworden ist! Das ist "Irrtum statt Wahrheit!" 

Unsere Industriegesellschaft und unser heutiges Lebenssystem zeugen davon als ein mißgestaltetes Produkt der Gewinnsucht auf Erden. Überall, wohin man auch schaut, in Religion, Kunst, Moral, Politik und Gesellschaft, ist aus der Eins und der Drei Irrtum anstelle von Wahrheit herausgekommen. Nun leiden viele Menschen unsagbar, weil sie gezwungen sind, diese verfaulten Früchte zu essen oder einzuatmen, während ihnen gleichzeitig auch noch aufgeschwatzt wird, sie seien gesund! 

Nur die wirkliche Eins begreift den Umfang des Irrtums und die Intensität des Leides. Viele leiden, um zu leiden; streben, um zu streben; leben, um zu leben; und jammern, um zu jammern. 

"Verlier' die Vier!" müßte man ihnen immer wieder zurufen. Doch sie besitzen den edlen Mut der Eins noch nicht, kennen die dienende Macht der Zwei nicht und verkennen die Existenz der leuchtenden Drei. Beginne mit der Werdung der Eins und bringe daraus alles hervor! Aber unterscheide den Adel jeder einzelnen Zahl! 

Sorge dafür, daß dieser edle Stamm oder diese Eins eine schöne Krone trägt, und suche nicht nach der Knospe, bevor du die Geistkraft der Eins in dir brausen fühlst. 55) 

Solange der Mensch diese Geistkraft nicht spürt, sollte er nicht nach der verborgenen Weisheit des Hexen-Einmaleins suchen, weil der Mensch das, was er nicht kennt, auch nicht vermißt. Ein Lichtsohn sucht den Geist, weil er aus Geist geworden ist! In den Augen des materialistischen Menschen kann er unglaubliche Dinge verwirklichen, ausschließlich auf der Basis seines inneren Heimwehs. 

Dieses Heimweh ist wie der Hunger nach Sonne in der Pflanzenwelt, der sie zwingt, die Stengel hoch in den Himmel zu heben, den Stamm stolz in die Lüfte zu recken, um die Sonnenkraft zu umarmen, weil von ihr das Leben abhängt. Genauso ist das Verhältnis zwischen Lichtsohn und Geist. Aus demselben Hunger ersteht die schöne Blume, die mächtige Krone der Eiche und der geistige Adel der Eins oder des Lichtsohns, dessen Haupt die Geistsonne umstrahlt, die aus seinem Blick springt, sobald der Geist ihn beseelt. Daraus wird die Sechs geboren, der vollwertige Mensch, der bereit ist, mit den Göttern zu wandeln, was auch kommen mag! 


Aus Fünf und Sechs, 

So sagt die Hex', 

Mach' Sieben und Acht..... 


Die Zahlen von Eins bis Neun gehören zusammen; eine ist nach der anderen aus der vorhergehenden Zahl entstanden, weshalb sie alle das Resultat derselben Energie sind: der Kraft der Eins. So wie eine Familie EINE Blutsbasis besitzt, so besitzen die Zahlen von Eins bis Neun das Lebenselixier aus der Null und der Eins. Jeder geistig orientierte Mensch kann dieses Lebenselixier aus der Eins und der Null in sich selbst wiederfinden: die Ewigkeitsimpulse der Null, die ausvibrieren in seiner geistigen Orientierung, und die Lebenskraft der Eins, die dem Menschen die Kraft, den Mut und die Ausdauer verschafft, damit er die in der Zahlenreihe vorhandenen Lebensprinzipien durchlaufen kann. 

Die Fünf und die Sechs bilden die Basis für die Sieben und die Acht. Die Fünf war das Stadium der Wiedergeburt, während die Sechs die entscheidende Phase ist, in der der Mensch an einen Scheideweg kommt, den auch der hermetische Tarot auf der sechsten Karte zeigt. Die Fünf ist keine selbständige Macht, weshalb der von der Fünf beherrschte Mensch, wie wir bereits besprachen, immer unsicher ist. Das geistige Prinzip ist in ihm vorhanden, aber noch nicht kräftig genug, um ihn zu einer Entscheidung zu zwingen. Er muß von einer außenstehenden Macht beherrscht werden, wenn er zu einer endgültigen Entscheidung kommen will. 

Die Fünf ist wie ein sich drehender Fünfstern, der jeden Augenblick stillstehen kann, entweder mit der Spitze nach oben als Zeichen der mikrokosmischen Wiedergeburt oder mit der Spitze nach unten als Zeichen einer satanischen Beseelung. Darum soll diese Fünf so schnell wie möglich durchlebt werden, damit die Sicherheit in der Sechs, der großen Entscheidung, gefunden wird, sobald sich der Mensch seiner inneren Kraft bewußt wird, ganz gleich ob in positivem oder negativem Sinn, faßt er einen Entschluß. Solange diese Entscheidung nicht getroffen wurde, bleibt die Fünf eine unsichere Macht, die dem Menschen Unruhe bringt, ihn hin und her jagt zwischen dem Heiligen und dem Unheiligen oder zwischen dem Geist und der Materie. Die Fünfkraft wirkt entwurzelnd, reizt zu Zweifeln, flieht vor der Sicherheit. Darum werden im Hexen-Einmaleins die Fünf und die Sechs gleichzeitig genannt. Doch auch die Sechs bedeutet noch keine Ruhe auf der Pilgerfahrt; denn die Sechs ist die direkte Ursache zur bewußten Erneuerung. 


Mach' Sieben und Acht,  

So ist's vollbracht. 


Sieben ist eine sehr wichtige Phase, voller Dynamik - ein Stadium, in welchem der Mensch ununterbrochen sein Ziel im Auge behält und sich durch nichts und niemand davon ablenken läßt. Die Zahlen Fünf, Sechs, Sieben und Acht bilden ein zweites Viereck auf dem Weg durch die Zahlenreihe. Wenn dieses Viereck zusammengehalten wird, kann der Pilger mit der Überwindung rechnen. Es ist die Phase der erneuerten Vierheit. 

"Verlier' die Vier!" sagte die Hexe. Aber diese wiedererschaffene Vier darf nicht verlorengehen: Sie bildet die Basis zum Gelingen des Werkes. Deshalb wird eine Vier auch immer als eine Ansicht für sich betrachtet. Die erste Vier war der Schoß, in den sich die Drei-Einheit ergießen mußte: die Kraft der Eins, die Ruhe der Zwei und das Licht der Drei. 

Die Vier ist immer eine Ruhe- und Reifungsperiode. In der Vier muß man zur Besinnung kommen. Wenn die erste Vier den Menschen zu dieser Besinnung, zur Erkenntnis seiner Lage gebracht hat, muß er die Kraft finden, diese Vier zu verlieren, um Abstand von dem erreichten Resultat zu gewinnen. So bedeutet die Endphase einer Vier immer Distanz, Verzicht, Selbstverleugnung, auch hier bei der Acht, die das Ende der zweiten Viererphase bildet: In der Acht kommt die große Umwandlung. 

Der Pilger nimmt Abschied von seiner alten Himmel-Erde und Besitz von einer geistigen Himmel-Erde (Offb. 21,1), in der er fortan als Seelenmensch wohnen wird. In ihm ist eine andere Dimension erwacht: aus der Fünf der Wiedergeburt, gefestigt durch die Sechs der geistigen Entscheidung, ausgetragen in der Dynamik der Sieben, woraus die alchemische Veränderung in der Acht resultiert, die den neuen Menschen stabilisiert. 

Dann IST ES VOLLBRACHT. 

Die Sieben - eine heilige Zahl in vielen esoterischen Doktrinen - führt den Menschen in die Praxis des geistigen Lebens ein, worin kein Platz mehr für Egobelange ist. Ichzentralität macht aus der Sieben einen unheiligen Fanatiker. Alle Zahlen nach der Fünf können in Satanismus ausarten, weil die Ausübung der Macht der Fünf der Materie eine neue Dimension hinzufügt. Dann gibt es keinen Gegensatz zwischen Geist und Materie mehr, sondern man betritt die geistige Ebene, auf der der Gegensatz Heiligkeit und Unheiligkeit regiert. Das verursachte die Entscheidung. 

Eine Entscheidung verändert immer entweder den Menschen selbst oder seine Verhältnisse. Es geschieht etwas Wirkliches. Das ist auch so im täglichen Leben. Wer eine Entscheidung trifft, muß mit den entsprechenden Reaktionen rechnen. Sieben als die Zahl des Sieges über sich selbst führt den Menschen immer in eine Periode hinein, in der er für seine Ideale kämpft, seien es nun religiöse oder auch materielle Belange. Ein egozentrisch materielles Interesse macht aus dem Menschen der Sieben eine sich isolierende Persönlichkeit, für die die Belange ihrer Mitmenschen nicht zählen. Dabei ist es unwichtig, ob es sich um die Gründung einer materiellen Organisation oder den Aufbau einer religiösen Bewegung handelt. Die innere Ausrichtung des Menschen gibt den Ausschlag. Die Zahl Sieben ist nur für den uneigennützigen, spirituellen Menschen heilig, der sich selbst zugunsten eines geistigen Ideals zurückstellt und seine eigenen emotionellen Bindungen nicht zählt. Nichts ist schwieriger, als emotionell frei zu sein. 

Eine Karikatur dieser Freiheit trifft man in dem egozentrischen Menschen der Sieben, der keine Rücksicht auf die Gefühle seiner Nächsten nimmt und jeden einzelnen seinen Zwecken dienstbar macht - nur nicht sich selbst. Er ist derjenige, der seine Opfer unter den Rädern seines Streitwagens zermalmt, selbst aber unbewegt auf dem Triumphwagen steht, seinen fanatischen Blick fest auf den Horizont gerichtet. Dieser Wagen aber muß aus der inneren geistigen Kraft erbaut sein, zu deren Elementen die Barmherzigkeit gehört. Der geistige Mensch der Sechs kennt die Barmherzigkeit als eine edle Gabe. Auch Barmherzigkeit fordert das Opfer der persönlichen Gefühle - jedoch nicht in harter Gleichgültigkeit um der eigenen Ehre willen. 

Der edle Mensch ist in dieser Sieben-Phase beseelt von der in ihm wiedergeborenen, geistigen Idee und bemüht sich, daß sie auch seine Nächsten durchdringt, indem er sie mit auf seinen Siegeswagen nimmt. Aus dieser leuchtenden Idee heraus betrachtet er die Welt um sich und findet sie lichtlos, oberflächlich, unwissend. Er wählt seine Mitfahrer bewußt aus, so wie er auch den Weg für seinen Siegeswagen selbst vorzeichnet. Wie er von sich selbst das "Alles oder Nichts" verlangt, so erwartet er dasselbe auch von seinen Mitfahrern. 

Der Sieg steht als ein Ätherbild vor seinem geistigen Auge, und in ihm lebt die Gewißheit: Diesen Sieg erreiche ich bald! 

Bestimmte religiöse Systeme betrachten die Sieben als eine heilige Zahl, weil in der Bibel der siebente Tag als der Tag bezeichnet wird, an dem Gott von seiner Arbeit ausruhte. (1.Mos. 2,2) Das menschliche Mißverständnis, daß eine geistige Energie von ihrer Arbeit ausruhen müßte, ist ziemlich logisch. Der Mensch nähert sich jeder geistigen Macht mit seinem begrenzten menschlichen Denken und identifiziert den Geist mit den menschlichen Verhältnissen. Darum erkennt man in Doktrinen, die die Siebenheit verehren, einen mentalen Stillstand. Sie schließen sich in die von der Sieben repräsentierte Endphase ein, ohne sich zu vergegenwärtigen, daß der Sieben unwiderruflich die Acht folgen muß, wenn das neue Viereck oder die geistige Vier vollendet werden soll. 

Die Sieben symbolisiert das Ende eines Kampfes. Solch ein Mensch der Sieben akzeptiert keinen einzigen Widerstand mehr; er verliert kein Gefecht mehr, weder innerlich noch in äußeren Verhältnissen, weil er durch die geistige, innewohnende Kraft Überwinder ist. Er hat dadurch eine innere Ruhe erzeugt, aus der er die Energie schöpft, um die schwierige Phase von der Sieben zur Acht durchzustehen. 

Diese innere Stabilität ist kein Stillstand, kein Ausruhen, auch keine mentale Endphase, sondern im Gegenteil eine intensive Bewegung. Geist ist niemals Stillstand. Geistiges Schweigen ist keine äußere Ruhe, sondern immer eine innere Sicherheit der Mitte, die zur Dynamik treibt, zum Mitbewegen, wie es Hermes genannt hat 56), oder anders ausgedrückt: zur Bewegung in der Mitte der Welt. 

Dagegen wird der Achte Tag im Buch der Geheimnisse Henochs beschrieben als "der ersterschaffene Tag meines Nichts-Tuns  57). 

Dieses "Nichts-Tun" ist wie das TA0 58). Die Acht ist die Phase, in der der natürliche Mensch und der geistige Mensch nicht mehr verbunden werden durch äußere Taten, sondern der natürliche Mensch im geistigen Menschen aufgelöst ist, so daß die Wechselbeziehung zum Stillstand gekommen ist. Jetzt ist nur noch von EINEM geistigen Sein, EINER Realität die Rede. 

Darin kann der Geist ruhen. Er kann beruhigt sein. Das Ziel ist erreicht; die Reise ist beendet. Die geistigen Schwingungen stabilisieren sich und werden eine Konzentration geistiger Kraft. 

Die Umwandlung hat aufgehört, die Neugestaltung ist zustande gekommen. 

Der Siebente Tag gleicht einem Triumphzug der geistigen Flamme durch die Welt der Materie oder die Natur. 

"Also vollendete Gott am Siebenten Tag Seine Werke, die Er gemacht hat" - diesen Anfang des Verses l.Mos. 2,2 vergißt 

man meist. Das irdische Laboratorium, die Natur und der Mensch selbst verändern sich durch die geistige Beseelung. Der Siebente Tag ist ein Lobgesang, in welchem die Natur und der materielle Mensch einbegriffen sind. Die Arbeit des Siebenten Tages oder die Aufgabe des wahren Menschen der Sieben liegt in der Beseelung, in die er seine Umgebung und sich selbst mitreißt. Der Triumph ist erst dann vollkommen, wenn alles dadurch verändert, neu wird (2. Kor. 5,17), auch die Verhältnisse des Menschen in dieser Welt. 

Deshalb bezieht sich die siebente Phase in Wirklichkeit niemals auf eine Abgeschlossenheit, sondern bedeutet eine Art Ehrenrunde des Geistes, damit jeder diesen Geist sieht und ihm zujubelt. 55)  Es ist begreiflich, daß dieser Triumph nicht möglich ist, wenn das Gejammer und der Haß seiner Opfer den Menschen der Sieben umringen. Geistiger Triumph beruht auf der Inspiration aus der Drei, dem Eros, dem archaischen BeseeIer im geistig suchenden Menschen, während geistiger Fanatismus ein Ausdruck von Lieblosigkeit ist und damit die Folge einer giftigen Drei oder einer giftigen Beseelung - wie auch MephistopheIes so eindeutig sagt: "Aus Eins und Drei, und Drei und Eins hat man zu allen Zeiten Lügen statt Wahrheit verbreitet..... " Der Mensch der Sieben muß einsehen, daß seine inneren Erfahrungen nicht nur zu seiner eigenen geistigen Überwindung dienen, sondern daß er seine Nächsten einbeziehen muß. Die typische Neigung der Sieben zur Isolierung, obwohl er scheinbar ein Gesellschaftsmensch ist, muß er loslassen, weil sie ihn bestimmt zur falschen Ruhe führt, die so deutlich bei all jenen erkennbar ist, die die Sieben als eine Endphase betrachten. 

Auch in der Chymischen Hochzeit Christiani Rosencreutz ist diese scheinbare Endphase zu erkennen, als die "Lapidem Spitalauficum treibenden Leckermäuler" 59) im Königssaal beisammen sind und ihre Mahlzeit genießen. Sie wähnen sich angekommen. Nur Christian Rosencreutz grübelt über sich selbst und diese Scheinfröhlichkeit nach. Er aber wird dann auch die Acht verwirklichen. Er wird zum Torhüter 60), jener von den scheinbar in der Sieben-Phase Angekommenen nicht beneideten oder begehrten Position. Denn die Acht bedeutet: sich hingeben und wegschenken, oder anders ausgedrückt: verzichten und weniger werden (Joh. 3,30). Der Streitwagen ist in Bewegung, und Osiris jagt seine Sonnenpferde voran bis an die Pforte der Acht, wo er seinen Streitwagen zurücklassen muß. Dann wird er wieder leer dastehen, seine äußeren Unterscheidungszeichen werden ihm genommen; er muß seine inneren Reichtümer zeigen, Schätze, die nicht rosten (Matth. 6,20), ihn aber als göttlichen oder himmlischen Menschen kennzeichnen. 

Das ist das Kriterium, vor dem Viele zurückschrecken. Es ist auch die Aufgabe, mit der Christian Rosencreutz am Ende seiner Reise ringt. Wie er selbst sagt, ist dies die schwierigste Aufgabe. 61)  Nach dem Triumphgefühl der Überwindung muß er zurückkehren in das Nichts, das TAO, die innere Ruhe des Nichts-Tuns. Denken und Fühlen müssen aus der Bewegtheit zwischen Körper, Seele und Geist zurückgezogen werden. Es ist der Augenblick, in welchem der Mensch zur Besinnung ermahnt wird: "Bleib stehen, fahre nicht so schnell! Laß dich nicht mitschleifen durch diese Triumphfahrt; denn diese innere Beseelung muß bewußt für den schwierigsten Auftrag eingesetzt werden." 

ES muß vollbracht werden. Was ist dieses "ES"? 

Nichts anderes als zurückzugeben, was man hat, zurückzukehren in den Anfangszustand, niemand zu sein, obwohl man sich endlich als jemand, und zwar als Überwinder, fühlt. Das ist eine schwere Aufgabe: zu wissen, daß man den Geist in sich hat, daß man sich über die Menge erhoben hat, und doch zurückzukehren zum Nichts-Sein. 62)  Es gibt Menschen, die sich von einer geistigen Kraft durchdrungen wissen, die aber in dieser Phase der Acht ganz besonders zu kämpfen haben: einzusehen und zu wissen, daß man nichts und niemand ist. 

In der Zahlenlehre steht die Acht auch für "schwere Aufgaben". 

In der Acht muß der geistig kräftige Mensch warten, bis es Gott gefällt, ihn von der Aufgabe des "Torhüters" zu erlösen. 

Torhüter zu sein, an der Pforte des Lichtes für seine Nächsten zu stehen, ist eine Arbeit, die das Ego haßt und die der geistige Mensch aus Barmherzigkeit tut; denn es ist eine undankbare und schwierige Arbeit. Niemand, der noch sein Ego liebt, kann solch eine Aufgabe erfüllen. 

Diese Symbolik erkennt man im Leben jedes Menschen der Acht. Er erfährt immer erschwerte Lebensbedingungen, Undankbarkeit, Verkennung und falsche Anschuldigungen. Sein ganzes Leben ist eigentlich ein einziger Kampf mit sich selbst: Er will nicht verkannt werden, auch nicht in seinem Herzen ein "Nichts" sein, und doch wird das Leben ihn immer wieder dazu zwingen. Nach der Acht ist es vollbracht, heißt es auch im Hexen-Einmaleins. Dann ist der PiIger imstande, eine Neun zu werden. 


Und Neun ist Eins, 

Und Zehn ist keins! 


Neun ist eine neugeborene Eins. Und Zehn ist nichts. Alle Zahlen wurden in die neugeborene Eins als wiederhergestellte Potenzen zurückgenommen. Auf diese Weise kehrt die Eins zurück zur Ewigkeit, aus der sie einst gekommen ist: zur Null. 

Die Zahlenreihe von 1 bis 10 symbolisiert das zeitliche Leben und vor allem das Menschenleben, in dem der Geist anwesend ist. Das zeitliche Leben ist nichts anderes als eine Übungsschule für die aus der Null herabgestiegene Eins, und diese Übungsschule endet mit dem Aufstieg zu derselben Null. 

Die Schwierigkeiten des Lebens, Kampf, Aufregungen treten vor allem in der ersten Phase auf, der Phase der Eins. Eine wirkliche Eins zu werden, ist nicht leicht. Sobald man aber eine Eins geworden ist, sind die folgenden Zahlen zeitliche Phasen, in denen man sich nicht lange aufhalten soll. Sie bilden die Stufen einer einzigen großen Arbeit. Dabei ist die Acht die Phase des Absprunges in die Finsternis, der unvermeidlich ist. Diese Finsternis ist immer Illusion. Für die Seele ist sie nicht vorhanden; nur durchschaut das Ego diese Finsternis nicht immer. Darum sagt man auch, daß aus der Acht keine Rückkehr möglich sei: sie ist Tod oder Auferstehung. 

Der vom Geist beseelte Mensch der Sieben muß sich hier "außer acht lassen" oder sich mit TodesverACHTung verleugnen. Das ist die Symbolik des Todes, die mit der Zahl Acht verbunden ist; auch in der Astrologie ist das achte das sogenannte Haus des Todes, nicht das zwölfte. Jeder bewußt lebende, spirituelle Mensch erwartet die Acht; denn er kennt die Bedeutung des Hexen-Einmaleins. Nach der Acht wird er die Neun, der Eremit des hermetischen Tarot, der wieder eine Eins ist. Sie unterliegt keiner Veränderung mehr; sie bleibt sich unter allen Umständen gleich. Aber dennoch ist in ihr kein Stillstand. In der Arithmetik ist die Neun eine selbständige Zahl. Niemand kann dieser Neun ihre Kraft nehmen. Inmitten der Menschen, die den Eremiten quälen und auslachen, anbeten und verachten, bleibt er unangreifbar stehen, erhaben und majestätisch in seiner geistigen Kraft. 

Aus der ersten Eins mußten alle übrigen Wachstumsperioden noch hervorkommen, die durch die Zahlen bezeichnet sind. Die letzte Eins hat sie alle wieder in sich aufgenommen und sich dadurch bereichert (1.Kor. 15,45). Nun kann sie zum Himmel auffahren. Auf der Erde ist der Mensch der Eins kein Unwisseder, wenn er ein geistig lebender Mensch ist, auch kein Zweifler und kein Mensch, der Kompromisse schließt. Er ist er selbst und weiß, was er will. Seine Nächsten erfahren seine Kraft, sei sie nun angenehm oder unangenehm, aber er ist niemals ohne Wirkung auf seine Umgebung. Seine Ausstrahlung ist jedoch von seiner geistigen oder materiellen Lebenseinstellung abhängig. 

Wenn der Mensch der Neun wirklich seinen Auftrag begreift, kann er zum Segen für seine Mitmenschen werden; wenn nicht, dann wird er - wie bereits gesagt - ein Besserwisser oder ein Fluch. Aber er wird nicht in Anonymität untergehen. Er hat eine Macht in sich und kann sie verwenden, wie er will. Seine Lebenserfahrungen und seine geistige Einsicht machen ihn zu dem, was er ist, zu einem Einzelgänger in der Menge, einem Sonderling, einem auffallenden Menschen, gleichgültig auf welchem Gebiet. 

Auch das Hexen-Einmaleins versetzt ihn in die Isolierung. Diese Isolierung muß aus der Intensität der Lichtschwingungen entstehen, die von seiner Aura ausgehen. Das gehört zur Erscheinungsform des Menschen der Neun. Wenn dies in ihm Wahrheit geworden ist, erfahren ihn seine Mitmenschen als jemanden, der den Himmel in sich trägt, den er nur einst in die Ewigkeit zurückzutragen braucht. Dann wird er eine Zehn und nichts mehr sein als die Ewigkeit selbst, aber eine Null oder ein Nichts in den Augen der zeitlichen Welt. In ihm ist die Zeitlichkeit aufgelöst. 

Gepriesen sei der Mensch, der diese Zeitlichkeit der Ewigkeit übertragen hat; denn dadurch ist die zeitliche Natur zurückgegangen zu ihrer Vater-Mutter, der geistigen Natur, und der "Sündenfall" und alles, was damit zusammenhängt, wurde in der Vergessenheit aufgelöst. 

Dann wird die Ewigkeit ihre Geheimnisse wieder den Geistern zu Gehör bringen, die in Gott sind. Und diese werden sie nicht ein zweites Mal der Zeitlichkeit preisgeben, die sie nicht versteht.

©1970-2013 Henk und Mia Leene