Die Geduld liegt im Gebein


"Das Wort Geduld ist ein Schatz in dem Haus."


Seit der ältesten Zeit hat es immer wieder Gruppen gegeben, deren Ziel es war, den Menschen in seiner menschlichen Würde wiederherzustellen. Meistens gehen  sie von dem Gottesfunken in dem Menschen aus. Der Mensch ist seinem Inneren nach ein Gott. 

Hierauf läßt sich natürlich manches aufbauen; man kann das Ego verschönern, die sozialen Gesetze revidieren, Humanismus praktizieren, edle Gaben entwickeln.

Will man wahrlich Mensch werden, so muß man einen unübersehbaren Weg gehen, denn die Gesellschaft liefert ein deutliches Bild vom unwürdigen Verhalten des Menschen. 

Wenn man die Ideale dieser Bewegungen vernommen hat, so lautet die erste Frage immer: Was hat deine Gruppe zum Wohlergehen oder zur Einsicht oder zum Adel des Menschen beigetragen? Fast alle Gruppen bleiben die Antwort hierauf schuldig und verweisen auf das Verhalten eines Einzelnen, der entweder caritative oder humanistische Dienste verrichtet. Dazu braucht man sich jedoch nicht einer Bewegung anzuschließen, die sich auf den Gottesfunken in dem Menschen gründet; auch ohne dieses Bewußtsein kann der Betreffende ein wertvoller Mensch sein oder werden. 

Es geht um den Menschen als Individuum, den wir den Pilger, den wahren Sucher, den wahren Kandidat nennen wollen. Der wahre Sucher geht ebenfalls von dieser Idee des Gottesfunkens aus und beabsichtigt jedoch etwas mehr, wie die Alchemisten, die diesen Gottesfunken im Denken, Fühlen, in den Empfindungen und im Handeln sich entzünden lassen, damit sich diese Repräsentanten des Egos verändern. Jeder Mensch ist egoistisch, das ist normal und begreiflich.

Wenn man auch die Existenz eines Gottesfunkens anerkennt, sie sogar erfährt, so lassen sich doch das Ego und die egoistische Lebenseinstellung niemals verleugnen. 

Konsequent durchgeführte Selbsterkenntnis zeigt dem Menschen deutlich, daß sein Ego im Mittelpunkt steht, in seiner Familie, in seiner Arbeit, in seiner Verbindung mit der Gesellschaft. 

Die Familie ist eine Zelle, in der sich Egos so gut wie möglich aufeinander einstellen; wird diese Zelle zu einem Arbeitskreis, zu einer Gruppe, einer Vereinigung erweitert, dann werden die Schwierigkeiten größer. Das Ego möchte sich nicht preisgeben, und selbst in caritativen Tätigkeiten befriedigt es sich im Gefühlsmäßigen, im Denken, im Handeln oder auch im Wünschen. Keiner ist frei von Egoismus. Wo sich das Ego am wohlsten fühlt, da fühlt auch der Mensch sich wohl, an seinem Platze. 

Dies kann man in vielen Bewegungen feststellen, die zwar idealistische Ziele propagieren, jedoch so viel Wasser in ihren Wein schütten müssen, damit jedermann ihn trinken kann! 

Die wahren Sucher haben jedoch allen diesen Bewegungen eines voraus: Sie haben ins Leben tief eingreifende Prinzipien, und sie stellen den wahren Pfad an die erste Stelle. Sie lassen nicht zu, daß diese idealistische Einstellung von Egointeressen beherrscht wird, wenigstens wird dies vorausgesetzt. In der Praxis ist es ein erstrebter Zustand.

Der wahre Pfad kann nicht auf den zweiten Platz gerückt werden. Das ist auch der Grund, weshalb die Pilger zu den kleineren Gruppen gehörten und immer gehören werden, zu den Einzelnen. 

Ein solcher Mensch nimmt das Leben ernst, und vor allem, er nimmt sich selbst ernst, weil er sich als Träger eines Gottesfunkens sieht. Der Träger eines Gottesfunkens kann nicht beliebig mit allem umspringen und unaufhörlich Kompromisse schließen. Es gibt Kompromisse, die dieses Gottesfunkens nicht würdig sind und die seine Existenz sogar in Gefahr bringen können. 

Deshalb wollen wir versuchen, die sechzehn Punkte des wahren Pilgers zu besprechen. Sie sollen gleichsam eine Besinnung sein, der Inhalt einer Meditation, denn sie stellen ein Ganzes dar, das Bild eines Pilgers. 

Die sechzehnte Karte des Tarot stellt die Verwüstung dar, den Turm, der, vom Blitz getroffen, umstürzt. Kommt in dieser Darstellung nicht wunderbar die Lehre des Pilgers zum Ausdruck? 

Es steht fest, daß die Verwirklichung aller dieser sechzehn Punkte zusammen den alten Menschen, das alte Ego umwirft. Man kann sich in allen möglichen angenehmen Charakterzügen zeigen, diese unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. So wird es unter diesen sechzehn Punkten Eigenschaften geben, die den einen mehr ansprechen als den anderen. Jeder von ihnen ist der Anknüpfungspunkt für einen bestimmten Menschen, entsprechend seinem Typ. Worauf es jedoch ankommt, ist, sich darin zu üben, oder zu lernen, gerade diejenigen Gaben zu erwerben, die einem sehr wenig liegen.

Die sechzehn Punkte sind eine Materialsammlung, mit der das Instrument gereinigt und verfeinert werden kann. Zu einer Egokultur kann es nicht kommen, weil die Gesamtheit dieser sechzehn Punkte ein inneres Aufgebrochenwerden bewirkt. Egokultur beruht immer auf dem Kultivieren bestimmter Eigenschaften; unter den sechzehn Punkten befinden sich Gaben, die über die Egomacht hinausführen.

Der Gottesfunke, der sich mit dem menschlichen Instrumentarium behelfen muß, kann leichter von menschlich wertvollen Gaben Gebrauch machen als von menschlicher Unwürdigkeit. 

Menschliche Unwürdigkeit schließt ein Wachstum des Gottesfunkens aus, das ist logisch!

Zur Unwürdigkeit gehört z.B. Scheinheiligkeit, Lügenhaftigkeit, Unzuverlässigkeit, Ehrfurchtslosigkeit gegenüber geistigen Dingen. 

Es gibt keine einzige Religion, die ihre Anhänger eines solchen Verhaltens wegen ausschließt. Ein Ausschluß ist immer eine schwierige Sache. Wenn man jedoch von einer Lebenseinstellung sprechen kann anstatt von einer Religion, wie sich auch der wahre Pfad außerhalb und oberhalb der Religion bewegt, wird die Sache ganz anders. Dann kommt man auf das Niveau der Mysterienschulen, die zu allen Zeiten die Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten vereinigten, deren Forderungen aber strenger, prinzipieller und einschneidender waren als die der bekannten Religionen.

In diesem Sinne gibt es keine Mysterienschulen mehr; jene, die sich als solche bezeichnen, sind eine Imitation, eine äußerliche Fassade, hinter der strenge Prinzipien, innerer Adel und Spiritualität zu konventionellen Bräuchen erstarrt sind. Bräuche, mit denen der Mensch sein Gewissen beruhigt. Es versteht sich von selbst, daß das Ganze dann zu einem geselligen, manchmal kultivierten bequemen Vereinsleben entartet.

Der wahre Pfad kann sich jedoch niemals in einem Vereinsleben, noch in erstarrten Symbolen und Bräuchen lebendig halten. 

Wenn der innewohnende Gottesfunke belebt werden muß, und darum geht es dem wahren Pilger, dann muß er etwas tun, an sich arbeiten, darf er sich nicht mitführen lassen auf dem Strom der Verflachung, der geistigen Bequemlichkeit und lähmenden Dogmatik.

Hinter jedem der sechzehn Punkte leuchtet eine Öffnung, durch die der Gottesfunke nach außen treten kann. Die Geduld ist nicht einfach nur eine schöne menschliche Eigenschaft; es gibt Menschen mit einer unglaublichen Geduld, aber auch Katzen z.B. haben Geduld. Es gibt eine Geduld, die den Plänen des Egos dient; in vielen geschäftlichen Dingen ist Geduld goldwert. Diese Art der Geduld meint der wahre Pilger nicht!

Die Geduld ist der erste Punkt in der Reihe der Sechzehn. Die Geduld ist das Fundament, auf dem der Mensch an seiner geistigen Wirklichkeit zu bauen beginnt. Die Geduld liegt im Gebein, so steht es im Buch Henoch, und das Gebein des Menschen wird von Saturn beherrscht. 

Beachten Sie die Übereinstimmung: Die Geduld ist das Fundament, auch im physischen Menschen; ohne Gebein (das Knochengerüst) ist man nichts!

Diese Geduld liegt im Griff von Saturn oder von Satan. Viel Geduld wird aufgebracht, um satanische Vorhaben zu verwirklichen. Man kann also sagen, daß sich bereits diese Geduld verändern muß. Einer, der keine Geduld hat, ist bestimmt kein wertloser oder schlechter Mensch, jedoch beabsichtigt er nichts Einschneidendes. Ungeduldige Menschen verwirklichen keine großen Dinge, weder in der Spiritualität, noch in der Materie. 

Die Geduld muß anwesend sein, wenn der Mensch ein wahrer Sucher werden will.

Die Geduld ist mit anderen Gaben verwandt: mit der Verträglichkeit, der Gleichmäßigkeit, dem Mut. In dieser Geduld wird der Mensch ein Abwartender. Die Geduld ist wie eine reinigende Kontrolle, die sich im Menschen abspielt. Geduld verlangt Ruhe, Stille, Unbewegtheit, Verträglichkeit und noch viele andere Eigenschaften; über Aufwallungen, Unbeständigkeit, Verständnislosigkeit kann sie sich nicht offenbaren.

Die Geduld ist eine Eigenschaft des Erdetyps, d.h. er hat eine Gabe, die ihn lehrt, seine Zeit abzuwarten. Die Geduld des Erdetyps ist Egogeduld, eine Eigenschaft, die er für seine Egointeressen einsetzt. 

"Ich kann warten" oder "Meine Zeit wird schon kommen", sagt ein solcher Mensch. Täuschen Sie sich nicht in bezug auf diese Menschen und beneiden Sie sie nicht wegen ihrer natürlich-planetaren Begabung. Andere haben wieder andere Gaben.

"Ich habe keine Geduld", ruft so manch einer verzweifelt aus, denn er weiß, daß die Geduld die Voraussetzung für eine Überwindung ist. 

Die Geduld des wahren Pilgers kann man in sich aufrufen, freimachen, denn sie ist in jedem Menschen latent verborgen; sie war die Voraussetzung für seine Schöpfungsgestalt.  Wenn man sich entspannt - und ungeduldige Menschen können dies nur sehr schwer, dann kommt eine bestimmte Ruhe über einen, ein Gefühl des Friedens. Breitet man diese Entspannung aus und benutzt man sie für eine geistige Meditation oder Ausrichtung, dann dringt diese Ruhe in den Menschen ein als eine Belebung einer jeden Zelle seines Organismus. 

Ohne Geduld erreicht man nichts, aber auch ohne Konzentration, eine starke Ausrichtung, erreicht man nichts, und diese sind eine Verlängerung der Geduld. 

Ungeduld ist eine Form von Disharmonie, von einer Unaus-geglichenheit des inneren Zustandes des Menschen; Ungeduld ist die Frucht von Unglaube, einerlei, worauf sich der Glaube beziehen mag. 

Geduld bringt Unantastbarkeit mit sich, man läßt die falschen Erscheinungen an sich vorbeigleiten und wartet auf das einzig wahre Bild.

Die Geduld liegt im Gebein, aber im Gebein liegt das Mark, und dieses erzeugt die Blutkörperchen; und man weiß, was das Blut für ein "besonderer Saft" ist! Auch hier also die entscheidende Bedeutung des Fundamentes, auf welchem Leben entsteht. 

In der Geduld liegt die Lebenssubstanz für einen neuen Turm, für eine neue Sicht des Lebens, für eine geistige Umwendung. Die geistige Geduld baut die Zellen für den Lebenssaft des ursprünglichen Menschen; geistige Geduld nährt den Gottesfunken. Alle geistige Substanz konzentriert sich in der Geduld, und dies erkennt man unmittelbar am Reagieren eines geistig geduldigen Menschen. 

Er kennt weder Prinziplosigkeit, noch Ruhelosigkeit, noch Erstarrung, denn die Geduld inspiriert ihn mit neuen Bildern. Sich zu stärken mit Hilfe der Geduld, ist wie ein sich-Aufladen mit geistiger Kraft. Es ist, als ob Zeit und Ewigkeit sich in diesem Menschen begegneten, und die Zeit verliert immer. 

Für ihn manifestiert sich das Göttliche in: der Geduld. In der Geduld des Geistes, der äonenlang damit beschäftigt ist, den Lichtsohn zurückzuführen und ihm dazu immer wieder eine neue Gelegenheit schenkt, neue Zyklen bildet, sichtbare Formen erneuert. 

Diese Geduld ist u.a. in der gnostischen Geschichte zu erkennen. Immer wieder steht die Gnosis in der Welt auf, unter anderen Namen, mit einem anderen Gesicht, aber immer mit derselben Aufgabe. Sie erstarrt nicht in Organisationen, noch in Zeremonien, sondern sie ist in ihrer Geduld beweglich. 

Geistige Geduld ist elastisch, aber niemals zerbricht sie. 

Wenn diese geistige Geduld als erste Forderung an den Pilger gestellt wird, hat das einen Grund: Der wahre Weg ist undenkbar ohne diese Geduld. Jeder von uns muß dieser Geduld teilhaftig werden und sie dadurch in ihrem wahren Wesen schauen. 

Ein nervöser, gespannter Mensch vernachlässigt die Geduld, ein egoistischer Mensch macht aus der Geduld eine Karikatur, er verwandelt diese fruchtbare Eigenschaft von Mutter Erde in einen gefrorenen Grund, in dem keine Saat aufkeimen kann. Aus der Geduld entsprießt Einsicht, Furchtlosigkeit, spirituelle Aktivität; Selbstaktivität beginnt mit Geduld.

Es ist kein Zufall, daß gerade diese Gabe der Menschheit in unserer heutigen gehetzten Zeit fehlt. Sie wird ihr gestohlen, die Geduld wird in Strebertum verwandelt. So hat die Gesellschaft einen Nutzen davon, und so wird ein gewaltiges gesellschaftliches Gebäude errichtet. 

Man muß die Geduldigen der Erde erfassen und sie die Sache in Gang bringen lassen, das bürgt für den Erfolg.

Der wahre Kandidat darf niemals seufzen: Ich habe keine Geduld, denn sein ganzes Streben muß sich darauf richten, in den Besitz dieser Geduld zu kommen.

Innere Entfaltung, inneres Entdecken, ist eine Frage von Geduld; durch die mit Hilfe von Geduld gewonnene Selbsterkenntnis kann eine künftige Aufgabe niemals mißlingen, weil unangenehme Überraschungen ausgeschlossen sind.

Auch das Tätigkeitswort "dulden" deutet an, was in der Geduld vorhanden sein muß. Ungeduldige Menschen "dulden" viele Dinge nicht, vor allen nicht die Ruhe zur Vertiefung. Im tiefsten Wesen suchen sie die Tiefe der Geduld, sind aber mit dem "dulden" noch nicht ins reine gekommen.

Geduld bedeutet Autonomie. Gibt es etwas Autonomeres als unser Knochengerüst, gibt es eine bedeutungsvollere und selbständigere Arbeit als die Bildung von Blutzellen, die den ganzen Organismus ernähren müssen? 

Der Mensch mit der spirituellen Geduld bildet die Zelle, um die sich die Ungeduldigen scharen, weil sie sich mit seiner Hilfe ernähren. Er ist ihre Erde, ihr "Gerüst"; seine Geduld kommt über sie wie eine Ruhe, wie ein Balsam für ihre gespannte Ungeduld, ein Ersatz für ihren erbärmlichen Glauben und ihre Unsicherheit. 

Wenn der Mensch an seinen Gottesfunken glaubt, und von einem wahren Pilger darf dies doch erwartet werden, dann muß er ganz bestimmt die Geduld entfalten, um aus diesem Gottesfunken etwas aufzubauen. 

Es genügt nicht, seine Existenz zu erwähnen, wie es in verschiedenen Bewegungen getan wird; das bringt keine Entwicklung hervor. 

Wenn diese sechzehn Punkte in vielen interessanten Bewegungen mit schön klingenden Namen zu einer Forderung erhoben wurden, dann verloren sie ihre Kraft. 

Einen Angehörigen einer solchen Bewegung hörten wir einmal sagen: "Ich weiß, daß er mein Bruder in der Bewegung ist, aber als Nachbarn würde ich ihn nicht gerne haben wollen."

Das sagt alles!

Bruderschaft läßt sich nicht erzwingen, nicht in eine Form pressen; Bruderschaft geht wie ein elektromagnetischer Strom von einem Menschen auf den anderen über, wenn eine geistige Aufgabe sie verbindet. Dann wird man sich wirklich zum Bruder, in dick und dünn!  Dann ist es eine Freude, wenn ein solcher Bruder täglich in der Nähe ist. 

Wenn man voneinander weiß, daß man sich wirklich bemüht, die sechzehn Punkte auszutragen, dann verbindet dieses Streben die Kandidaten. 

Vegetarier sind aufgrund des Vegetarismus miteinander verbunden, Abstinenzler durch ihre Enthaltsamkeit vom Alkohol, aber diese Einstellungen verändern den Menschen selbst, seinem Wesen, seinem Charakter nach, absolut nicht. 

Die sechzehn Punkte verändern den Menschen!

Wenn man etwas erreichen will, dann muß man wirklich mit der ersten Aufgabe beginnen: mit der Geduld. Der Kandidat prüfe diese Geduld in seinem Denken, in seinen Gefühlen, in seinem Willen. Besonders dem Willen ist die Geduld oft zuwider, der Mensch möchte schnell etwas besitzen oder verwirklichen. 

Man muß diese Geduld von allen Seiten abtasten; man mache keine Bequemlichkeit aus ihr, dann beraubt man sie ihres Schöpfungsvermögens. 

Geduld ruft man in sich auf, wenn man sich jeden Tag, zu einer geeigneten Zeit, mit dem Geist verbindet, den Glauben vertieft, untersucht und vor allem seinen geistigen Horizont erweitert. 

Man hat niemandem etwas voraus, nur weil man Vegetarier oder Abstinenzler ist und keine Narkotika gebraucht. Enthaltung von diesem allem macht den Menschen jedoch sensibler; und das bedeutet, daß man wahrscheinlich Eigenschaften entwickelt, die der biologischen Existenz entgegengesetzt sind: scharfes Unterscheidungsvermögen, Isolation, sensibles Nervensystem, Abneigung gegenüber vielen biologischen Ausdrucksformen. 

Man wird biologisch empfindsamer, und darum werden grobe biologische Ausdrucksformen dem Menschen schaden.

Man ist bestimmt nicht besser als manch anderer, aber man hat sich auf einen Weg begeben, der einen verändert, biologisch und spirituell. Das kann dazu führen, daß man menschenwürdige Eigenschaften als einen zu vernachlässigenden Besitz ansieht. 

Man vergißt oft, sich als einen Menschen zu sehen, als ein Geschöpf, das mit Millionen von derselben Art zusammenleben muß.

Man kann von denen, die keine Einsicht haben, vieles noch nicht entdeckt haben, nicht erwarten, daß sie sich auf ihre Nächsten einstellen!

Nein, der, der am meisten Kenntnis besitzt, beugt sich zu dem anderen hinüber. Das ist seine Aufgabe, eine selbstverständliche Aufgabe. Auch hierbei spielt die Geduld eine große Rolle. Man muß die Geduld haben, um Einblick in den Nächsten zu gewinnen und dadurch Verstehen und Mitleiden beweisen zu können.  Der wahre Pilger schafft keine Distanz zwischen sich und seinen Nächsten, sondern er macht aus dem Abgrund, der möglicherweise zwischen ihnen bestehen könnte, eine Tiefe voller Schönheit, voll wunderbarer Blumen, so daß dieser Abgrund sie verbindet, anstatt sie zu trennen und zu einem gemeinsamen Interesse wird! 

In solch einer Verbindung zählt das Ego nicht, es wird bedeutungslos, und nur auf diese Weise finden Menschen zu einer Bruderschaft, die durch dick und dünn standhält.

Man betrachte darum die Geduld als eine Verwirklichung, nach der man mit seinem ganzen Herzen und mit seinem ganzen Verlangen nach Heiligung streben muß, denn auf ihr beruht der Erfolg auf dem Weg zum Geist.

©1970-2013 Henk und Mia Leene