"In dem Lotus meiner Seele bist Du, Herr der Herren!"
Da der Mensch in diesem stofflichen Lebensfeld zwischen Materie und Geist, materiellem Interesse und spiritueller Anteilnahme hin- und hergeworfen wird, ist es logischerweise unmöglich, daß er der Herrschaft der sieben Ursünden in einem Augenblick entkommen könnte.
Er lebt in ihrem Reich, einem Gebiet, das von ihrer satanischen Abirrung beherrscht wird. Wie sehr der Mensch auch nach Spiritualität verlangen mag, wie sehr er auch ein Interesse an alter Weisheit, geistigen Methoden hegen möge, wenn ihn die Ursünde regiert, ist all sein Bemühen umsonst.
Man sehe die Ursünde nicht als etwas Abschreckendes an, das man bereits von weitem erkennen könnte. Jede Ursünde kann sich verbergen, denn so wie die ganze Natur zweiteilig ist, so kann auch die Ursünde zwei Gesichter zeigen.
Der Mensch kann sich in seiner eigenen Ursünde sogar gefallen, weil diese ihm die Gelegenheit schenkt, sich hinter allen möglichen Entschuldigungen zu verbergen.
Die Ursünde enthebt den Menschen der Mühe, sich so zu zeigen, wie er wirklich ist. Sie kann als Waffe benutzt werden, aber auch als Verteidigung, als Schild. Der Mensch flieht in seine Ursünde und tröstet sich dann mit dem Gedanken, "daß er nun mal so ist, wie er ist" und "daß er schließlich auch nur ein Mensch ist".
Es steht ziemlich fest, daß ihm in solch einem Augenblick die Verführungsmanöver der Ursünde einen Streich spielen.
In einsamen Augenblicken gesteht sich der Mensch häufig selbst ein, daß er gern einmal einen Augenblick "schwach" sein möchte, d.h. nachgeben möchte, da, wo er immer kämpft.
Seinen Schwächen nachgeben, dem Druck der Ursünde nachgeben, sich einmal richtig gehen lassen.
Da jeder Mensch im tiefsten Wesen ein einziger Kampf ist - der eine kämpft öffentlich, der andere flieht, jedoch sind sie alle in sich widersprüchlich -, empfehlen die Psychiater dem ermüdeten Menschen, die "Zügel einmal laufen zu lassen".
Ununterbrochenes Fliehen vor sich selbst, immer wieder vor dasselbe Dilemma gestellt zu werden, ständig derselbe Kampf gegen die eigenen Schwächen, das bringt manch einen zur Verzweiflung.
Manchmal tragen die Umstände dazu bei, daß der Mensch durch seine schwache Seite, seine Charakterfehler, in die Enge getrieben wird. Er ist dann nicht der Sieger über seine Fehler, sondern sie sind die Sieger geworden und diese Tatsache deprimiert ihn.
Ein spiritueller Mensch will von seinen Schwächen nicht besiegt werden, nur der materiell eingestellte Mensch nimmt dies nicht so tragisch. Aus diesem Grund fällt es vielen spirituellen Menschen in dieser Zeit schwer, geistig aufrecht stehen zu bleiben.
Sie sind der Mitleidlosigkeit und der harten Logik des ungöttlichen Gesetzes nicht gewachsen. Sie leiden alle mehr oder weniger an Nervenstörungen, weil im Nervensystem der ungleiche Kampf zwischen Stoff und Geist ausgetragen wird.
Die Mars-Menschen werden dieser Situation mittels ihrer eigenen Ursünde: dem Zorn, zu entkommen suchen.
Die Widder-Typen werden aufbrausend, ziehen zu Felde gegen alle und alles. Die Skorpion-Typen suchen so lange, bis sie die Ursache des Übels gefunden haben und machen sich dann geflissentlich an die Arbeit, darin herumzubohren.
Aber beide sind sie von einem Verbesserungsdrang besessen.
Der Ritter Michael, der in beiden so stark zugegen ist, zieht immer gegen den Drachen zu Felde.
Anders jedoch verhält sich dies bei den Venus-Typen, die von der Ursünde der Wollust überschattet werden. Sie sind immer geneigt, einer Aufwallung nachzugeben; sie kämpfen nicht, sondern wiegen sich. Doch verhält es sich bei ihnen so wie bei den Mars-Typen: Häufig liegt gerade ihre Kraft in ihrer Ursünde.
Der Widder-Trieb schenkt häufig Offenheit, Taten, Durchbruch in einer kranken Situation; der Skorpion-Trieb bringt manchmal Tatsachen nach oben, die freizulegen andere sich weigern würden, wegen der Mühe, der Konsequenzen oder der Komplikationen.
Der Venus-Mensch gießt immer Öl auf die Wogen, läßt sich nicht aus dem Konzept bringen, gönnt sich selbst eine kleine Freude, weshalb er selten an innerer Verkrampftheit leidet, wird aber krank von psychischen Spannungen, weil seine Art keinen Widerstand dagegen hat.
Da wo Widder und Skorpion "Draufgänger" werden, da wollen die Venus-Menschen lieber entweichen.
Das Leben paßt sich den Typen nun einmal nicht an und darum wird auch der Venus-Mensch wohl einmal gezwungen, deutlich Partei zu ergreifen. Man nimmt wohl manchmal an, daß Venus-Typen feige sind, weil sie nicht mit offenem Visier kämpfen.
Sie sind jedoch feige aus Angst: Angst vor inneren Verwundungen, Angst, den Besitz zu verlieren, Angst vor schmerzlichen Situationen. Darum fliehen sie in die Wollust.
Wie man wahrscheinlich weiß, hat das Wort Wollust zwei Bedeutungen: Seelengenuß und Sinnengenuß.
Für den Venus-Menschen ist es wichtig, daß "genossen" werden kann. Durch den Genuß kann er möglicherweise unangenehme Dinge vergessen oder sie nicht sehen oder sie aufschieben oder übergehen. Die Wollust schenkt diesen Typen vollauf die Gelegenheit, ihrer Schwäche Gehör zu schenken: ihrer Angst.
Bei den Stier-Typen wird diese Angst durch einen unermüdlichen Arbeitssinn verschleiert, nicht so sehr eiserne und harte Arbeit wird gesucht, sondern vor allem Arbeit, die Sicherheit schenkt.
Der Besitz, der feste Boden wird mit Wollust zusammengetragen. Die Genüsse der Sinne sind ebenso vielseitig wie die Maskeraden und die Entschuldigungen des Egos. Das, wonach die Sinne des Menschen ausgehen, bestimmt seinen Charakter, seine Sklaverei.
Herz und Sinne sind gewöhnlich eins!
Wollust geht vom Herz und den Sinnen aus und muß nicht immer ausgesprochen sensuell sein.
Wollüstig Musik genießen, leidenschaftlich etwas eintrinken, mit Wollust etwas betrachten, bedeutet immer, mit Herz und Sinnen in dem Gegenstand untergehen. Ein wollüstiger Mensch ist seines Verstandes beraubt.
Die Waage-Menschen äußern diese Wollust im Sammeln von Schönheit, Dinge, die in ihren Augen einen Wert haben. Man kann auch Lebensgenuß sammeln oder Seelengenuß sammeln.
Sie bedecken ihre Angst dadurch, daß sie einfach nicht zu dem Kern der Dinge hindurchdringen. Ihre Sinne verbieten ihnen schmerzliche Erfahrungen, sie schrecken davor zurück, weil sie um jeden Preis die Maskerade beibehalten wollen, in der sie sich sicher fühlen.
Bedeutet Geld ihnen Sicherheit, dann beten sie das Geld an; bedeutet das andere Geschlecht für sie Genuß oder die Beschirmung gegen die Realität, dann verehren sie das andere Geschlecht.
Alles, was sie gegen die harte Wirklichkeit beschirmen kann, halten sie hoch, sie klammern sich daran fest.
Die Maske der Ursünde von Venus ist verführerisch: sie spiegelt Wohlwollen, Freundlichkeit, Wärme, Gutherzigkeit, aber dieses ist nur Selbstbeschirmung, niemals wahre Nächstenliebe.
Alle Venusmenschen haben ihre Maske bei sich, sie betrügen, um selbst betrogen zu werden. Sie suchen eine Stütze bei dem anderen und sind dem Leben alleine meistens nicht gewachsen.
Venus zwingt sie, auf die Suche nach ihrer "Zwillingsseele" zu gehen, d.h. der verlorengegangenen Hevah oder Eva.
Im niederen Menschen werden dadurch die Sinne verzaubert und noch nicht die Seele, darum werden sie wollüstig.
Ein wollüstiger Mensch braucht kein unnormaler Mensch zu sein, aber er ist ein leidenschaftlicher Mensch, er vergißt alles durch die Wollust. Deshalb werden die Venus-Menschen immer beherrscht: sei es von ihrer eigenen Ursünde, den Lüsten der Sinne, oder von einem Mitmenschen, der sie lehrt, sich selbst zu beherrschen.
Ein entgleister Mensch ist ein Sklave seiner Sinne, so wie jeder unausgeglichene Mensch das Opfer seiner Ursünde ist.
Wenn die Sinne dem Herz helfen, sein Ziel zu verwirklichen, kann keiner einen solchen Menschen zurückhalten.
Dann sitzt es ihm wirklich "im Blut".
Die Sinne und die Seele sind ebenfalls eng miteinander verbunden: wenn die Sinne nicht mehr hinter ihrem Genuß herjagen, bekommt die Seele ihre Chance. Daher meint der Yogi: man müsse seine Sinne bezähmen, einspannen.
Darum ist die Wollust eine vernichtende Sünde, denn der Mensch wird von Genüssen überschwemmt und nicht von Schmerzen.
Die Wollust bringt Genuß, bevor der Schmerz kommt.
Zorn bringt unmittelbar schmerzliche Reaktionen, bereits im selben Augenblick kann dies der Fall sein, aber Wollust bringt, wie es sich für Venus ziemt, zuallererst Betrug: Schönheit, Genuß, Vergessen, Betäubung.
Wollust ist die "Droge"
für Sinne und Seele. Vollkommen mit dem übereinstimmend, was Stier- und Waagetypen wollen: Vergessen, Betrug.
Man wird bemerken, wie jede Ursünde in der Angst wurzelt.
Widder und Skorpion werden mutig und setzen sich durch, aus Angst. Sie fürchten jedoch einen anderen Verlust als die Stier- und Waagetypen. Sie sind besorgt um den Verlust der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Spiritualität.
Die Venustypen bangen um ihre eigene Situation, ihre eigene Sicherheit, ihre eigene angenehme Situation. Der egozentrische Trieb und die egozentrische Leidenschaft der beiden Planeten haben eine vollkommen andere Richtung.
Mars ist auf seine Umgebung gerichtet, Venus ist auf sich selbst gerichtet. Deshalb die mythische Vereinigung von Mars und Venus, um ein Gleichgewicht wiederherzustellen.
Mars greift zu den Waffen, um den Drachen zu bekämpfen, er predigt Gewalt, Krieg, Angriffe. Venus verlangt einen Spiegel, um sich selbst betrachten zu können, weil sie weiß, daß sie schön ist. Fühlt sie diese Schönheit verblassen, dann nimmt sie ihre Zuflucht bei ihren spezifischen Waffen: Wollust, Sinnengenuß.
Auch Spiritualität kann Sinnengenuß bringen, denn sie läßt den Menschen seine eigenen Fehler vergessen.
Typen, die von anderen Planeten regiert werden, sind niemals so raffiniert wollüstig wie die Venus-Typen, denn deren Wollust zeigt sich immer als ein auffallender Fehler, eine Krankheit, eine Verirrung.
Venustypen hüllen sich in das Kleid der Wollust, und ihre Mitmenschen machen ihnen dafür noch Komplimente.
Wenn der Venusmensch Angst vor der eigenen Wollust, der Leidenschaft des Vergessens hat, dann flieht er u.U. auch in die spirituelle Wollust: er übergießt sich mit geistigen Theorien.
Gerade die Selbsterkenntnis kann einen solchen Menschen an den Rand der Verzweiflung bringen, denn Selbsterkenntnis bringt den Spiegel der Wahrheit. Und doch könnte der Venusmensch so ungeheuer viel auf spirituellem Gebiet verwirklichen, denn Wollust kann auch zu Seelengenuß werden, wenn seine Angst überwunden wird und er lernt, seine Sinne im Zaum zu halten.
Den straffen Zügel, den diese Menschen brauchen, suchen sie häufig an der verkehrten Stelle. So wie die Übergabe für andere ein Problem und eine schwere Aufgabe ist, so ist sie für den Venusmenschen kein Problem, sie ist seine Schwäche!
Ein strenges inneres Gesetz ist die einzige Auflösung für ihn!
Der Peitsche des Vaters versuchen sie zu entkommen, und mit Hilfe ihrer Maskerade finden sie immer Mitmenschen, die ihnen dabei behilflich sind, aber sie entkommen den Konsequenzen nicht: auch ihre Rechnung muß bezahlt werden.
In dieser Schule des Lebens wird einem jeden die Rechnung präsentiert. Es spielt keine Rolle, ob die Ursünde des Menschen freundlich oder abstoßend aussieht, die Rechnung ist dieselbe.
Und sie wird ihm persönlich angeboten.
Ein Seelenweg legt die Sinne an die Zügel, es wird keine fanatische Lebenshaltung verlangt mit Selbstkasteiung, Hungerkuren und zellenmäßiger Isoliertheit, wohl aber muß der Mensch zwischen Sinnen und Seele wählen, die eine Wollust oder die andere Wollust.
Der Seelengenuß, der aus den Sinnen kommt, ist Selbstbetrug und immer sensuell. Erst der Seelengenuß, bei dem die Sinne schweigen, bei dem aber das Herz genießt, sich selbst gibt, ist spiritueller Genuß.
Hevah wieder zu empfangen, ist eine Wahrnehmung des Herzens und der Seele, niemals des Herzens und der Sinne.
Wer seinen Sinnen sklavisch folgt - und das tut jeder Mensch, der seine Intelligenz und sein Gewissen ausklammert -, ist ein Lüstling, auch auf religiösem Gebiet.
Er begeht spirituellen Selbstmord.
Der Venusmensch ist intuitiv, wenn er Hevah folgt, aber er ist instinktiv, wenn er Eva und seinen Sinnen folgt.
Dann kann er wie ein Tier werden (z.B. der Stier), ein Leichtfuß, ein wollüstiges Tier, getrieben von seinem natürlichen Trieb.
Mann kann die Wollust in das Denken zurückdrängen und die Tat nicht ausführen, aber das heißt nicht, daß die Wollust verbannt ist.
Venus und Mars, zwei einander entgegengesetzte Herrscher, würden, wenn sie einander die Hand reichen und beide spirituell ausgerichtet sind, die höchste Verwirklichung bringen können.
Michael, der um Hevahs willen kämpft, ist die reinste Verwirklichung. Der Venusmensch muß ein Hevahmensch werden und die Reinigung wird vor allem im Herz stattfinden müssen, in dem Interesse, das das Herz sucht. Dann folgt das Denken von selbst.
Die Ursünde des Menschen bricht aus ihm los, vor allem in gespannten Situationen, und dann sieht er, wer neben ihm steht: Satanael oder Gott.
Es geschieht nicht umsonst, daß jeder Mensch von Zeit zu Zeit in eine solche Situation geführt wird. Behält er einen klaren Kopf, dann kann er in einem solchen Augenblick wissen, wer er ist und daraus seine Lehre ziehen.
Der Mensch wandelt mit Gott oder mit Satanael, einen Zwischenweg gibt es nicht. Alle spirituellen Theorien ändern nichts an der Realität!
Er erhält dann und wann die Gelegenheit, sich selbst zu prüfen, und wenn er dann realistisch ist und den Test deutlich erkennt, dann kann ein Fortschritt gebucht werden. Darum ist ein hartes Leben häufig ein gesegnetes Leben, wenn der Mensch das nur einsehen wollte.
Und sieht er es ein, dann wird das Harte sanft, und der Schüler kann ein Meister werden.
Man schaue darum seinen Lebenspfad bis in die Tiefen und blicke hinüber über die Höhen, man sehe den Abgrund und man sehe den Weitblick, und so bereichert der Mensch sich selbst, so daß sich einmal das Neue Land vor seinem Blick ausbreitet und der Willkommensgruß als ein Überwindungslied auf ihn zukommt.