"Wieviele Wellen werden sich noch brechen an dem Strand meiner Widersetzlichkeit, ehe mein Herz Dich findet, Schöpfer?"
Man hat sich auf den inneren Reichtum, den jeder Mensch besitzt, gerichtet; um jedoch zu einer praktischen Anwendung dieser inneren Kraft zu kommen, muß man von dem geistigen Schatz überzeugt sein. Sicherheit ist Bedingung, um den Nächsten etwas übertragen zu können: eine geistige Sicherheit, die von innenher zu den Nächsten ausstrahlt.
Schließlich darf man nicht nur damit beschäftigt sein, sich selbst inneren Reichtum zu verschaffen, sondern man muß vor allem sein Augenmerk darauf richten, den in geistiger Armut oder Not befindlichen Menschen beizustehen.
Das ist die Basis der geistigen Nächstenliebe. Es ist daher notwendig, daß man sich geistig ständig auflädt, will man imstande sein, Kraft abzugeben. Es wird von jedem ernsthaften geistigen Menschen erwartet, daß er sich täglich, solange er dazu fähig ist, auf den Geist richtet, ganz auf seine eigene Weise.
Wer vom Geist inspiriert wird, wird sich täglich spontan mit diesem Geist beschäftigen. Je größer das Bedürfnis ist, sich in diesen Geist zu vertiefen, desto kräftiger wird sein Aufladen sein, und desto besser wird er seinen Nächsten von Dienst sein können.
Wie man weiß: spontan in Gedanken und Gefühlen mit dem Geist beschäftigt zu sein, ist viel wertvoller, als ein auferlegtes tägliches Meditieren oder dergleichen. Das spontane Reagieren kommt direkt aus dem Herzen, und wo das Herz ist, da ist der Mensch selbst. Bedingung für den Dienst am Nächsten ist das Wissen um die Not der Mitmenschen und vor allem das Bedürfnis, Abhilfe zu schaffen. Gleichgültigkeit seinen Nächsten gegenüber behindert den Menschen, spontan Liebe auszutragen, somit geistig etwas für sie zu tun. Man muß auch alle Gedanken an eine vermeintliche eigene Unwürdigkeit oder Unvollkommenheit fahren lassen, das behindert die geistige Ausstrahlung.
Die innewohnende geistige Kraft ist vollkommen, und wer der Mensch ist, der sie ausstrahlt, ist unwichtig; der Mensch ist nur ein Durchlaßkanal. Daher sich nicht mit sich selbst beschäftigen, sondern das wirkliche "Nicht-Sein" praktizieren.
Einer, der von Mitgefühl oder Mitleben mit den Nächsten bewegt ist, praktiziert spontan die Selbstvergessenheit. Das Praktizieren kann man dann vergleichen mit geistiger Genesung, die Dauerhaft ist und die sowohl körperlich als auch psychisch eintritt.
Vor allem im Notfall ist es wichtig, mit Gleichgesinnten die Kräfte zu bündeln. Das "Bündeln" ist sehr wichtig.
Man muß direkt, wenn es nötig ist, geistige Kraft freimachen können und keineswegs erst mit allerlei albernen oder egozentrischen Belangen beschäftigt sein.
Um zu einer selbstvergessenen Lebenshaltung zu kommen, ist es ausgezeichnet, für andere tätig zu sein. Das ist besser als jede andere Methode, die Selbstkasteiung oder strenge Pflichten vorschreibt. Das spontane Mitleben mit den geistig armen Nächsten ist der Ausgangspunkt für die geistige und humane Nächstenliebe. Das Herz ist der Motor für die Liebe; in Verbindung mit der Seele wird es die Triebkraft für die geistige Liebe.
Niemand kann sein Herz verändern, aber man kann wohl sich gegenseitig aufmerksam machen auf die einfache und selbstverständliche Basis für ein geistiges Bewußtwerden. Philosophie macht den Menschen niemals bewußt, sie ist nur aufklärend.
Sich bewußt zu werden von einer Verantwortung gegenüber der Schöpfung und ihren Geschöpfen ist eine Frage von innerem Wachstum. Ein geistiger Mensch erkennt sich selbst als wertvollen Teil innerhalb der Schöpfung und versteht vor allem seinen Auftrag aus seiner geistigen Kenntnis heraus.
Kenntnis legt dem Menschen eine Last auf die Schulter, die er nicht abwerfen kann und die er auch nicht abwerfen will. Man muß davon durchdrungen sein, daß man mehr Einsicht besitzt als der Durchschnittsmensch; gleichzeitig wird man dann verstehen, daß diese Einsicht den Menschen an die Nächsten kettet.
Der alte Drang, "frei" zu sein, setzt sich somit um in ein spontanes Gekettetwerden an die Mitgeschöpfe, aus Liebe.
Daher wußten die alten Weisen, daß geistige Freiheit die höchste Form von Gebundenheit ist. Unreife geistige Menschen verstehen das noch nicht, sie sind noch dabei, sich freizukämpfen von falschen Verbindungen, aber in einem gegebenen Augenblick hat man es hinter sich gelassen.
Das kann man auch erfahren, weil man das Bedürfnis hat, mit der Kenntnis und der Liebe etwas zu tun.
Dem "sich-Füllen" folgt dann spontan das "sich-Wegschenken". Man vergesse nicht, daß "Nehmen und Geben" zueinander gehören und das eine nicht ohne das andere bestehen kann.
Wer sich nicht füllt, kann nicht schenken und wer sich füllt, wird gezwungen werden zu schenken, da er sonst geistig und organisch krank wird.
Dieser Drang zum sich innerlich Aufladen und zum spontanen Austeilen entspringt einer geistigen Bewußtwerdung. Man will dann nicht länger nur für und mit sich selbst beschäftigt sein, noch sich mit geistigen Dingen die Zeit vertreiben als eine Art Hobby, sondern man hat das Verlangen, etwas zu tun.
Und nun ist es bei der geistigen Arbeit nicht wichtig, wo man wohnt oder welche Arbeit man in der Gesellschaft verrichtet oder in welchen Umständen man sich befindet. Wenn etwas verbindet, dann ist es wohl die geistige Arbeit! Voneinander zu wissen, daß man damit beschäftigt ist, Kraft zu bündeln und/oder wegzuschenken.
Dieses Tun wird den Menschen ebenfalls individuell verändern, man wird so zu einem tätigen Teil des großen Alls. Dadurch wird man weniger egozentrisch und löst sich somit von irdischen Dingen.
Nicht das pflichtgemäße oder gezwungene Loslösen verändert den Menschen bis in das Herz, sondern das Bewußtsein, seinen Mitgeschöpfen beistehen zu müssen.
Inneres Licht schwächt sich ab und kann völlig erlöschen, wenn man Es nicht anwendet, um seinen Nächsten zu leuchten.
Dafür gibt es zahllose Beispiele. Die Augenblicke der Besinnung sind vor allem dazu da, um ein Durchlaßkanal zu sein für die geistige Kraft, die sich auf der Erde, in der Natur ausbreiten kann. Solch eine Lebenseinstellung ist viel zweckmäßiger als eventuelle Proteste gegen die Umweltverschmutzung und dergleichen.
Da der Geist augenblicklich aus Natur und Mensch vertrieben wird, müssen mehr Pforten hinzukommen, die den Geist an Natur und Mensch übertragen. Man kann hier also von einem Heilungsprozeß sprechen, sowie von einem Wiederverbinden von Geist, Seele und Mensch oder Natur.
Nochmals: niemand ist schwach, der die geistige Kraft in sich selbst eintreten läßt, und jeder sich sehnende Mensch verlangt nichts anderes als die geistige Kraft einzulassen.
Wie? Indem man einfach - aus dem Herzen heraus - den geistigen Interessen den Vorrang gibt über alles, sich nicht ablenken läßt durch Scheinmanöver oder Trugschlüsse. Das intuitive Bedürfnis an Geist immer befriedigen durch geistige Themen, Besinnungen, Literatur und alles, womit man sich geistig harmonisch fühlt.
Nichts auf morgen verschieben, sondern es heute tun.
Nichts ist so heilend für Körper und Seele, als sich täglich mit dem Geist zu beschäftigen. Ausschließlich aus innerem Bedürfnis und nicht aus Zeitvertreib.
Die Quantität und Qualität des innerlichen Bedürfnisses sind das Kennzeichen des geistigen Zustandes des Menschen.
Dort liegt die Auflösung für die Probleme und das mögliche "geistige Scheitern".
Aber ein minimales Bedürfnis kann größer werden, wenn man es nährt, geistiges Brot setzt die Seele an zu größerer Sehnsucht. Wer seine Nächsten liebt wie sich selbst, trachtet danach, ständig genügend geistiges Brot bei sich zu haben, um seine Nächsten vor Hunger und Verzweiflung zu retten.
Denn wer auch bei ihm anklopfen mag, einerlei zu welcher Stunde des Tages, muß sein Herz offen und bereit finden.
Dann wird man Wunder geschehen sehen, die man vielleicht nie vermutet hätte.