Das Pentagramm - Das wahrhafte Lauschen


"Solange die Zeit nicht drängt, brennt man keinen Weihrauch; wenn es dringend wird, umklammert man die Füße von Buddha."


Der Mensch muß mit seiner inneren Verwirklichung zu leben beginnen, er muß wirklich lauschen lernen, sich von der gefundenen Wahrheit überzeugen und sein Leben damit bereichern. Der Mensch muß vom Geist durchzogen sein; keiner kann diesen dem anderen übertragen, daher muß man lauschen und tun.

Es gibt Menschen, die nach einer Methode fragen, um diesen Geist finden oder verwirklichen zu können: Es gibt keine Methode.

So wie jeder Mensch einmalig ist, so ist auch die Art und Weise, wie dieser Mensch den Geist erfährt, auf seine Individualität abgestimmt. Man kann lediglich sagen: Jeder findet den Geist, der in seiner Seele wahrlich danach verlangt und seinem Verlangen die Praxis der Einheit zwischen Seele und Geist hinzufügt.

Einheit ist unmittelbar anwesend, wenn die Seele ein Verlangen danach hat. 

Jede Meditation oder Konzentration oder Besinnung wird wie ein Ruf der Seele sein, einerlei, zu welcher Stunde, einerlei, wie lange und wo; die Intensität ist ausschlaggebend.

Der Mensch kann den Urschrei der Seele nicht lernen, noch seiner mittels Übung teilhaftig werden. Die Seele schreit in Bedrängnis, und Bedrängnis ist eine Folge ihrer unterdrückten Göttlichkeit. Einer, der solch eine Bedrängnis nicht kennt, sucht nach Ersatzmitteln.

Man kann der Seele nicht vorschreiben, zu welcher Stunde und wo sie sich bedrängt fühlen und nach dem Geist rufen muß; sie reagiert zu ihrer Zeit, und der Mensch spürt dies am deutlichsten, wenn er sich in seelenpeinigenden Umständen befindet. Diese können sich von Mensch zu Mensch unterscheiden.  Geistige Beklemmung empfindet die Seele, wenn man sie in ihren Bewegungen einengt.

Alle Momente der Besinnung sind wie eine Flucht der Seele zu ihren Himmeln, wenn der Mensch eine in Gefangenschaft leidende Seele besitzt.

Deshalb auch wird es - wenn alles gut bestellt ist - keine festen Stunden der Besinnung geben; es wird sie jeden Tag geben, zu den ausgefallensten Zeiten. 

Die Seele reißt den Menschen mit sich fort auf ihrem Himmelsflug, wenn jener einen Augenblick lang ruhig ist. 

Jede Methode schreibt der Seele Regeln vor, in der Annahme, daß sie sich strikt danach richte. Wer ist der Mensch, daß er der Seele, dem kleinen Gott Regeln vorschreiben wollte? Wo ist der Meister, der Gott sagen könnte, wann er Ihn empfangen kann? 

Gott ist allgegenwärtig, und Allgegenwärtigkeit und ewige Gegenwart bedeuten, daß Gott, in jedem Augenblick des Tages, in die Seele, in das Herz eintreten kann. 

Jede vorgeschriebene Meditationsmethode ist aufgepfropft auf das menschliche Begehren und den menschlichen Willen. 

Einer, der gerne, aus freiem Willen, also freiwillig, nach der Seele lauschen möchte, kann sogar von einer Einkehr überfallen werden, wo auch immer! Sein "Mantram" ist der Ruf der Seele, den sie, nahezu unaufhörlich, aussendet.  Zu beklagen sind jene, die diesem Ruf der Seele nachjagen, um sich seiner zu bemächtigen, denn je mehr man jagt und strebt, desto unwirklicher wird er. 

Wenn man sagt: Der Mensch muß lernen zu meditieren, so heißt das ganz einfach: Der Mensch muß lernen, sich selbst nicht für so wichtig zu halten. Er muß verstehen lernen, daß sich nicht alles um ihn dreht, daß nicht er es ist, der selig oder glücklich werden muß, daß er nicht gezwungen wird, zu unmöglichen Zeiten zu meditieren. 

Einer, der vor seinem Gott still sein kann, kann - von innen heraus - meditieren, im rechten Sinne des Wortes. Dieses "still sein vor Gott" ist ihm ein Bedürfnis, er kann niemals genug davon bekommen. 

Und kommen schwere Zeiten, dann bemerkt er, wie er innerlich genährt wurde, und er Widerstandskraft empfing, um alles Erdenkliche zu durchstehen und zu bestehen. 

Sich selbst geistig aufzuladen, beruht auf der Verbundenheit zwischen Geist, Seele und Mensch; ist diese Verbundenheit schwach oder minimal, dann bedarf es anderer stimulierender Injektionen. 

Da der geistige Weg sich im Menschen selbst befindet, kann man diesen  Weg niemals von ihm trennen. So wie der Mensch ist, so ist sein Weg!

Der immer wiederkehrende Rückfall in die materiellen Interessen und Bindungen ist ein Beweis für die unstabile Einheit zwischen Geist, Seele und Mensch. 

In einer äußersten Notsituation wird der Mensch dann gezwungen, sich seiner Seele oder seines Gottes zu erinnern. 

Es hat absolut keinen Sinn, sich zur Besinnung zu zwingen, noch zur Spiritualität, wenn alle geistige Nahrung mit unwichtigen Tätigkeiten vertan wird.  Seine edle Nahrung bewahren und bewachen und sie zum Nutzen eines jeden anwenden, das ist der Weg, um auch selbst geistig lebendig zu bleiben.  Manch einer vergeudet leichter den Geist als sein Geld. Das ist bezeichnend! 

Bei einer zu treffenden Entscheidung wird dann auch immer all das, was mit materiellen Dingen und Interessen zu tun hat, den Vorrang vor dem Geist haben. Eine solche Einstellung kann man nicht durch eine sogenannte geistige Methodik verändern. Allenfalls bedeckt man diese Einstellung. 

Die einzige Möglichkeit, um von einem suchenden Menschen zu einem geistig reifen Menschen zu werden, ist: lauschen nach der Seele, wie einfach oder enttäuschend dies auch klingen mag.

Während des Arbeitens, auf Reisen, bei Gesprächen kann man dennoch auf die Seele lauschen. Das ist wahres Zen - oder das Nicht-Sein. 

Alles, was mit diesem "Lauschen" zu tun hat, kann man "Meditation" nennen. Während dieses "Lauschens" wird der Mensch genährt.

Auch über dieses Lauschen kann man diskutieren, denn man tut es oder man tut es nicht, und eine Methode dafür gibt es nicht. 

Außerdem weiß jeder Mensch, ob er wirklich nach dieser Seele lauscht oder nicht und sind alle diesbezüglichen Fragen nur ein Spiel des Egos, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. 

Kein reifer, geistiger Mensch wirft seine Seele in die Diskussion, das findet er unwürdig. 

Der reifende, geistige Mensch hat ein Bedürfnis "auf die Seele zu lauschen", und in jedem Augenblick des Tages sehnt er sich nach dem "Alleinsein mit dem Geist", wann und wo auch immer. 

Wer wahrlich "lauscht", wird den Weg finden, um seine geistige Nahrung auszuteilen und/oder zu sich zu nehmen. 

Er wird keinen geistigen Hunger mehr verspüren, ohne genährt zu werden; er wird auch nicht übersättigt werden, weil er nicht wegschenken oder sich nicht nähren könnte. 

Er wird wie ein Baum sein: sich zum Himmel erhebend, wurzelnd in der Erde; ein Wesen, das Erde und Himmel verbindet und sich glücklich und voll Friede fühlt, weil es dem Geist, und dadurch auch der Seele dient.

©1970-2013 Henk und Mia Leene